Der Teuflische / La casa dell’esorcismo / The House of Exorcism

Mario Bavas pervers schöner und seltsamer Film Lisa und der Teufel könnte am ehesten als eine filmisch poetische Odyssee verstanden werden – ein metaphysischer Wachtraum, in dem das Publikum von Italiens führendem Genre-Maestro auf eine persönliche Reise seiner eigenen Filmografie mitgenommen wird. Es handelt sich um ein Werk, das ein Jahrzehnt Wert der stärksten Bilder, Stimmungen und thematischen Obsessionen aus narrativen Ideen destilliert, die manchmal unlogisch, manchmal wunderlich und oftmals spielerisch surreal – aber immer direkt mit einigen der bedeutendsten wiederkehrenden Motiven aus Bavas bestem Kino verbunden sind. Eine Fülle von Kameraeinstellungen, Requisiten, Drehorten und manchmal auch spezifische Geschehnisse aus anderen Bava-Filmen können wiedererkannt werden: wie zum Beispiel eine gespenstische Hand, die ein Gesicht auf eine Fensterscheibe drückt (Operazione paura aka Die toten Augen des Dr. Dracula, 1966) oder ein Zimmer voll von gesichtslosen Schaufensterpuppen (Il rosso segno della follia aka Hatchet for the Honeymoon, 1970). Während eine der vielen markanten Sequenzen aus dem letzten Akt des Films einen weiteren Entwurf des beunruhigenden Denouements des „A Drop of Water“-Segments aus Bavas klassischem Anthologiefilm I tre volti della paura (Die drei Gesichter der Furcht, 1963) darstellt, in dem eine Leiche wieder zum Leben zurückzukehren scheint und dann langsam auf einen bis dahin hysterisch gewordenen Protagonisten geschwenkt wird, indessen dabei des Regisseurs Markenzeichen die Einstellungen im Magenta Farbton ausleuchtet.

Wenn er seine Vision, in dessen wohl reinster Form, auf die Leinwand bringt, arrangiert und gestaltet Bava diese vertrauten Motive neu, in ein intensiv lyrisches, psychosexuelles Melodram, das zunächst „nur“ als eine gut ausgestattete, kunstvoll arrangierte, jenseitige Romanze präsentiert wird – doch tatsächlich handelt es sich bei dem Film um eine quäzige Meditation über die Sinnlosigkeit des Kampfes des Lebens gegen die Kräfte des Todes und des Verfalls. Ein Thema, das mit subtiler Anmut und visueller Geschicklichkeit verfolgt wird, gefilmt in üppigem Technicolor, welches sicherstellt, dass Lisa und der Teufel atemberaubend anzuschauen ist. Künstlerisch ist der Film eindeutig die Krönung von Bavas Karriere als Regisseur und ein Dreh- und Angelpunkt des fantastischen Films. Die Geschichte kann erst nachträglich und nach mehreren Sichtungen ihre Brillanz offenbaren, wobei jede Aufnahme sorgfältig komponiert ist, um die melancholischen Themen des Regisseurs zu avancieren, die das dünne Gewebe des gelebten Lebens als bloßen Puppentanz vorstellen – eine klassisch orchestrierte, gotisch-gefärbte Oblivion – arrangiert von einem schelmischen Strippenzieher, der sich als Diablo selbst herausstellt.

Leider war für diese Art von delikat gearbeiteter filmischer Eleganz in den frühen siebziger Jahren kein Platz mehr: die weiche Fokusbeleuchtung des Kameramanns Cecilio Paniagua, die prächtigen Kunst Tendenzen von Nedo Azzini und die aufwändigen Set-Dekorationen von Rafael Ferri gehören in eine ganz andere, hoch stilisierte künstlerische Ära, als die, in welche das Horror-Genre zu dieser Zeit umschwenkte. Diese filmische Eleganz gehörte noch in eine Welt, die von den zerbrechlichen, wohlklingenden Lounge-Melodien des Komponisten Carlo Savina komplimentiert wurde, deren Hauptthemen zumeist durch die entzückenden Vocals von Edda dell’Orso veredelt worden sind. Aus seinem altmodischen Kontext gerissen, kann man den Film heutzutage leicht als ein gespenstisches Spektakel von dunkel perverser Fantasie ansehen; im Jahr 1973 jedoch, als sich selbst Hammer bereits mit Sexploitation beschäftigt hatte, nur um seine Gothic-Formel am Leben zu halten (mit Titeln wie The Vampire Lovers aka Gruft der Vampire, 1970) musste Bavas Werk für viele Zuschauer hoffnungslos fehl am Platz oder sogar kitschig gewirkt haben. Der neue Horror, der aus George A. Romeros und Michael Reeves‘ Debüt-Feature Witchfinder General aka Der Hexenjäger (1968 – basierend auf Edgar Allen Poes Balladen-Gedicht The Conqueror Worm) geboren wurde, zeigte in eine Richtung, die Bavas persönlichstes Werk weitgehend unbeachtet bleiben ließ. Produzent Alfredo Leone versuchte 1973 den Film in Cannes zu verkaufen, nachdem er bereits ein lächerlich niedriges Angebot von A.I.Ps Samuel Z. Arkoff für die nordamerikanischen Vertriebsrechte abgelehnt hatte.

Leone hatte $1.000.000 in den Streifen investiert und seine Erwartungen, der Film würde ein gefragtes Highlight bei den Filmfestspielen von Cannes sein, waren dementsprechend hoch. Während der Postproduktion schauten sowohl Frederico Fellini als auch Michelangelo Antonioni vorbei, um das neue Meisterwerk ihres Freundes zu sehen und lobten es überschwänglich. Allerdings gab es in Cannes keine rentablen Angebote, sodass Leone mit einem noch nicht verkauften Film nach Hause zurückkehren musste. Das einzige Land, in dem Lisa und der Teufel jemals im Kino gezeigt wurde, war Spanien. Leone musste seine Investition irgendwie wieder rein holen und Bava, nachdem er die Chance bekommen hatte, sein großartiges Meisterwerk fertigzustellen, fühlte sich verpflichtet, ihm zu helfen den Film an den Mann bringen zu können. Dies führte dazu, dass etwa dreißig Minuten zusätzliches Material gedreht wurden, das einen neuen Rahmen für die Geschichte lieferte, um auf der Erfolgswelle von William Friedkins jüngsten phänomenalen Erfolg Der Exorzist mit zu schwimmen. Bava flog sogar extra nach London und am selben Tag wieder zurück, um eine Nachmittagsvorstellung des Films zu sehen, der in Italien noch nicht angelaufen war. Elke Sommer drehte die zusätzlichen Szenen ohne Bezahlung aus Dankbarkeit für die Möglichkeit in einem Horrorfilm zu spielen, da dies ein Genre war, in dem sie normalerweise nicht besetzt wurde.

Es muss erwähnt werden, dass, wenn es überhaupt irgendeinen künstlerischen Wert gibt, den man Das Haus des Exorzismus entnehmen kann, dann muss dieser vollkommen Elke Sommer gutgeschrieben werden. Sie legt sich in den übertrieben „witzigen“ Exorzisten-Ripp-Off-Sequenzen wirklich ins Zeug (von einer kleinen Crew in Italien mit Bava als Kameramann gedreht) – Fluchen, Zischen und Spucken von grünem Schleim wurden selbstverständlich mit einem Blick auf die Blasphemie und Schock Taktik von Friedkins Original ins Drehbuch geschrieben. Der Film wurde 1975 veröffentlicht und sofort (deprimierend?!) ein massiver Hit, der das Geld, welches Leone in Lisa und der Teufel investiert hatte, mit Leichtigkeit wiedereinspielen konnte. Der Film beginnt mit einer billig aussehenden Titelsequenz, unterlegt mit Strawinskys The Rite of Spring, in der Bavas Regie Kredits an jemanden namens Micky Leon (der Name von einem von Alfredo Leones Söhnen) vergeben sind, da er über den blasphemischen Inhalt und die Nacktheit des Films nicht glücklich war und sich weigerte am Set präsent zu sein, wann immer diese Szenen auch gedreht werden mussten (seine Schwester war eine Mutter Oberin in einem Kloster und Bava war furchtbar Abergläubisch bei solchen Dingen), so dass Leone die Dreharbeiten, die solch strittiges Material beinhalteten, selbst leiten musste. Später, nachdem er den fertigen Streifen gesehen hatte (so behauptet Leone), wäre Bava so zufrieden gewesen, dass er bereit war, wieder seinen eigenen Namen in den Kredits erscheinen zu lassen, doch da waren die Filmkopien bereits in die Distribution gegangen.

In dieser Version der Geschichte führt Lisas erste Begegnung mit Savalas im Antiquitätenladen dazu, dass sie auf der Straße plötzlich einen Anfall bekommt und von da an besessen ist, als Leandro (gespielt von einem Telly Savalas Double in einer ergänzten Szene) eine Gipsbüste von Elenas Kopf berührt. Anschließend wird sie in der Gesellschaft eines katholischen Priesters (Pater Michael aka Robert Alda) und ihrer Reisebegleitung, die von Leones Tochter Kathy gespielt wird (die nur in einer kurzen Szene zu Beginn von Lisa und der Teufel zu sehen ist und hier etwas mehr Screening-Time bekommt), ins Krankenhaus gebracht. Alda tut sein Bestes, um gemäßigt und heilig zu wirken, während die besessene Lisa Reiner den Rest des Films damit verbringt grünen Schleim und verrückt aggressiv blasphemische Flüche über ihn zu erbrechen. Außerdem versucht sie seinen Glauben zu erschüttern – indem sie ihm das nackte Ebenbild seiner verstorbenen Frau vorspiegelt, die ein paar Jahre zuvor in einem Autounfall umkam, da er nicht in der Lage war, sie aus dem Fahrzeug zu ziehen, bevor dieses in einem Flammenball explodierte. Die Frau des guten Pater Michael entpuppt sich als exotisches Brünett-Euro-Babe, das beträchtlichen Körpercharme besitzt, der selbstverständlich reichlich ausgestellt wird (Leone nahm diese Sequenzen aus exploitativen Winkeln auf, die viel aus der Leistengegend zeigen und neben der sedierten Pracht des Originals recht unpassend erscheinen). Weiterhin offenbart sie der Geist von Elena zu sein und die wirkliche Lisa nun in einer höllischen Reprise der gleichen Ereignisse gefangen ist, die zu Elenas ursprünglicher Verdammnis führten. Pater Michael versucht hingegen den Dämon dazu zu bringen, diese Ereignisse mit ihm in Beziehung zu setzen (was erlaubt die Sequenzen des Originalfilms als eine Reihe von Rückblenden funktionieren zu lassen), damit er den Standort der Villa herausbekommen kann, in der das Unglück vor rund hundert Jahren geschehen war. Anschließen reist er zu der verfallenen Villa, um dort einen Exorzismus durchzuführen, den Ort seines dämonischen Geistes zu entledigen und Lisa aus ihrem Fegefeuer zu befreien (obwohl wir sie niemals wieder im normalen Zustand sehen).

Das deprimierendste an dem neuen Material ist nicht der ausbeuterische Aspekt an sich, sondern die Tatsache, dass alle subtilen traumhaften Texturen und visuellen Reime, die das Original so besonders gemacht haben, damit zertrampelt werden, um die beiden ungleichen Segmente in einem Frankenstein Monster eines Films zusammen zu stricken, wo es jederzeit offensichtlich ist, dass sie das Ergebnis von zwei vollkommen unterschiedlichen Werken sind, die in total verschiedenen Stilen angefertigt und einfach zusammengeklatscht wurden. So dient die Einstellung von Carlos zerbrochener Taschenuhr jetzt nur noch als eine Verknüpfung, um zu einer entsprechenden Aufnahme eines Arztes schneiden zu können, der auf seine eigene Uhr im Krankenhaus am Bett der besessenen Lisa schaut, oder wenn sich Leandro in einer Pfütze von verschüttetem Rotwein spiegelt und der Film grob zu einer entsprechenden Pfütze des grünen Erbrochenen neben Lisas Krankenhausbett springt!

Die finale Exorzismus-Sequenz, die sich in den verfallenen Abschnitten der alten Villa abspielt, in denen Pater Michael mit Elenas Skelett konfrontiert wird und mit einem Haufen von Schlangen fertig werden muss, als er versucht eine explodierende Bibel umher zu schwenken, wirkt lächerlich und unbeholfen (antizipiert allerdings seltsamerweise das Finale von John Boremans Exorzist 2: Der Ketzer, 1977), appellierte jedoch offensichtlich an das Publikum der damaligen Zeit, angesichts des Kassenerfolgs des Films. Dieser Erfolg unterstreicht umso mehr, dass die Blütezeit des romantischen gotischen Kinos bis Mitte der siebziger Jahre so ziemlich am Ende war. Der Originalfilm war noch klassischer in Stil als viele von Bavas neueren Werken wie 5 bambole per la luna d’agosto aka Five Dolls for an August Moon (1970) und Reazione a catena aka Im Blutrausch des Satans (1971) mit ihren verrückten Zooms und jazzigen Scores, also war es vielleicht keine Überraschung, dass die verträumte, melancholische Kunst-Deko-Romantik von Lisa und der Teufel im kruden Sensationalismus von The House of Excorcism verloren geht. Bava starb, bevor sein wahres Meisterwerk wiederentdeckt und ein Hit bei einer neuen Generation von Fans wurde, die sich der klassischen Periode des italienischen goldenen Horrorkinos annahm, die er 1960 mit La maschera del demonio aka Die Stunde, wenn Dracula kommt (1960) selbst initiiert hatte. Er wäre sicherlich begeistert, dass sein Auge für Kunst, Schönheit und Schrecken heutzutage noch mehr geschätzt wird, als es jemals zu seinen Lebzeiten der Fall war. Treue Horror-Fans wenden sich wieder Bavas Werken zu, als Flucht aus den langweiligen Mundanitäten des modernen Horror-Films.

Lisa und der Teufel

Bei Amazon kaufen

  • Darsteller: Elke Sommer, Sylva Koscina, Telly Savalas, Alession Orano, Gabriele Tinti
  • Regisseur: Mario Bava
  • Format: Collector’s Edition
  • Sprache: Italienisch (DTS-HD 2.0), Deutsch (DTS-HD 2.0), Englisch (DTS-HD 2.0)
  • Untertitel: Deutsch
  • Region: Region B/2
  • Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
  • FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
  • Studio: Koch Media GmbH
  • Produktionsjahr: 1973
  • Spieldauer: 95 Minuten

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

Das könnte dich auch interessieren …