…a tutte le auto della polizia… / Calling All Police Cars

Ein junges Mädchen wird vermisst, weswegen ihr Vater, Professor Icardi, an ein paar Fäden zieht, um sicherstellen zu können, dass der Fall höchste Priorität genießt. Polizeichef Carraro beauftragt daraufhin Kommissar Fernando Solmi und Inspektorin Giovanna Nunziante mit der Untersuchung, wobei sich Solmi sehr darüber ärgert, dass der Fall aufgrund Icardis politischen Einflusses, als besonderer Gefallen behandelt werden muss. Letztendlich wird das Mädchen tot aufgefunden und es stellt sich heraus, dass sie in einem Prostitutionsring für Minderjährige tätig war.

Kurzinhalt inkl. Spoiler !!!

Fiorella Icardi (Adriana Falco), die 16-jährige Tochter des renommierten Chirurgen Andrea Icardi (Gabriele Ferzetti), verschwindet unter mysteriösen Umständen. Später wird sie tot (mit einer Kugel im Hinterkopf) auf dem Grund des Albano-Sees in der Nähe von Rom aufgefunden. Die Polizei verdächtigt den Gastwirt Enrico Tummoli (Ettore Manni), der ein notorischer Spanner ist und „Momolo“ genannt wird. Durch die Beschattung von Fiorellas Schulkameradin Carla (Gloria Piedimonte) deckt die Polizei jedoch einen Prostitutionsring für Minderjährige auf, für den viele Mädchen aus der Oberschicht „arbeiten“ und der von einem gewissen Franz Hekker (Marino Masé), auch bekannt als Francesco Pagano, geleitet wird. Der angesehene Politiker Mordini (Mario Erpichini), ein ehemaliger Minister und sehr guter Freund der Icardis, ist ebenfalls in das schmutzige Geschäft involviert. Polizeichef Carraro (Enrico Maria Salerno) besteht jedoch darauf, dass Tummoli der Mörder ist, damit der Fall schnell abgeschlossen werden kann, ohne einen Skandal auszulösen. Doch Tummoli wird umgebracht und schon bald folgen weitere grausame Morde. Unter den Opfern befinden sich ein Gynäkologe (Franco Ressel) und Hekker aka Pagano. Es wird nun offensichtlich, dass jemand all die über den Tiber schickt, die zu viel wissen. Schließlich bringen Reifenspuren an einem Tatort Kommissar Solmi dazu, die Identität des Mörders zu demaskieren. Dabei handelt es sich um Professor Giacometti (Elio Zamuto) – einen Kollegen sowie persönlichen Freund von Icardi – der Fiorellas Liebhaber war und das Mädchen ermordete, da sie aufgrund einer Schwangerschaft wollte, dass er seine Frau für sie verlässt.

…a tutte le auto della polizia… ist offensichtlich von Massimo Dallamanos Schulmädchen-in-Gefahr Filmen beeinflusst worden. Der Streifen präsentiert dieselbe schäbige Abtreibung-in-einem-Hinterzimmer Nebenhandlung wie in Cosa avete fatto a Solange? (Das Geheimnis der grünen Stecknadel, 1972) und hat eine ähnliche Mischung aus giallo– sowie poliziotteschi Merkmalen wie in La polizia chiede aiuto (Der Tod trägt schwarzes Leder, 1974) zu bieten. Leider vermag es der Film dennoch nicht viel Originalität auf den Tisch zu bringen. Zum Großteil des Flicks bekommt die geneigte Zuschauerschafft gewöhnliche Polizeiarbeit (mit Szenen zur Katalogisierung von Beweismitteln, Sicherung von Reifenspuren und ballistischen Tests etc.) vorgesetzt, in die ein recht knapper sozialer Kommentar eingearbeitet wurde. Polizisten der Arbeiterklasse treten gegen Elitemitglieder der gehobenen Gesellschaft an – was an Luigi Comencinis La donna della domenica (Die Sonntagsfrau, 1975) – erinnern lässt, wobei sich der soziale Kommentar hier eher willkürlich und ein wenig unaufrichtig anfühlt.

Nichtsdestotrotz begibt sich …a tutte le auto della polizia… – mit reichlich weiblicher Nacktheit sowie einem dritten Akt, der sich deutlich von der ursprünglichen Handlung entfernt und somit in einen giallo im DarioArgento-Stil verwandelt – auf explizites Exploitation-Gebiet, indem ein schwarz behandschuhter, unbekannter Killer eine Reihe von potentiellen Zeugen entsorgt. Die Morde, mit ausgiebigem Einsatz der Ego-perspektive aufgenommen, gestalten sich maßlos übertrieben: „Momolo“, der Spanner, wird erdrosselt; einem Arzt, der Abtreibungen durchführt, wird die Kehle mit einem Skalpell aufgeschlitzt und ein junges Mädchen wird im Badezimmer niedergemetzelt. Das Endergebnis ist als ein eher nicht gerade überzeugender Hybrid zu bezeichnen, der irgendwie ein gutes Beispiel für den nie endenden Wettlauf in Richtung Exzess repräsentiert, der das italienische Kino dieser Zeit charakterisierte. Die beiden Genres verschmelzen nie so kohärent miteinander wie in Dallamanos Modell, während der Streifen insgesamt dennoch keineswegs als reizlos beschrieben werden kann.

Der Plot gestaltet sich nämlich durchaus interessant, auch wenn damit keine neuen Wege beschritten werden. Die Charakterisierungen hätten ein wenig besser ausgearbeitet werden können aber der Aufbau ist recht gut gelungen, wobei das übergreifende Thema der „Korruption von Unschuld“ schlüssig präsentiert wird. Die Drehbuchautoren Massimo Felisatti und Fabio Pittorru adaptierten das Drehbuch von ihrer 1974 erschienenen Erzählung A scopo di libidine. Beide hatten auch an den Drehbüchern zu Concerto per pistola solista (Konzert für eine Pistole, 1970) und La notte che Evelyn uscì dalla tomba (Die Grotte der vergessenen Leichen, 1971) mitgearbeitet, während Pittoru zusätzlich an La dama rossa uccide sette volte (The Red Queen Kills Seven Times, 1972) beteiligt war und Felisatti den Plot zu Nude per l’assassino (Nackt für den Killer, 1975) mit kreierte. Sie konzipierten auch die Miniserie Albert e l’uomo nero (1976), die einige abgemilderte giallo-Elemente enthält. Es überrascht somit nicht, dass die beiden auch im Bereich der poliziotteschi aktiv waren, insbesondere bei der Arbeit am Drehbuch für Sergio Martinos La polizia accusa: il servizio segreto uccide (Die Killermafia, 1975).

Sie trugen auch zu der beliebten italienischen Fernsehserie Qui squadra mobile (1973-1976) bei, in der einige der Charaktere auftreten, die später auch in den besprochenen Film eingearbeitet wurden (aber nicht von denselben Schauspielern gespielt werden), dem ein inspirierterer Regisseur sicherlich gut getan hätte. Mario Caiano liefert zwar ein paar grässliche Mordszenen ab – insbesondere Franco Ressels Ableben sowie der Angriff im Badezimmer fallen sehr garstig aus – in denen das Blut nur so spritzt, wirkt bei den Dialogszenen jedoch etwas verloren. Das Tempo ist viel zu langsam angelegt worden, während die Produktionswerte die Low-Budget-Ursprünge des Films offenbaren. Lallo Goris Musik lässt ihn erneut als einen der am wenigsten inspirierten Komponisten von giallo-Soundtracks erscheinen, obwohl die funkigeren Tracks zu den Polizeithriller-Neigungen des Flicks passen. Die Besetzung verspricht mit Sicherheit enorm viel, doch nur wenige der Schauspieler erhielten hier eine Chance, sich wirklich auszuzeichnen.

Antonio Sabàto spielt zwar nicht schlecht, schafft es allerdings auch nicht seiner Figur etwas Besonderes zu verleihen. Die Rolle des Kommissar Fernando Solmi verlangt nach einem Schauspieler mit dem Feuer und der Intensität eines Franco Nero, während Sabàto einfach nur leicht genervt durch den Film wandelt. Jemand wie Nero oder eventuell auch Claudio Cassinelli hätten Solmis Wut und Frustration wahrscheinlich besser rübergebracht. Luciana Paluzzi übernimmt die Rolle von Solmis Mitarbeiterin Giovanna Nunziante. Leider ist die Figur in dieser speziellen Inkarnation nur hauchdünn ausgearbeitet worden, was dazu führt, dass Paluzzi buchstäblich in der Szenerie untergeht. Enrico Maria Salerno mimt den gereizten Polizeichef – der zwischen Gerechtigkeit und der Befriedigung seiner „Herren“ aus der politischen Abteilung hin und her schwankt – wie gewohnt überzeugend, während Gabriele Ferzetti als ahnungsloser Vater – der sich nicht damit abfinden kann, dass er nie wirklich für seine Tochter da war – seiner Rolle etwas Gewicht verleiht. Er besitzt eine Privatklinik, die der aus Luigi Zampas wütendem Drama Bisturi la mafia (Die Weiße Mafia, 1973, Enrico Maria Salerno spielt dort einen zynischen, stets betrunkenen Arzt, der für alle Arten von Fehlverhalten und Gier Zeugnis ablegt, während Gabrielle Ferzetti den niederträchtigsten Weißkittel verkörpert, der jemals auf Zelluloid gebannt wurde) nicht allzu unähnlich ist und braucht nur einen Anruf zu tätigen, um die gesamte Polizei zur Verfügung zu haben.

Ferzetti wurde 1925 in Rom geboren, gab 1942 mit Via delle cinque lune sein Spielfilmdebüt und erlangte in den 1950er Jahren den Status eines Hauptdarstellers. In Michelangelo Antonionis L’Avventura (Die mit der Liebe spielen, 1960) hatte er seinen bekanntesten Auftritt als der von Langeweile geplagte Junggeselle, dessen Geliebte (Lea Massari) plötzlich verschwindet. Später machte er auch bei internationalen Koproduktionen wie John Hustons The Bible… In the Beginning (Die Bibel, 1966), Peter Hunts On Her Majesty’s Secret Service (James Bond 007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät, 1969) und Ennio De Concinis Hitler: The Last Ten Days (Hitler – Die letzten 10 Tage, 1973) mit. Außerdem übernahm er Rollen in Sergio Leones C’era una volta il West (Spiel mir das Lied vom Tod, 1968) und Liliana Cavanis Il portiere di notte (Der Nachtportier, 1974). In diesem Jahrhundert war er noch in Luca Guadagninos Io sono l’amore (Ich bin die Liebe, 2009) zu sehen, der eine Golden-Globe-Nominierung als bester ausländischer Film bekam. Ferzetti starb im ehrwürdigen Alter von 90 Jahren im Dezember 2015. Mehr Betonung auf die von Salerno und Ferzetti gespielten Figuren hätte dazu beitragen können, dem Film ein größeres dramatisches Gewicht zu verleihen, was aber leider nicht der Fall ist. Zu den Nebendarstellern gehören bekannte Schauspieler wie Ettore Manni, Franco Ressel, Marino Masé und sogar Fulvio Mingozzi, während die in Ungarn geborene Ilona Staller als eine der jungen Prostituierten auftaucht. Sie änderte ihren Namen später in Cicciolina und wurde zu einem der beliebtesten italienischen Stars der Hardcore-Sexfilmszene.

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  • Seitenverhältnis: 16:9 – 2.35:1, 16:9
  • Alterseinstufung:‎ Nicht geprüft
  • Regisseur: Mario Caiano
  • Medienformat:‎ Import
  • Laufzeit: 1 Stunde und 35 Minuten
  • Darsteller:‎ Gabriele Ferzetti, Luciana Paluzzi, Elio Zamuto, Antonio Sabato, Enrico Maria Salerno
  • Untertitel: ‎Italienisch
  • Sprache: ‎Italienisch (Dolby Digital 1.0), Italienisch (Dolby Digital 5.1)
  • Studio: ‎MONDO HOME ENTERTAINMENT SPA

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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