Abrechnung in Vera Cruz / El sabor de la venganza / I tre spietati / The Pitiless Three

Eine Banditenbande flüchtet nach einem Banküberfall durch die Wüste. Auf einer Ranch stehlen sie Pferde und erschießen den Vater dreier Söhne James Walker. Die Söhne Jeff, Chris und Brad schwören später ihrer Mutter, den Tod zu rächen. Jeff ist Sheriff in Veracruz geworden, Brad bewirtschaftet inzwischen die Farm des Vaters und Chris ist ein herumziehender Revolvermann. Auf unterschiedliche Weise suchen die Söhne nach den Verbrechern. Im Gegensatz zu seinen Brüdern möchte Jeff die Banditen vor ein Gericht stellen und verurteilen lassen. Chris erschießt einen der Banditen bei der ersten Gelegenheit. In Veracruz kommt es schließlich zum Showdown mit den Verantwortlichen Pedro Ramirez, Bedford und Parker. (Explosive Media)

1963 erschienen, stellt Abrechnung in Vera Cruz einen dieser spanisch koproduzierten Pre-Leone-Western dar, in den auch Alberto Grimaldi etwas Geld hineingesteckt hat. Obwohl hier bereits einige italienische Elemente durchscheinen, ist der Streifen immer noch weit von dem „schmutzigeren“ Ansatz entfernt, der den europäischen Western in den kommenden Jahren dominieren sollte. Die meisten Italo-Western Enthusiasten werden den Film wohl eher aus filmhistorischen Gründen ansehen wollen, doch letztendlich kann er sich auch als überraschend gut bezeichnen lassen. Abrechnung in Vera Cruz ist ohne Zweifel zu den gelungeneren Pre-Leone-Western zu zählen und schneidet dabei viel besser als der immens erfolgreiche Centomila dollari per Ringo (100.000 Dollar für Ringo, 1965) ab, in dem auch Richard Harrison mitspielt. Der spanische Titel des Flicks lautet El Sabor de la Venganza (Der Geschmack der Rache), ist aber besser unter dem italienischen Titel I Tre Spietati (Die drei Rücksichtslosen) bekannt. In der englischsprachigen Welt wurde daraus The Pitiless Three (Die unbarmherzigen Drei), The Three Ruthless Ones (Die drei Rücksichtslosen) oder (ziemlich einfallsreich) Sons of Vengeance (Söhne der Rache). Dabei ist dieser Western nicht mit Joaquín Luis Romero Marchents The Implacable Three (Tres hombres buenos / Die unerbittlichen Drei) zu verwechseln, der im selben Jahr etwas früher veröffentlicht wurde.

Diese frühen spanischen Western sehen sauberer als ihre italienischen Gegenstücke aus, die nach Sergio Leones bahnbrechendem Per un pugno di dollari (Für eine Handvoll Dollar, 1964) erschienen sind. Die Unterschiede fallen sowohl beim Set- als auch beim Kostümdesign auf sowie in der Herangehensweise an das Rachethema. In der Eröffnungsszene wird das Publikum Zeuge, wie eine Ranch von einer Gruppe flüchtiger Banditen überfallen wird. Drei kleine Kinder, allesamt Jungen, müssen mitansehen, wie ihr Vater ermordet und ihre Mutter beinahe vergewaltigt wird (einen Vergewaltigungsversuch zu porträtieren war offenbar alles, was sich Filmemacher in diesen Tagen erlauben konnten). Nach diesen schrecklichen Ereignissen bittet die Frau ihre drei Söhne, am Grab ihres Vaters zu schwören, dass sie ihn rächen werden, sobald sie das Erwachsenenalter erreicht haben. Diese Szene kann als ein starkes Bild beschrieben werden: die Mutter, die drei Söhne, deren Gelübde und das Kreuz. Allerdings gilt diese Sequenz auch heute noch als ziemlich umstritten, da man die Vorstellung generell ablehnt, dass eine Mutter ihre Söhne auf dem Pfad der Rache antreibt.

Nach der Eröffnungsszene springt der Film zeitlich in die Zukunft, denn aus den drei Jungs sind erwachsene Männer geworden: Jeff (Richard Harrison) ist zu einem Bücherwurm mutiert, der sich an das Gesetz halten und die Mörder seines Vaters vor Gericht stellen will, während Chris (Claudio Undari, als Robert Hundar gelistet) von Rachegedanken besessen ist und schon ziemlich bald vom rechten Weg abkommt. Brad (Miguel Palenzuela, als Billy Hyden aufgeführt), der älteste Sohn, erbt die Ranch und hat im Laufe der Zeit gelernt mit seiner Verbitterung umzugehen bzw. zu leben. Zum Entstehungszeitpunkt dieses Films hinkten die Rufe nach Rache der Spaghetti-Western-Ethik noch weit hinterher, wobei sich die Menschen noch ritterlicher verhalten und mehr im Einklang mit den spanischen Dramen des Goldenen Zeitalters stehen sollten. Den wahren Helden repräsentiert also Jeff, der gesetztreue Bürger und nicht Chris, der schießwütige Bruder. Außerdem führen die obsessiven Vorstellungen der Mutter von Hass und Rache schließlich zu ihrem Untergang. Der Sohn, der letztendlich ihren Rachedurst stillt, stirbt im melodramatischen, jedoch recht wirkungsvollen Finale des Films in ihren Armen.

Bis zu einem gewissen Grad versucht Abrechnung in Vera Cruz noch dem amerikanischen Western nachzueifern, weswegen auch Riz Ortolanis Musik auf amerikanischen Western-Scores basiert (das Hauptthema erinnert leicht an Elmer Bernsteins Musik zu Die glorreichen Sieben) und Fernando Sancho noch nicht darum gebeten wurde, den überschwänglichen mexikanischen Banditen darzustellen, mit dem er bald identifiziert werden würde (als Schauspieler natürlich). Stattdessen kommt er hier eher wie ein komischer Sidekick im Howard-Hawk-Stil rüber, gutherzig und spaßig, unter Druck jedoch loyal und zuverlässig. Insgesamt kommen die Mexikaner hier viel besser weg, als in den meisten Italo-Western. Bei einer etwas langgezogenen Rodeo-Sequenz in der Mitte des Films werden sie als fröhliche Menschen voller Lebensfreude gezeigt. Zusammen mit Undari, der so gut wie immer in diesen frühen Western aufzutauchen schien, sind Harrison, Sancho und vielleicht auch noch Luis Induni (als Andrew Scott gelistet) die bekanntesten Gesichter innerhalb der Besetzung. Außerdem gibt es noch schöne Cameo-Auftritte für einige Schauspieler, die schon bald zu Italo-Western-Stammgästen werden sollten, wie José Manuel Martin, Francisco Sanz und Aldo Sambrell. Ach ja und dann ist da noch diese bizarre Besetzung von Gloria Milland als Mutter, die fünf Jahre jünger ist, als zwei ihrer Söhne (!).

Bei Abrechnung in Vera Cruz handelt es sich also um einen guten Pre-Leone-Western, der oft zu den besten spanischen Pferdeopern überhaupt gezählt wird, während Marchents nächster Western Antes llega la Muerte (Die Sieben aus Texas, 1964) noch besser beim Publikum angekommen ist. Der hier vorliegende Flick gestaltet sich ein bisschen weitschweifig und die bereits erwähnte Rodeo-Szene fühlt sich total fehl am Platz an, doch die Geschichte erweist sich als ereignisreich sowie bewegend. Außerdem passt es gut, ein in Weiß getünchtes andalusisches Dorf in einem Western zu sehen, der gedreht wurde bevor Clint Eastwood auf einem Maultier in San Miguel einritt. Obwohl der Streifen hauptsächlich eine spanische Produktion darstellt, lief er in Italien bemerkenswert gut. Co-Produzent Alberto Grimaldi verwendete das Geld, das er mit diesem Film verdiente, um Leone für seinen zweiten Western unter Vertrag zu nehmen, nachdem er mit Papi & Colombo von Jolly Films aneinander geraten war.

Explosive Media präsentiert Abrechnung in Vera Cruz in zwei Cover-Varianten (jeweils auf 1000 Stück limitiert) erstmals als restaurierte High Definition Neuabtastung (Blu-ray + DVD), die wirklich gut gelungen ist. Dem Label ist somit wieder einmal eine klasse Veröffentlichung eines diesmal recht frühen Italo-Western geglückt, um die kein Genre-Liebhaber bzw. Sammler herumkommen dürfte.

Bonusmaterial:

  • Original US-Kinotrailer
  • Deutsche Kinofassung
  • Unterschiede der spanischen Kinofassung
  • 40seitiges Booklet mit Texten von Maximilian Scholz und Leonhard Elias Lemke
  • Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
  • Western Trailer-Reel

Wer noch mehr zur Veröffentlichung, deren Qualität und den Extras erfahren möchte, der liest am besten jetzt im Anschluss noch Sebastians Besprechung auf der SWDb!

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  • Seitenverhältnis: 16:9 – 2.35:1, 16:9 – 1.77:1
  • Alterseinstufung: Freigegeben ab 12 Jahren
  • Regisseur: Marchent, Joaquín Luis Romero
  • Laufzeit: 1 Stunde und 37 Minuten
  • Darsteller: Harrison, Richard, Undari, Claudio, Milland, Gloria, Sancho, Fernando, Induni, Luis
  • Untertitel: ‎Deutsch, Englisch, Italienisch
  • Studio: ‎Explosive Media

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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