American Werewolf / An American Werewolf in London

Zwei amerikanische Studenten durchtrampen auf ihren Europatrip das englische Hochmoor. Müde und durchfroren erreichen sie einen kleinen Pub, wo man sie eindringlich vor einer Bestie warnt, die hier ihr Unwesen treiben soll. Unerschrocken setzen die beiden ihren Weg durch die regnerische Nacht fort, verirren sich im Moor – und werden prompt von einem Werewolf angefallen. Jack stirbt, David kommt schwerverletzt ins Krankenhaus. Trotz fürsorglicher Pflege quälen ihn Nacht für Nacht grauenhafte Alpträume, in denen ihm sein toter Freund erscheint und ankündigt, er selbst würde beim nächsten Vollmond zum menschenmordenden Werewolf. Die Nacht des nächsten Vollmonds steht kurz bevor – und damit sieht alles anders aus … blutiger.

American Werewolf hat eine solch geschätzte Position in den Annalen des Horror-Genres inne, so dass eine Vielzahl von strukturellen und tonalen Fehlern leicht übersehen werden kann. Ein Teil des Problems ist: der Film dockt so stark an den emotionalen Rezeptoren des Horrorfans an, so dass es für ihn nahezu unmöglich ist, den Film objektiv zu bewerten. Der Grund für die Nähe zwischen Filmtext und Horrorfandom ist, dass Autor / Regisseur John Landis selbst ein Horrorfan ist. Mit American Werewolf zollt Landis Tribut an die Universal-Horrorfilme der 30er und 40er Jahre – insbesondere The Wolf Man (Der Wolfsmensch, 1941) und lässt dabei eine gehörige Menge an Nostalgie walten. Nostalgie repräsentiert eine starke Emotion, die, wenn man sie in einem Film erfolgreich zum Einsatz bringen kann, aus diesem Film mit Sicherheit einen Gewinner macht. Die nostalgische Qualität wird hier durch einen erweiterten Prolog in den unwirtlichen Mooren Englands (Landis scheut nicht davor zurück, fast jedes Klischee zu integrieren) und einigen Popsongs der 50er und 60er Jahre heraufbeschworen, die alle die Handlung kommentieren. Manchmal auf ironische Art und Weise, ähnlich wie beim anderen „Klassiker“ des Nostalgiekinos American Graffiti (1973).

Man vergebe Landis die Klischees, man vergebe die strukturellen Fehler, man vergebe die recht ungleichmäßige Atmosphäre, die ohne ersichtlichen Grund vom Horror zur Komödie wechselt. Man vergebe ihm, weil Landis weiß, was es heißt, ein Horrorfan zu sein und weil man seinem Film wegen seiner ansteckenden Liebe und Begeisterung für das Genre huldigen kann. In dieser Hinsicht geht American Werewolf nach dem Vorbild von Sam Raimis The Evil Dead (Tanz der Teufel, 1981) vor. Beide Filme kann man als extrem selbst-reflexiv erachten und beide enthalten eine Reihe von Insider-Witzen, die sich speziell an historisch denkende Horrorfans richten. Die Schwäche von Raimis Film liegt in seiner vollkommenen Exklusivität für den Horrorfan begründet. Landis kreiert dagegen einen Film mit echter Massenattraktivität und hohem Unterhaltungsfaktor, der für Horrorfilme noch immer recht ungewöhnlich ist. Landis‘ Streifen folgte ziemlich schnell auf Joe Dantes The Howling (Das Tier, 1980), wobei sich beide Filme durch ihren Glauben an den Werwolf als filmische Ikone auszeichnen.

Das Ergebnis dieses Glaubens war eine Reihe bahnbrechender visueller Effekte, wie sie seitdem nicht mehr gesehen wurden. Leider lässt man sich viel zu einfach auf eine Diskussion über Rick Bakers brillanten Bemühungen (in beiden Filmen) ein und vernachlässigt dafür einige der anderen Freuden, die der Streifen zu bieten hat. Robert Paynters unheimlichen aber wunderschönen Aufnahmen der walisischen Breacon Beacons, die den Film eröffnen, verleihen dem Streifen die erforderliche gotische Sensibilität, nach der Landis zweifellos gesucht hat. Hinzu kommen die grimmigen Elemente und die klischeehafte Begegnung mit den Landbewohnern im The Slaughtered Lamb, von denen einer in kalter Wut auf einen verworfenen Dartpfeil starrt, nachdem die Touristen eine Frage zu einem Pentagramm an der Wand gestellt haben. Sobald der Film in das weitaus hektischere London wechselt, wächst er langsam aus seiner klischeehaften Haut heraus und entwickelt sich zu einer viel runderen Untersuchung von Schuld und Liebe sowie dem emotionalen und psychologischen Preis körperlicher Transformation.

David Kesslers (David Naughton) Schuldgefühle werden ständig durch die Erscheinungen seines vom Werewolf zerfetzten Kumpels Jack (Griffin Dunne) hervorgerufen, dessen vermehrte Stadien des Verfalls einen der besten Running Gags des Films repräsentieren. Bei seinem letzten Besuch besteht Jack sprichwörtlich nur noch aus etwas Haut und Knochen! Als wäre es nicht bereits genug sich in einen Werwolf zu verwandeln, so muss sich Kessler auch noch mit der Krankenschwester Alex Price (Jenny Agutter) „herumschlagen“, in die er sich selbstverständlich verliebt. Diese interessanten Momente von Charakterisierung werden durch einige erstaunlich effektive Horror set pieces zur Betonung gebracht. Am bemerkenswertesten ist der Albtraum innerhalb einer Albtraumsequenz zu bezeichnen. Der erste Teil deutet auf Kesslers jüdische Unsicherheiten hin und zeigt, wie er dabei zusehen muss, als seine Familie von einem Rudel Nazi-Werwölfen abgeschlachtet wird. In einer anderen Sequenz rennt Kessler nackt durch die Wälder, während er sich mit seiner neu entdeckten Blutlust und Wildheit auseinandersetzt. In beiden Sequenzen ist Schwester Price anwesend, was bestätigt, dass sie bereits einen herausragenden Platz in Kesslers Fantasien eingenommen hat.

Als sich Kessler zum ersten Mal verwandelt (diese erstaunliche Sequenz braucht nicht weiter kommentiert zu werden), befasst sich der Film genauso mit Kesslers psychologischem Zustand sowie mit den Opfern, die er zurücklässt. Eines dieser Opfer trifft sein Schicksal in einer verlassenen U-Bahnstation, wobei dieser Moment zu den besten des Films gezählt werden kann. Landis erschafft während dieser Sequenz ein spürbares Gefühl der Bedrohung mit zwei Aufnahmeoptionen – die erste ist eine POV-Aufnahme aus der Sicht des Werwolfs und die zweite ist eine Aufnahme der Reaktion des verängstigten Geschäftsmanns. Der Film erreicht eine Apotheose der Selbstreflexivität während einer Szene in einem Pornokino. Kessler wird von Jack ins X-Rated Kino gelotst und muss sich dort all seinen Opfern stellen, von denen einige hilfreiche Vorschläge machen, wie er sich am besten selbst umbringen könnte, damit die Blutlinie des Fluchs durchbrochen wird, während ein von Landis eigens angefertigter Pornofilm auf der großen Leinwand läuft.

Die letzten ergreifenden Momente bieten den geringsten Hinweis darauf, dass Kessler in Form des Werwolfs noch menschliches Bewusstsein besitzt, doch die tierischen Instinkte siegen mit tragischem Ausgang. Das Finale ist überraschend pessimistisch gestaltet worden und einer von mehreren Momenten, in denen der Ton des Films von den Erwartungen des Publikums abweicht. American Werewolf stellt zwar keineswegs ein Horror-Meisterwerk dar, aber dafür eine bahnbrechende Tour de Force aus visuellen Effekten und selbstreflexivem Spaß. Es ist möglich den Film ohne Vorkenntnisse der Horrorgeschichte zu „verstehen“, doch um seinen historischen Platz innerhalb des Genres vollständig zu begreifen, hilft die Kenntnis der Horrorproduktionen der Universal Studios der 30er und 40er Jahre.

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  • Alterseinstufung: Freigegeben ab 16 Jahren
  • Regisseur: John Landis
  • Medienformat: 4K, Dolby, PAL
  • Laufzeit: 5 Stunden und 50 Minuten
  • Darsteller: David Naughton, Jenny Agutter, Griffin Dunne, John Woodvine, Brian Glover
  • Untertitel: Deutsch, Englisch
  • Studio: Turbine Medien GmbH
  • Anzahl Disks : 4

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Bonusmaterial:
Neue Features & Interviews (HD):
– Das Vermächtnis der Bestie – mit John Landis, David Naughton, Joe Dante u.v.m. (77 Min.)
– Artefakte des American Werewolf (8 Min.)
– Das Geheimnis des Werwolfs (11 Min.)
– Storyboard-Filmvergleich der Verwandlung (3 Min.)
– American Werewolf in Bobs Keller (4 Min.)
– Piccadilly Circus – damals & heute (7 Min.)
– Ein amerikanischer Regisseur in London (12 Min.)
– Der Ruf des Werwolfs (12 Min.)

Archiv (SD):
– Fürchte den Mond (98 Min.)
– Fear on Film – Talk mit John Carpenter, John Landis & David Cronenberg (26 Min.)
– Post Mortem – Talk mit John Landis (HD 35 Min.)
– Interview mit John Landis (18 Min.)
– Weltexklusives Interview mit David Naughton (13 Min.)
Rick Baker über die Universal-Monster (8 Min.)
– Making an American Werewolf (5 Min.)
– Monster Maker Rick Baker (11 Min.)
– Casting der Klaue (11 Min.)
– Outtakes (3 Min.)
– Showdown-Storyboard-Filmvergleich (4 Min.)
– Fotogalerie (4 Min.)

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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