Angriff der Riesenkralle
Als über dem amerikanischen Luftraum ein seltsames Wesen von der Größe eines Schlachtschiffes auftaucht, will keiner der Aussage des Wissenschaftlers Mitch MacAfee Glauben schenken. Dann attackiert das Wesen, ein gigantischer hässlicher Raubvogel aus dem All, die Zivilisation. Er schleppt Züge fort und frisst Teenager. Konventionelle Waffen prallen am Energieschild des Monsters ab. Als sei das nicht genug, hat die Bestie bereits ein Nest gebaut und brütet weitere Ungetüme aus. Ist die Menschheit noch zu retten oder endet sie womöglich als Vogelfutter für eine Schar fliegender Monster? (Anolis)
Die Handlung des Films ist nichts Besonderes für 50er Jahre creature-features. Ein Monster erscheint – aufgrund von Strahlung, aus dem Weltraum oder aus der Tiefe des Meeres – und erweist sich als unempfindlich gegenüber konventioneller Militärtechnik. Emsige Wissenschaftler müssen hart arbeiten, um eine neue Waffe zu entwickeln, mit der man die Kreatur besiegen kann – entweder ist man erfolgreich oder scheitert, doch so oder so, die Menschheit wird ein bisschen dezimiert. Diese Filme waren repräsentativ für die Paranoia der Ära des Kalten Krieges und gaben der Furcht der Menschen, die Vereinigten Staaten – und so, in Erweiterung die ganze Welt – könnten irgendwann mit einer Kraft konfrontiert werden, die nicht besiegt werden kann, eine Form. Ein weiteres Ding, das diese Monsterfilme gemeinsam haben, ist eine Romanze, die am Aufblühen ist, während der Terror läuft. In diesem Fall ist es die aufkeimende Liebe zwischen Mitch (Jeff Morrow) und Sally (Mara Corday). Mitch bezirzt Sally in einer „schrägen“ Szene im Flugzeug, wo er sie küsst wie ein leicht verrückter Prince Charming sein Dornröschen. Allerdings gerät ihr Geplänkel für die 50er Jahre etwas zu indiskret und ein anderer Passagier (George Cisar) muss sie bitten, sich doch etwas ruhiger zu verhalten. Eine Sache, die in solchen Filmen weniger gewöhnlich ist, ist die Art und Weise, wie der Charakter von Sally Caldwell entwickelt wird. Normalerweise würde sie als ein Mauerblümchen oder ein hartes Weib porträtiert – oder beides, erst das, dann das – aber Sally ist kein „Frauen“ Charakter, sie ist einfach nur ein Charakter. Sie ist schlau (sie ist diejenige, die deduziert, dass der Vogel auf die Erde gekommen ist, um ein Nest zu bauen), kompetent (ihre mathematischen Fähigkeiten sind erforderlich, um eine neue Waffe entwerfen zu können) und tut ihr Bestes, um die Bedrohung zu beenden (sie fliegt sogar in den Kampf mit dem Vogel). Als ein Haufen Teenager getötet wird, kann sie nicht hinsehen – wobei selbst der harte Mitch sein Gesicht verzieht – eilt jedoch schnell herbei, um den Überlebenden zu helfen. Niemand hinterfragt jemals, das eine Frau an all diesen Ereignissen beteiligt ist, außer Mitch natürlich, und zwar nicht, weil er glaubt, dass es für eine Frau zu gefährlich ist, sondern weil er sie liebt und sie beschützen möchte. Außerdem muss sie niemals gerettet werden – tatsächlich rettet sie sich selbst und bleibt auch in schwierigen Situationen abgeklärt – weswegen es schockierend ist, dass ein Film von 1957 dabei progressiver vorgeht als die meisten Filme heutzutage. Selbst wenn die Filmemacher eine umgekehrte Ripley aus dem Hut gezaubert und ihr Geschlecht getauscht hätten, hätte es sehr wenige Unterschiede zu Sally gegeben … außer der jetzt-homoerotischen Romantik, die in den 1950er Jahren wohl nicht durchgegangen wäre.
Was bei Angriff der Riesenkralle überhaupt nicht durchgeht, ist der enorm dumm aussehende Riesenvogel. Die Spezialeffekte in diesem Film sind wirklich, wirklich, WIRKLICH schlecht. Der Vogel sieht aus wie eine Kreuzung aus Truthahngeier und gewöhnlichem Truthahn, doch mit Zähnen, Schnurrhaaren, einem Mohawk, aufblähenden Nasenlöchern und großen schielenden Glubschaugen. Ja, die Spezialeffekte sind schrecklich, der Vogel selbst ist lächerlich, die Drähte, welche die nicht zusammenpassenden Modellflugzeuge halten, sind deutlich sichtbar, und die Szene, in der der Vogel einen Modellzug aufnimmt, ist unglaublich schlecht. Ernsthaft, es sieht aus als würde jemand diese Modellbahn mit einfachen Klauen packen und sie wie eine Wurstkette davontragen. Übrigens ist das Tragen eines ganzen Zuges überhaupt nicht möglich, da die Kupplungen weder für eine dreidimensionale Bewegung ausgelegt sind, noch sind sie stark genug, um das Gewicht eines Zuges zu tragen, der nach unten baumelt. Apropos Gewicht, eine Kreatur der Größe dieses Vogels wäre nicht in der Lage zu fliegen, denn sie wäre viel zu schwer. Wenn es um die Wissenschaft hinter dem Ganzen geht, ist der Film äußerst unkundig, doch es waren die 50er Jahre und die Kenntnis der allgemeinen Öffentlichkeit über atomare Strukturen war mehr als nur begrenzt. Was ein wenig weniger verzeihlich ist, ist die absurde Idee, dass der Vogel von einem Antimateriefeld geschützt wird, das Kugeln, Raketen und andere Geschosse stoppt, aber Flugzeuge, die Fallschirm-Typen und sogar Gebäude durchlässt. Nun, es ist wirklich nichts Neues, dass es im Film irgendwelche irrsinnigen wissenschaftlichen Erklärungen für das Kraftfeld gibt – es sogar war nötig, um den Film länger zu machen – und unsere Helden eine Lösung finden, um ihrem neuen gefiederten Freund gebührend „Hallo“ sagen zu können. Das Finale jedoch, mit den Generälen Edward Considine (Morris Ankrum) und Van Buskirk (Robert Shayne) als Piloten sowie Mitch, Sally und Dr. Karol Noymann (Edgar Barrier) – die an der Strahlpistole mitgearbeitet hat – welche die Waffe während des Fluges fertig zusammensetzen, macht schon Spaß genug, um zufrieden zu sein.
Das Ding ist eben, dass dieser Film wirkt, als wäre er aus zwei verschiedenen Filmen zusammengeschnitten: Der Film, den Cast (und wahrscheinlich auch Crew) dachte zu machen und der Film, der wirklich gemacht wurde. Jeff Morrow betonte mehrmals in Interviews, dass die Spezialeffekte, die sie versprochen bekommen hatten, ausgezeichnet sein sollten, jedoch schrecklich waren. Eigentlich eine miese Sache, die da den Schauspielern angetan wurde: Sie denken, sie arbeiten an einem gut gemachten Film und so sehen sie darin letztendlich aus wie Narren. In diesem Fall besonders unglücklich, denn die Schauspielerei geht von gut bis sehr gut. Jeff Morrow leistet tolle Arbeit als vom Ehrgeiz getriebener Mann, der dieses schreckliche Problem unbedingt lösen möchte, dabei aber niemals seinen trockenen Humor verliert. Mara Corday bekam eine ziemlich gute Rolle für eine Frau (in den Fünfzigern) – vor allem einer sehr hübschen Frau, die wenig später für das Playboy-Magazin posierte – und lieferte hervorragend ab. Es ist eine Schande, dass sie aus familiären Gründen vom Film wegkam, denn sie war wirklich gut (viel später erschien sie in einem der Dirty Harry-Filme als Kellnerin, die zu viel Zucker in Harrys Kaffee schüttet, um ihn auf einem Raub aufmerksam zu machen). Die kleineren Charaktere, wie der französische Bauer Pierre Broussard (Louis D. Merrill) spielen konsequent und gut, obwohl sein Akzent ein wenig zu albern geraten ist. Sogar der Erzähler (Regisseur Fred F. Sears), der mir anfangs unangenehme Erinnerungen an The Atomic Monster: The Beast of Yucca Flats (1961) bescherte, fungierte wie ein Charakter, der alle Elemente zusammenführt, um den Streifen gelingen zu lassen, einen Streifen mit extrem niedrigem Budget, aus enorm billigen Effekten und viel Stock Footage zusammengeschnipselt. Allerdings verwundert diese Vorgehensweise nicht mehr, sobald man erfährt, dass Sam Katzman, der notorisch unter Budget drehte, als Produzent fungierte. Angriff der Riesenkralle brachte er als Double-Bill mit The Night the World Exploded heraus – ein weiterer Film von Fred F. Sears für Columbia Pictures.
Letztlich muss man sich fragen, ob dieser Film gut ist. Nun, ich definiere einen „guten Film“ als einen, der mich unterhält und Angriff der Riesenkralle bringt das zustande. Zuerst einmal sind die Sequenzen mit den Schauspielern gut gemacht und zweitens sind die Spezialeffektszenen lustig, weil sie so dämlich geraten sind, dass man nur darüber lachen kann. Schließlich hat der Film mit knapp 75 Minuten die richtige Länge, um dem Gehirn das Äquivalent von eingeweichten Brötchen zu geben.
- Darsteller: Jeff Morrow, Mara Corday, Edgar Barrier, Louis Merrill
- Regisseur(e): Fred F. Sears
- Format: Limited Edition, Widescreen
- Sprache: Deutsch (DTS 2.0 Mono), Englisch (DTS 2.0 Mono)
- Untertitel: Deutsch
- FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
- Studio: Anolis Entertainment
- Produktionsjahr: 1957
Anolis Entertainment bringt Angriff der Riesenkralle im Rahmen ihrer Die Rache der Galerie des Grauens Reihe als Nummer 07 in einer BluRay / DVD-Edition heraus und leistet damit zum wiederholten Male sehr gute Arbeit. Das Bild präsentiert sich im 1.79:1 / 16:9 Format und sieht absolut toll aus. Es zeigt sich weitgehend gut restauriert, enorm scharf und wunderbar detail- und kontrastreich. Beim Ton kann man zwischen den Sprachen Deutsch und Englisch (beide DTS MA 2.0 Mono) wählen, wobei deutsche Untertitel zuschaltbar sind. Außerdem gibt es neben dem US-Kinotrailer, der US- und spanischen Titelsequenz einem Werberatschlag, einer Super-8-Fassung und einer Bildergalerie noch das 16-seitige Booklet, geschrieben von Ingo Strecker, zu bestaunen. Die Audiokommentare mit Dr. Rolf Giesen, Uwe Sommerlad und Ivo Scheloske sowie mit Ingo Strecker und Thomas Kerpen müssen mal wieder als Höhepunkte der Veröffentlichung gewertet werden, versorgen sie den geneigten Zuschauer doch mit einer Fülle an interessanten Informationen über den Film. Darüber hinaus gibt Dr. Rolf Giesen eine Einleitung zu den Spezialeffekten. Fans der Galerie des Grauens Reihen werden zweifellos Spaß an Angriff der Riesenkralle haben.
Diese Edition sowie das Bildmaterial wurde uns freundlicherweise von Anolis zur Verfügung gestellt.
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