Arizona Colt / Halleluja Companeros / Il pistolero di Arizona / The Man from Nowhere

Ein sadistischer Bandit, Gordo (Fernando Sancho), erweitert seine Bande, indem er Gefängnisausbrüche organisiert und die Flüchtlinge dazu bringt, sich ihm anzuschließen. Einer dieser Ausreißer ist Arizona Colt (Giuliano Gemma), aber Arizona ist auch ein schnell schießender Kopfgeldjäger, der Gordo überlisten und seinen eigenen Weg gehen kann. Einige Zeit später führt eine Mission zur Untersuchung der Blackstone Hill Bank dazu, dass einer von Gordos Männern, Kay (Nello Pazzafini), ein promiskuitives Mädchen aus der Gegend, Dolores (Rosalba Neri), zum Schweigen bringt. Arizona erklärt sich daraufhin bereit, Kay aufzuspüren, aber er verursacht viel Unwohlsein, als er darauf besteht, dass das Schlafen mit Dolores keuscher Schwester Jane (Corinne Marchand) Teil seiner Belohnung sein sollte. Arizona scheint einen Vorteil zu haben, als ein sympathisches Gangmitglied, Old Man Whiskey (Roberto Camardiel), sich für ihn entscheidet, aber die anschließenden Aktionen des Duos dienen nur dazu, Gordo zu verärgern und ganz Blackstone Hill in Gefahr zu bringen. (Explosive Media)

Arizona Colt sollte Giuliano Gemma ein etwas anderes Image verleihen. Arizona kommt zwar zunächst so sauber rüber wie Ringo, kann sich jedoch gleichzeitig auch so schmutzig verhalten wie der Mann ohne Namen. Einer der gelungensten Insiderwitze des Films ist, dass Gemma im Saloon von Blackstone Hill ein Glas Milch bestellt, so wie Ringo es tun würde, allerdings schnell zu Bier wechselt, da man dort keine Milch serviert. Während man in Ringo einen sympathischen Strolch erkennen kann, ist Arizona Colt als ein fieser Bastard zu bezeichnen. Sein Motto ist „Darüber muss ich nachdenken“, wobei er über beinahe alles nachdenken muss und dabei skurrile Antworten auf Lager hat. Als er zum Beispiel vom Saloon-Besitzer (Andrea Bosic) gebeten wird, den Mörder seiner Tochter Dolores (Rosalba Neri) zur Strecke zu bringen, soll das Ganze 500 Dollar plus eine Nacht mit Jane (Corinne Marchant), der anderen Tochter, kosten. In einer weiteren, besonders unangenehmen Szene wirkt er völlig ungerührt, als die Bank ausgeraubt und zahlreiche Menschen massakriert werden. Doch sein Charakter erfährt im letzten Drittel des Films einen leichten Wandel, als er Janes Bitte nachkommt, den Bewohnern von Blackstone Hill zu helfen, die von Fernando Sanchos Bande terrorisiert werden. In den letzten Momenten des Flicks, bevor er davonreitet, scheint er ihr gegenüber – in einer fast schon rührenden Szene – sogar echte Zuneigung an den Tag zu legen, ganz im Gegensatz zum Rest des Streifens.

Da die meisten Todesopfer unbewaffnet und wehrlos über die Wupper geschickt werden, ist Arizona Colt als ein sehr gewalttätiger Film zu beschreiben. Es gibt mehrere grausame Szenen zu „bestaunen“, zum Beispiel die, in der Gemma beide Hände und Beine zerschossen bekommt. Andererseits tendieren einige Szenen in Richtung Komödie oder gar Parodie. Arizonas Besessenheit mit Kleidung und Hygiene ist eindeutig als ein burlesker Hinweis auf die Gleichgültigkeit des Manns ohne Namen in diesen Abteilungen anzusehen, während sein Kumpel Whisky (Roberto Camardiel) einen doppelten Whisky bestellt, worunter er zwei Flaschen versteht. Außerdem kann Whiskey buchstäblich Geld riechen, wie der berühmt-berüchtigte Mr. Mooney (Gale Gordon) in der TV-Serie Hoppla Lucy! (1962 – 1968). Die Namen der Hauptfiguren muten alle leicht albern an: Gemma kommt aus Arizona und benutzt einen Colt, Sancho heißt eigentlich Torrez „Gordo“ Watch (gordo = fett oder dick) und hat eine Uhr, die ihm sehr am Herzen liegt, während Whiskey, naja, eben keine Milch trinkt. Weiterhin gibt es eine Sequenz mit singenden Cowboys zu ertragen, die besonders albern ist, sich aber (fast ohne Vorwarnung) in eine brutale Hinrichtungsszene verwandelt.

Mit Arizona Colt kann man auf jeden Fall sein Vergnügen haben, doch die Kombination aus Gewalt und Komödie wirkt schon ein wenig verwirrend auf das Publikum ein. Es handelt sich dabei um Michele Lupos ersten richtigen Italo-Western, denn zuvor hatte er mit Franco Franchi und Ciccio Ingrassia lediglich eine Western-Parodie gedreht, nämlich Per un pugno nell’occhio (For a Fist in the Eye, 1965). Die Laufzeit erweist sich mit beinahe zwei Stunden als ziemlich lang, aber der Film wird so gut wie nie langweilig. Die Schauplätze in Almeria wurden gut genutzt und die Actionszenen mit mehreren interessanten Kamerawinkeln sowie guter Nachbearbeitung recht ordentlich umgesetzt. Arizona Colt funktioniert am besten, solange Lupo nicht versucht den Leone-Stil zu kopieren: Der charakteristische Faustkampf zwischen Giuliano Gemma und Nello Pazzafini (als Giovanni Pazzafini aufgeführt) ist herausragender Natur, doch das Finale, das dem abschließenden Schusswechsel zwischen dem Mann ohne Namen und Ramon Rojo aus Per un pugno di dollari (Für eine Handvoll Dollar, 1964) sehr ähnlich ist, kann den Erwartungen der Zuschauerschaft nicht gerecht werden. Es gibt eine Explosion, die Arizonas Ankunft in der Stadt ankündigt, Sanchos Männer stehen in Reihe da, während Gemma ihnen entgegentritt und dann kommt der plötzliche Ausbruch von Gewalt … allerdings mit vollkommener Abwesenheit von Sergio Leones Stil im rituellen Aufbau des unvermeidlichen Höhepunkts.

Fernando Sancho (der mit seiner „Uniform“ wie ein übergroßer Trommlerjunge aussieht!) gibt seine übliche Verkörperung eines sadistischen mexikanischen Banditen zum Besten, während Roberto Camardiel seine Rolle so enthusiastisch spielt, sodass man schon versucht ist zu glauben, dass ein durch Alkohol induzierter „Kater“ gleichbedeutend mit Heiterkeit ist (von der Nummer mit den zwei Flaschen ist dennoch abzuraten). Die französische Schauspielerin Corinne Marchant (eine von François Truffaut und Agnes Varda bevorzugte Schauspielerin) scheint in der Umgebung eines Western jedoch fehl am Platz zu sein. Außerdem hat sie eine Frisur verpasst bekommen, die ihr nicht gerade schmeichelt. Francesco De Masis launischer Score geht in Ordnung, ohne besonders herausragend zu sein, wobei das von Raoul gesungene Titellied „Arizona Colt“ ganz wunderbar kitschig erklingt. Die einzige Chance diesen Song wieder aus dem Kopf zu bekommen, ist sich ein anderes von Raoul gesungenes Lied anzuhören.

Explosive Media präsentiert Arizona Colt in zwei Cover-Varianten (jeweils auf 1000 Stück limitiert) erstmals als restaurierte High Definition Neuabtastung (Blu-ray + DVD), die wirklich gut gelungen ist. Das Bild (16:9 – 2.35:1, 16:9 – 1.77:1) gibt insgesamt keinen großen Anlass zum Meckern. Verunreinigungen konnten zwar zum Teil nicht komplett entfernt werden, doch mit Sicherheit wurde hier das Beste aus dem erhaltenen Material herausgeholt. Beim Ton liegen mit der deutschen, englischen und italienischen drei Spuren vor. Alle drei werden in DTS-HD Master Audio 2.0 präsentiert und klingen zufriedenstellend gut. Für Freunde des italienischen Originaltons sind italienische, deutsche und englische Untertitel anwählbar. Dem Label ist somit wieder einmal eine klasse Veröffentlichung eines recht netten Italo-Western gelungen, der seine Geschichte auf teilweise ziemlich brutale Art und Weise erzählt. Hier dürfte kein Genre-Liebhaber bzw. Sammler drum herumkommen.

Extras und Besonderheiten:

  • Mediabook mit zwei Cover-Varianten (jeweils auf 1000 Stück limitiert)
  • 28 seitiges Booklet mit vielen Bildern und Texten von Leonhard Elias Lemke
  • Zwei Audiokommentare mit Leonhard Elias Lemke / Lee Broughton
  • Featurette mit Drehbuchautor Ernesto Gastaldi
  • Deutsche Kinoversion
  • Diverse Original Kinotrailer
  • Bildergalerie

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  • Seitenverhältnis: ‎16:9 – 2.35:1, 16:9 – 1.77:1
  • Alterseinstufung: ‎Freigegeben ab 18 Jahren
  • Regisseur: ‎Lupo, Michele
  • Laufzeit: ‎1 Stunde und 56 Minuten
  • Darsteller: ‎Gemma, Giuliano, Marchand, Corinne, Sancho, Fernando, Camardiel, Roberto, Pazzafini, Nello
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Italienisch
  • Untertitel: ‎Deutsch, Englisch, Italienisch
  • Studio: ‎Explosive Media

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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