Bis ans Ende der Welt (Director’s Cut) – Berlinale Special

Zum Auftakt der diesjährigen Berlinale kam ich in den Genuss, ein restauriertes Werk von Wim Wenders zu sehen, und zwar als einer der ersten weltweit. Bis and Ende der Welt erschien 1991 stark gekürzt (auf etwa 2,5 Stunden) und floppte. Nur der Soundtrack verkaufte sich eine Million mal, dazu noch mehr. Die noch junge Wim Wenders Stiftung hat nun viele seiner Werke digital restaurieren lassen, und diese laufen aktuell zur Berlinale in der Hommage. Der gezeigte Director’s Cut des Films läuft lässige 5 Stunden. Nicht gerade ein Spaziergang. Am Ende erschien der Regisseur noch persönlich und erzählte einiges zum Film, von dem bisher nicht viele gehört haben, also tauchen wir mal in diese Welt ein…

Bis ans Ende der Welt

Der Film handelt von Claire (Solveig Dommartin), die in der nahen Zukunft 1999 während eines drohenden Satelliteneinschlags der die ganze Menschheit auslöschen könnte, einen eher nihilistischen Lifestyle lebt und von Party zu Party driftet, quer durch ganz Europa. Doch es sehnt sie zurück nach Paris, nach etwas Halt, einer Wohnung und Ruhe, also macht sie sich auf den Weg in der Limo ihres mehr oder weniger Geliebten Eugene Fitzpatrick (Sam Neill), ein Buchautor. Mitten in der französischen Provinz kollidiert Sie mit zwei Bankräubern, die gerade die Bank in Nice hochgenommen haben, was eine Reihe von Ereignissen auslöst, welche die ganze Welt umspannen. Die Bankräuber schicken Claire, gegen 30 Prozent Anteil, mit dem Geld nach Paris. Auf dem Weg dorthin nimmt sie einen Flüchtigen mit, der sich als Trevor McPhee (William Hurt) vorstellt, ihr aber etwas von dem Geld klaut. Einerseits angetan von dem Fremden, andererseits auf der Suche nach dem geklauten Geld, macht sie sich auf die Suche, ebenso wie ein Kopfgeldjäger einer australischen Opalminen Firma, von der McPhee angeblich gestohlen hat. Mit auf die Fersen spannt sich ebenso der von ihr angeheuerte Detektiv Winter (Rüdiger Vogler), mit dessen digitalem Equipment sie nun Trevor über alle Kontinente hetzen, nur er entwischt ihnen jedesmal wieder.

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Währenddessen gehen Claire die Geldvorräte aus, und Chico, einer der Ganoven, ist bei Eugene zuhause und entschließt sich, Claire aus den Patschen zu helfen. Die Verfolgungsjagd führt die komisch wachsende Konstellation nach Berlin, Moskau, Peking, Tokio, San Francisco und schlussendlich nach Australien. In Erwartung der nuklearen Kathastrophe, ausgelöst durch einen möglichen atmospherischen Abschuss des Satellits durch die Amerikaner, sucht die Gruppe Unterschlupf, zusammengeschweißt von der Erkenntnis, dass alles nicht so ist wie es am Anfang schien: Trevor heißt eigentlich Sam und ist der Sohn eines Industriespions, dessen Frau blind ist. Dieser hatte eine Brille entwickelt, die Gesehenes aufzeichnet. So reiste Sam um die Welt um Eindrücke von seinen Geschwistern einzufangen, damit seine blinde Mutter diese per Gehirnwellen-Übertragung ein letztes mal sehen kann. Ein wahnwitziges technologisches Experiment in Mitten des australischen Outbacks. Endzeitstimmung liegt in der Luft, Liebe und Verzweiflung, Musik und Kunst, Natur und Science-Fiction.

Bis ans Ende der Welt

Für 20 Millionen hatte Wim Wenders diesen Film damals gedreht, in neun Ländern, mehr als fünf Sprachen und einer internationalen Crew. Bis ans Ende der Welt ist eine Weltreise auf Film, ein fast schon episches Katz-und-Maus Spiel dass gegen Ende ein höchst nachdenkliches Science-Fiction Drama wird. Dabei sieht der Film viele technische Entwickungen die wir heute aus dem täglichen Leben kennen, voraus. Gleichzeitig bedeutet dies, dass es mehr oder minder 2 oder 3 Filme in einem sind. Die anfängliche Verfolgungsjagd nach Claires Autounfall, dann der Wettlauf richtung der australischen Unterkunft, und als letztes der eher psychisch und experimentiell angelegte letzte Teil mit den Gehirnexperimenten. Ein Film von fünf Stunden, der gerne auch nur vier hätte lang sein können. Wenders lässt sich Zeit, taucht völlig ein in die Welt und schafft so ein Gefühl von Vertrautheit um die Charaktere.

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Dommartin erinnert ein bischen an eine heutige Carice van Houten, und spielt eine Art rastlose Femme Fatale, die Sam hinterher läuft, aber von Eugene nicht aus den Augen gelassen wird. William Hurt glänzt als erst fast blinder „Trevor“, dann von Familendrama geschüttelter Sam. Sam Neill spielt eigentlich den Erzähler, denn während des Films schreibt er an einem Roman, der eine etwas bereinigte Version der Ereignisse quasi schriftlich dokumentiert. Somit kann vieles was wir auf der Leinwand sehen, auch eine Interpretation dessen sein, was sich eigentlich zugetragen hat.

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Wie eingangs erwähnt war lediglich der Soundtrack ein Erfolg. Kein Wunder. Wenders schrieb laut eigenen Aussagen 20 seiner Lieblingsmusiker an und bat sie um Kompositionen, wie sie sich ihre Musik im Jahr 2000 vorstellen würden. 18 antworteten und lieferten teilweise meisterhafte Musik ab, die den Soundtrack dieses Films zu einer Besonderheit machen, darunter REM, U2 und viele mehr (siehe hier bei Amazon.de). Das macht den Film nicht nur zu einem optischen Erlebnis, sondern auch  zu einem musikalischen Highlight.

Bis ans Ende der Welt

Diese Fassung von Bis ans Ende der Welt ist nun nicht gänzlich neu, so gibt es durchaus schon eine 3-DVD Edition des Films (hier bei Amazon.de). Ich würde aber raten, die Finger davon zu lassen, bis diese sorgfältige Restauration seinen Weg auf BluRay findet. Die Wenders Stiftung hat viel Zeit und Geld in diese Neuabtastungen gesteckt, und der Film sieht so wirklich erstklassig aus, davon sieht man auf den DVDs von 2005 logischerweise sehr wenig.

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Insgesamt war ich schon recht beeindruckt von dem Werk. Es ist bildgewaltig, detailliert, mit viel Liebe gemacht, bietet erstklassige Locations und aufregende Musik. Ich wiederhole mich, aber ich denke eine Stunde weniger hätten dem Film dann doch nicht geschadet, vor allem bei dem etwas weniger mitreissendem und nicht mehr so ausgewogenem letzten Part. Darüber hinaus kann ich es Wenders nicht verzeihen, in Vollbild zu drehen. Das ist einfach fürs alte Fernsehen, und kommt mir so typisch dämlich deutsch vor. Das tut dem Film nicht gut, und nimmt ihm vieles an Größe. Ich kann den Film aber sehr empfehlen, nicht nur Wenders Fans. Viel Sitzfleisch und Toleranz mitbringen, und man kann ein tolles Abenteuer erleben.

Ich melde mich mit weiteren Berlinale Erlebnissen.

Bildmaterial teilweise von der Wim Wenders Stiftung, vielen Dank für die  Nutzungserlaubnis.

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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