Camorra – Ein Bulle räumt auf / Napoli violenta / Violent Naples

Überfälle, Schutzgelderpressung, Raub und Drogenhandel. Niemand ist sicher auf den Straßen Neapels. Kommissar Betti will „seine“ Stadt von allen Verbrechern säubern und schreckt vor keiner noch so grausamen Methode zurück, um die Handlanger der Camorra zur Strecke zu bringen. „Solange ich lebe, entkommt mir keiner“ – Bettis Aussage ist Programm. (Koch Media)

Kurzinhalt inkl. Spoiler !!!

Nach Neapel versetzt, wo der örtliche Boss der Unterwelt „O Generale“ regiert, wendet Kommissar Betti (Maurizio Merli) seine üblichen unorthodoxen Methoden zur Verbrechensbekämpfung an, unterstützt von einem aus Spezialagenten bestehenden Team. Trotz Dr. Gervasis (Silvano Tranquilli) feigen Schweigens bringt Betti Licht in den Fall der Vergewaltigung von dessen Frau. Dann dringt der Kommissar in Don Antonio Polipos (Nino Vingelli) Wohnung ein und verhaftet einen Dieb (Paolo Bonetti). Betti stellt der Camorra eine Falle, indem er eine von den Verbrechern niedergebrannte Autowerkstatt wiedereröffnet und einen seiner Agenten als Manager einsetzt. Von einem enorm bösartigen Gangster namens Casagrande (Elio Zamuto) ständig gehänselt, verhindert Betti dessen nächsten Banküberfall und bringt ihn nach einer spektakulären Verfolgungsjagd durch die Stadt zur Strecke. Der Kommissar versäumt es jedoch, „O Generale“ (Barry Sullivan) zu inkriminieren. Letztendlich wendet er eine weitere seiner üblicherweise unberechenbaren Taktiken an, indem er dem Boss hinterherspioniert, während der gerade dabei ist einen korrupten Unternehmer namens Capuano (John Saxon) hinzurichten, Betti erschießt den Gangsterboss und schiebt den Mord Capuano in die Schuhe.

Achtung Spoiler !!!

Der zweite Teil der Trilogie um Kommissar Betti, Camorra – Ein Bulle räumt auf, sticht als einer der beliebtesten sowie erfolgreichsten italienischen Kriminalfilme des Jahrzehnts heraus. Mit einem Einspielergebnis von über zwei Milliarden Lire, stellte es 1976 das höchste des Genres dar. Ein beachtlicher Teil der Profite (über 169 Millionen Lire, etwa doppelt so viel wie in Rom) wurde dabei allein in Neapel eingespielt. Wie es später bei den Mario Merola Filmen der Fall sein würde, wurde die Betonung der regionalen – sogar städtischen – Abgrenzung des Produkts zu einem Lockmittel für das Publikum und zu einer Möglichkeit, den Rückgang der Zuschauerzahlen, der das italienische Kino plagte, zu stoppen. Trotz der harten – und oftmals beschränkten – Kritiken stellt Camorra – Ein Bulle räumt auf eines der versierteren Exemplare der poliziotteschi dar. Die episodische Struktur wurde von Roma violenta (Verdammte, heilige Stadt, 1975) übernommen, doch Vincenzo Manninos Drehbuch strafft die Action passend um eine fokussiertere Handlung herum, während Lenzis Regie als erstklassig zu bezeichnen ist und nur gelegentlich in Verlegenheit gerät – wie bei der beschleunigten ersten Motorradfahrt gegen Mitte des Films. Lenzis Gespür für übertriebene Gewalt zeigt sich u.a. in den Szenen, in der Elio Zamutos Figur die Passagiere einer Standseilbahn quält (mit grausamen Effekten) oder mit einer Maschinenpistole verschiedene Polizisten (in Zivil sowie in Uniform) eiskalt abknallt, während Barry Sullivan in einer anderen Szene den Schädel eines von Bettis Spezialagenten mit einer Bowlingkugel zertrümmert.

Die hier dargestellte Unterwelt lässt sich genauso in verschiedene Schichten einteilen, wie das Antagonisten-Trio, dem sich Betti stellen muss. Da gibt‘s den Guappo der alten Schule „O Generale“, der sich stark von Mario Merolas pietistischen Charakterisierungen abgrenzt, während er die traditionelle Unterwelt repräsentiert, die sich mit Erpressungen beschäftigt und „Warnungen“ an neugierige Polizisten ausspricht; den zwielichtigen Unternehmer Capuano, der auf dem schmalen Grat zwischen Legalität und Illegalität wandelt und den gut gekleideten Franco Casagrande, der sich wie amerikanische Gangster verhält und ebenso grausam wie rücksichtslos zu Werke geht. Er ist auch Teil des Herzstücks des Films, der spektakulären Verfolgungsjagd in bzw. auf der Montesanto-Standseilbahn, die Lenzi so dreht, als würde es sich um einen Western handeln, mit Maurizio Merli, der wie ein Cowboy auf das Dach der sich in Bewegung befindlichen Kabine springt, in der Casagrande Zuflucht sucht und gleichzeitig die Passagiere auf empörenste Art und Weise terrorisiert.

„Polizist zu sein ist für mich Lebensinhalt“, verkündet Merli in einem der wichtigsten Sätze des Films. Im Vergleich zu Verdammte, heilige Stadt verkörpert Betti hier einen salomonischen Charakter, der Gerechtigkeit nach seinen eigenen Regeln ausübt. Wie das „Straßenkind“ Gennarino (Massimo Deda) sagt, „ist es die Aufgabe eines Kommissars, die Leute zu verteidigen“, egal wie. Gennarino – der kleine Junge, der hier zum Waisenkind wird und auch zu seinem Hinkebein kommt – wurde zu einer wiederkehrenden Figur in Neapel spielenden poliziotteschi, wie Mario Caianos Napoli spara! (Die Killermeute, 1977) und Nino Grassias La pagella (1980). Neben Verfolgungsjagden, Schießereien sowie Faustkämpfen kann Betti auch auf schlau schalten und seinen Feinden machiavellistische Fallen stellen. Für Betti heiligt der Zweck immer die Mittel, wie die Schlusssequenz an den Docks zeigt, wo der Kommissar zum Killer wird, „O Generale“ erschießt und den Mord Capuano anheftet. Das ist das Gesetz der poliziotteschi.

An die DVD von Koch Media ist leider nur noch recht schwierig heranzukommen !!!

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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