Dark Glasses / Occhiali Neri – Berlinale Special

Occhiali Neri

Langjährige Nischenkino Lesende wissen ja, dass ich immer versuche zumindest einen Hauch der Berlinale mitzunehmen. Dieses Jahr haut mich das Programm nicht um, aber mit etwas Glück konnte ich dann doch noch ein Ticket für Dark Glasses sichern, Dario Argentos neuestes Werk, auf das seine Fans schon mit Neugierde warten. Occhiali Neri, wie der Film im Original heißt, läuft in Italien bereits Ende diesen Monats an, in Deutschland hat sich Alamode die Rechte gesichert, ein Termin steht noch nicht. Das wird jetzt hier keine vollumfängliche Filmkritik, sondern ich möchte den Film nur ganz kurz vorstellen so lange der Eindruck nach der gestrigen Vorstellung frisch ist, und dann die brennenste aller Fragen beantworten, die sich Giallo Fans stellen: kann der Film, überhaupt, annähernd, oder vielleicht zumindest ein klein wenig, die möglicherweise sehnsüchtigen Erwartungen erfüllen? Anders formuliert: Ist Occhiali Neri ein solider neuartiger Giallo mit dem Fans seiner alten Meisterwerke etwas anfangen können werden?

Der Film handelt von Diana (Ilenia Pastorelli), einer Prostituierten, die um ein Haar das vierte Opfer eines brutalen Killers wird. Sie überlebt bei der Flucht vor dem Psychopathen einen Autounfall, bei dem sie ihr Augenlicht verliert, und der junge Chin seine Eltern. Fortan versucht sie, als Blinde zurecht zu kommen. Dabei hilft ihr die Trainerin Rita (Asia Argento) und das frisch gebackene Waisenkind Chin (Andrea Zhang), sowie ihr neuer Blindenhund, der Schäfer Nerea. Der Killer ist nach wie vor hinter ihr her, doch die Polizei wird ihr nicht viel helfen können, da die erst mal nach einem verschwundenen Waisenkind fahndet. Der blinden Diana und Chin bleibt nichts anderes übrig, als vor dem Killer aus der Stadt zu fliehen…..

Occhiali Neri

Vor dem Film prangt übrigens das Universal Logo und von Wild Bunch, die den Film international verkaufen, also zumindest in Italien dürfte sich der Film halbwegs blind verkauft haben, man kann nur hoffen dass Alamode ihn in die Kinos bringt. Eine Grußbotschaft von Dario trieb zudem die Erwartungen hoch. Als die erste Prostituierte brutalst einem Killer in schwarzen Handschuhen zum Opfer fällt, kurz nachdem ein hämmernder Soundtrack den Kinosaal erfüllt, der zwar nicht von Goblin ist, aber mit der es Arnaud Rebotini zumindest ehrlich versucht, hat man kurz das Gefühl, wieder zuhause zu sein im Giallo-Land. Man möchte sich einen J&B einschenken, eine Schallplatte mit 70s Pop auflegen und sich aufs Plüschsofa setzen.

Um nicht um den heißen Brei herumzureden, die Antwort auf die eingangs gestellte Frage ist kein enthusiastisches „Ja“. Der Film ist ein passabler Thriller, bei dem ab und an ein Hauch vergangenen Genies durchscheint und der durchaus Elemente des klassischen Giallo mitbringt. Aber er ist leider auch nicht so viel mehr als das, passabel, und stilitisch fällt er mit einigen Ausnahmen auch weit hinter dem zurück, was Argento vor nicht zu wenigen Jahrzehnten auf die Leinwand zaubern konnte. Er ist simpler, spartanischer. Teilweise ist der Film sogar handwerklich eher schlecht, vom blechernen Ton bis hin zu einem eher enttäuschenden Ende und einer lächerlichen Episode mit unerwartet (unplausibel) fiesen Tieren.

Dario Argento (Suspiria, Opera, Phenomena), der mit seiner Tochter und Co-Star Asia Argento (Scarlet Diva) auch zur Premiere vor Ort war, kann mit Occhiali Neri sicherlich nicht für ein großes Comeback gefeiert werden. Es ist ein ehrlicher, kreativer und auch gar nicht schlechter Slasher, doch wir reden hier von Argento, nicht von irgend einem Tatort-Regisseur. Insofern muss ich als Kritiker schon so ehrlich und hart sein und sagen: ganz passabel, aber „gut“, nicht „sehr gut“ – mit einigen guten und einigen schlechten Elementen. Es hilft ja auch niemandem, die Erwartungen zu schüren.

Zusammenfassend: Wie Bluntwolf Anfang der Woche schon in seiner Besprechung von Argentos trashingem Giallo von 2009 erwähnte „Man kann nur hoffen, dass es sich dabei [Dark Glasses] um ein Projekt handelt in das er voll und ganz eintauchen konnte, denn in Bestform hat dieser äußerst begabte Regisseur ein nur schwer zu übertreffendes Gespür für das „Genre“ und es wäre wirklich sehr schade, wenn sein (vermutlich) letztes Werk auf diesem Gebiet etwas so vollkommen Anonymes repräsentieren würde, wie Giallo es tut.“ Nun, Occhiali Neri trägt sicher seine Handschrift (und auch die von Co-Autor Franco Ferrini, seinem alten Weggefährten, u.a. Demoni) und vermittelt den Eindruck dass sein Herz in dem Film war, aber von einer Bestform kann man finde ich nicht sprechen. Der Film wird seine Fans finden, man kann ihn sich auch wirklich getrost ansehen, bestenfalls auf der Leinwand, aber meine lieben Giallo Freunde, erwartet euch nicht zu viel.

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Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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