Das Geheimnis des Dr. Z / Miss Muerte / The Diabolical Dr. Z

Der so geniale wie exzentrische Wissenschaftler Professor Zimmer entwickelt eine Technik, mit der man Menschen kontrollieren kann. Als er seine Entdeckung auf einem neurologischen Kongress vorstellt, erhält er Berufsverbot. Am Boden zerstört, erleidet Professor Zimmer einen Herzinfarkt. Seine Tochter Irma schwört, seine Arbeit fortzusetzen. Gleichzeitig sinnt sie auf Vergeltung für den Tod ihres Vaters. In der exotischen Tänzerin Nadia findet Irma das perfekte Instrument, ihren perfiden und sadistischen Racheplan in die Tat umzusetzen. (Wicked Vision Distribution GmbH)

Der filmische Provokateur Jesús Franco und der regelmäßige Luis Buñuel Mitarbeiter, Jean-Claude Carrière, arbeiteten zum zweiten und letzten Mal an Das Geheimnis des Dr. Z zusammen. Der Film wurde vom erfahrenen Kameramann Alejandro Ulloa in stimmungsvollem, kontrastreichem Monochrom gedreht und repräsentiert eine wahnsinnige Melange aus Pulp-Science-Fiction- und Noir-Motiven: verrückte Wissenschaftler, Maschinen mit denen man Gedanken kontrollieren kann und ungerecht behandelte Frauen, die auf Rache aus sind. Der Streifen nimmt eine zentrale janusköpfige Position in Francos Filmografie ein und verweist einerseits auf die gotischen chirurgischen Schrecken aus Gritos en la noche (Der schreckliche Dr. Orloff, 1962), dessen Titelfigur hier ausdrücklich als wissenschaftlicher Mentor von Dr. Z erwähnt wird. Der Film ebnete auch den Weg für eine Handvoll Titel, die von Cornell Woolrichs Roman The Bride Wore Black (Die Braut trug Schwarz) aus dem Jahr 1940 inspiriert wurden, wie zum Beispiel She Killed in Ecstasy (Sie tötete in Ekstase, 1971), mit Soledad Miranda als Vernichtungsengel und Howard Vernon als eines der Opfer.

Der Film beginnt mit einem atmosphärisch und fast wortlos aufgenommenen Gefängnisausbruch, wo die schwarz gekleidete Figur des berüchtigten Würgers Hans Bergen (Guy Mairesse) einen Wachmann mit seinem eigenen Knüppel erwürgt und einen weiteren mit der Maschinenpistole seines ersten Opfers erschießt, bevor er in eine dieser archetypischen dunklen und stürmischen Nächte hinausflüchtet, die direkt aus den Seiten eines Edward Bulwer-Lytton Romans entsprungen sein könnten. Tage später taucht ein vollkommen erschöpfter Bergen praktischerweise vor Dr. Zimmers (Antonio Jiménez Escribano) Türschwelle auf, der gerade mit seiner Tochter / Labor-Assistentin Irma (Mabel Karr) über den Aufenthaltsort des Flüchtigen diskutiert. Der ältere, gebrechliche Dr. Zimmer – mit Rollstuhl und einer dunklen Brille – suggeriert eine drollige Karikatur von Peter Sellers’ Dr. Strangelove aus Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben, 1964), während der Dialog zwischen Zimmer und Irma frech auf Robert Bressons Un condamné à mort s’est échappé ou Le vent souffle où il veut (Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen, 1956) anspielt, ein kleiner Insider-Witz für Cinephile, der allerdings nur in der französischsprachigen Version des Films offensichtlich wird.

Dr. Zimmer ergreift die Chance und benutzt Bergen als ideales Versuchskaninchen für seine Experimente bezüglich der „moralischen Zentren“ des menschlichen Nervensystems: ein verstörend invasives Verfahren, bei dem lange Metalldorne in die Schläfen sowie die Wirbelsäule des Probanden eingeführt werden, wodurch der Film seinen hauptsächlichen Körper-Horror impliziert. Das grenzwertige Sci-Fi Drumherum der Sequenz lässt stark an die zahlreichen Fortsetzungen (allerdings nur dem Titel nach) erinnern, die von Fritz Langs Die 1000 Augen des Dr. Mabuse veröffentlicht wurden (Franco selbst würde später mit Dr. M schlägt zu zur Dr. Mabuse Reihe beitragen). Später im Film, wenn Irma und ihre „robotisierten“ Untergebenen Dr. Zimmers Operation an aufeinanderfolgenden Opfern wiederholen – typischerweise natürlich an weiblichen – lässt Franco fröhlich sadomasochistische Unterströmungen einfließen, inklusive zerrissenen Kleidungsstücken und gefesselten Gliedmaßen.

Der erste Teil von Das Geheimnis des Dr. Z besteht aus einer Menge von Geschehnissen, wobei das Bindegewebe zwischen ihnen nicht einmal annähernd ursächlich aufgebaut ist. Franco und Carrière bevorzugen eine surreale Traumlogik, die die vermeintlich willkürlichen Motivationen der Charaktere ebenso wie den unerbittlichen Ansturm der Ereignisse durchdringt, so als würden sie in den ersten 45 Minuten des Films gleich eine gesamte Reihe von Cliffhangern komprimieren wollen: Dr. Zimmers Demütigung und plötzlicher Tod, Irmas Stelldichein mit dem sympathischen Arzt Philip Brighthouse (Fernando Montes) sowie Irmas vorgetäuschter Tod und Racheplan an den drei Männern, die sie für den Tod ihres Vaters verantwortlich macht. Darüber hinaus findet Irma irgendwie noch Zeit, die exotische Tänzerin Nadia (Estella Blain), die unter dem Pseudonym Miss Death auftritt, in einen weiteren ihrer unterwürfigen „Roboter“ zu verwandeln.

Die zweite Hälfte des Films taucht tief in Cornell Woolrich Territorium ein, wobei Irma Miss Death und deren vergiftete krallenartige Fingernägel einsetzt, um die Namen Vicas, Moroni und Kallman von ihrer Totenliste (in einer Reihe von immer aufwendigeren set-pieces) streichen zu können. Dr. Vicas‘ (Howard Vernon) Verführung durch Nadia an Bord eines Zuges bietet ein beeindruckendes Beispiel für Ulloas schattenhafte Beleuchtungskonzepte: als die Lichter im Speisewagen auf ominöse Art und Weise erlöschen, fällt ein einsamer Lichtstrahl auf Nadias Augen – eine kunstvoll stilisierte Aufnahme direkt aus dem klassischen Film Noir. Ihre Verfolgung von Dr. Moroni (Marcelo Arroita) findet vor der unheimlichen Kulisse eines nebelverhangenen Dorfes statt, in dem tadelnde Prostituierte plötzlich aus dem Nebel auftauchen, ebenso wie ein scheinbar harmloses Taxi, nur um sich als ungewöhnliche Todesfalle zu erweisen.

Das Finale von Das Geheimnis des Dr. Z besteht aus einer komplizierten Reihe von Wendungen und Doppelkreuzen, die in der gotisch anmutenden Klinik von Irmas letztem Opfer Dr. Kallman (Cris Huerta) ihren Höhepunkt finden. Franco inszeniert einen beeindruckend dynamischen Faustkampf zwischen Brighthouse und Bergen, inklusive fliegenden Fäusten sowie ramponierten Gesichtern und gönnt sich mit einigen Flachwinkelansichten eine Wendeltreppe hinauf ein wenig visuellen Glanz. Eine unauslöschliche Aufnahme, die an so unterschiedliche Filme wie Mario Bavas Operazione paura (Die toten Augen des Dr. Dracula, 1966) und Brian De Palmas Passion (2012) erinnert. Franco und Komponist Daniel White tauchen auf, um als zwei Polizeiinspektoren den Tag zu retten, die bis dahin hauptsächlich als comic relief fungierten. Franco beendet den Film mit einer wunderbar zweideutigen Einstellung, die ein liebevolles Wiedersehen mit der Möglichkeit für einen unmittelbar bevorstehenden Tod gleichsetzt.

Wicked-Vision veröffentlicht Das Geheimnis des Doktor Z als Nummer 51 ihrer Collector’s Edition im Mediabook (Blu-ray und DVD), mit drei verschiedenen Cover-Motiven, die jeweils auf 333 Stück limitiert sind. Bild (1,66:1 1080p / 1,66:1 anamorph) und Ton (Deutsch + Französisch DTS-HD Master Audio 2.0 / Dolby Digital 2.0) bewegen sich auf ziemlich hohem Niveau, da gibt es keine Beschwerden anzumelden. Deutsche oder englische Untertitel können auf Wunsch ebenfalls zugeschaltet werden. Insgesamt handelt es sich bei Das Geheimnis des Doktor Z wieder einmal um eine äußerst gelungene Mediabook-Edition mit recht interessantem sowie exklusivem Bonusmaterial. Das Geheimnis des Doktor Z ist der expressionistische Höhepunkt unter Jess Francos frühen Horrorfilmen, der dem unter Francos Zensoren unerwünschten Genre in Spanien neuen Auftrieb verschaffte. Erlebt diesen Klassiker nun als deutsche HD-Premiere.

Bonusmaterial:

• 24-seitiges Booklet mit dem Essay „Schatten, Schocker und Schöne Künste“ von David Renske —> sehr informativ sowie unterhaltsam geschrieben
• Audiokommentar mir Dr. Gerd Naumann, Dr. Rolf Giesen und Matthias Künnecke —> wie gewohnt, äußerst kompetent, unterhaltsam, interessant sowie informativ eingesprochen
„Das Geheimnis des Jess Franco“: Video-Essay mit Prof. Dr. Marcus Stiglegger —> enorm informativ und aufschlussreich
• Deutsche Kinofassung
• Originaltrailer
• Deutscher Trailer
• Bildergalerie

— > außerdem lässt sich auch ein sogenanntes „Easter-Egg“ im Menü der Extras finden

Beim Wicked-Shop oder bei Amazon bestellen

Freigabe: 16
Ländercode: A,B,C
Laufzeit: 87 Minuten (ungekürzt) / 83 Minuten (ungekürzt)
Bildformat: 1,66:1 (1080p) / 1,66:1 (anamorph) s/w
Sprache: Deutsch, Französisch
Tonformat: DTS-HD Master Audio 2.0 / Dolby Digital 2.0
Untertitel: Deutsch, Englisch
Untertitel Extras: Deutsch, Englisch
Verpackung: Mediabook
Discs: 2
Format: Blu-ray & DVD
Disc-Typ: BD-50 / DVD-9
Studio: Wicked Vision Distribution GmbH

https://www.youtube.com/watch?v=ktln8OK7c1k

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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