Das Rätsel der unheimlichen Maske

Das Londoner Albany-Theater beherbergt im Jahre 1900 die Uraufführung von Saint Joan, einer Oper des arroganten, geheimnisvollen Lord Ambrose D’Arcy, doch die Produktion, die bereits eine Reihe von Rückschlägen erlitten hat, wird unterbrochen, als die Kulisse aufreißt und ein erhängter Bühnenarbeiter zum Vorschein kommt. Nachdem die Diva der Oper daraufhin gekündigt hat, lässt D’Arcy für Ersatz vorsingen und stellt Christine Charles als neue Sängerin ein, da sie ihn nicht nur von ihrer schönen Singstimme überzeugen kann. In ihrem Ankleideraum hört Christina die Stimme des Phantoms, welches angeblich das Theater heimsuchen soll. Das Phantom warnt sie, d’Arcy sei ein mieser Schuft und dass er, das Phantom, sie trainieren werde, damit sie nur für ihn singen kann. Unterdessen beginnt der Regisseur des Theaters Harry Hunter sich für das Phantom zu interessieren und folgt Anhaltspunkten, die zu einem Komponisten namens Professor Petrie führen, der angeblich bei einem Brand in einer Druckerei ums Leben kam…

Selbstverständlich gibt es bei Hammers Version von Das Phantom der Oper viel zu mögen, schließlich beinhaltet der Film etliche der typischen Hammer-Qualitäten und die Geschichte, wenn auch recht stark abgeändert, weiß immer noch sehr zu überzeugen, während Herbert Loms Phantom einfach hervorragend ist, doch der Streifen gibt einem gleichzeitig das Gefühl, dass sich mit weit weniger Horror als gewohnt sowie heruntergeschraubter Atmosphäre doch ziemlich zurückgehalten wurde was die Gruselelemente betrifft. Von dem Studio, das so erfolgreich frische und für seine Zeit schockierende Neuauflagen von Dracula, Frankenstein und Co. fabriziert hatte, erwartet man in den genannten Punkten ganz einfach ein wenig mehr. Die Entscheidung, die Horror-Elemente herunterzuspielen, macht Sinn, betrachtet man die Konzeption des Films, doch noch immer lässt er den Betrachter mit einem Gefühl von verschwendetem Potenzial zurück, während diese Version sogar die Liebesgeschichte verwässert. Nichtsdestotrotz handelt es sich hier um einen sehr anständigen Film, wobei Hammer es hätte besser machen können.

Universal hatte schon seit 1953 geplant Das Phantom der Oper mit Kathryn Grayson neu zu verfilmen, bevor Hammer, die eine Distributionsvereinbarung mit Universal hatten, die Rechte 1959 kaufte. Kein anderer als Gary Grant kam eines Tages im Hammer-Büro vorbei und verkündete, dass er sehr gerne in einem Hammer-Film spielen wollte, so dass Anthony Hinds daraufhin The Phantom Of The Opera mit Grant als Star im Hinterkopf schrieb, dabei allerdings die bösen Taten des Phantoms entschärfte und die meisten davon an einen Zwergassistenten weitergab. Allerdings musste Grant aus ungeklärten Gründen absagen, weshalb zunächst Christopher Lee für die Rolle vorgesehen war, bevor sie in letzter Minute an Herbert Lom vergeben wurde. Gedreht wurde in Bray und dem Wimbledon-Theater und zwar mit höherem Budget als für Hammer üblich. Als ein X-Zertifikats-Film wurde er auf Geheiß der britischen Distributoren auf das Format eines A-Zertifikats geschnitten, wobei Aufnahmen einer Messerstecherei, eines erhängten Körpers und das Gesicht des Phantoms entfernt wurden. Gerade durch das nicht enthüllte Gesicht muss sich das britische Publikum enorm betrogen gefühlt haben. In einer Doppelvorstellung mit Die Bande des Captain Clegg wurde der Film in Großbritannien ein ziemlicher Flop, obwohl er in den USA durchaus erfolgreich gewesen ist, wo allerdings auch die Vollversion gezeigt wurde.

Bereits die Eröffnungssequenz ist ziemlich wirksam, die Kamera schwenkt vom Kronleuchter des Theaters über die Sitze bis hin zur Bühne, bevor sie uns in die Höhle des Phantoms führt, wo es seine Orgel spielt, wobei die Kredits über einer Nahaufnahme eines seiner Augen eingespielt werden. Das kleine Theater und die dazugehörigen Sets bedeuten dem Betrachter jedoch sofort, dass diese Version diesbezüglich schon ein wenig abgespeckt ist. Diese frühen Szenen können als recht gelungen bezeichnet werden, mit einer Reihe von unheimlichen Ereignissen, die in dem hervorragend inszenierten Moment gipfeln, als die Szenerie zerreißt und eine ziemlich überzeugende Leiche enthüllt wird. Das Phantom ist offensichtlich in der Nähe, wobei jetzt schon klar wird, dass der Zwerg für den Mord verantwortlich ist, während sich das Phantom dafür entscheidet, nur durch verschiedene Löcher zu lunzen, wo Nahaufnahmen eines sehr ausdrucksvollen Auges zum Einsatz kommen, die während des ganzen Films wiederkehren. Angst und Schrecken verbreitet dieses Phantom jedoch zu keinem Zeitpunkt. Ein großer Fehler, denn wie schon in der 1943er Version, geht der Film zu weit, das Phantom sympathisch zu machen. Dadurch ändert sich (ähnlich wie im 43er Film) die Geschichte des Phantoms, so dass der Charakter hier nun ein Komponist ist, dem seine Musik gestohlen und dessen Gesicht entstellt wurde, bei dem Versuch, sich sein Lebenswerk zurückzuholen. Diese Ereignisse werden in Das Rätsel der unheimlichen Maske nach circa drei Vierteln des Films mit Hilfe von Rückblenden präsentiert, was besser funktioniert als in der Version von 1943, wo die Geschichte chronologisch erzählt und sich ewig Zeit genommen wurde, das Phantom endlich auftreten zu lassen.

Die Schurkereien bleiben Lord Ambrose D’Arcy überlassen, der vermeintliche Schreiber der Oper im Film, der die Musik von einem gewissen Professor Petrie gestohlen hat. Michael Gough liefert in der Rolle des Lords eine hervorragende Vorstellung, die jede Silbe seines Dialogs auf sehr unterhaltsame Art und Weise genießen lässt. Doch zu viel von Das Rätsel der unheimlichen Maske konzentriert sich auf Christine und ihre Liebesgeschichte mit Harry, dem Theaterregisseur, der Professor Petries Geschichte nachgeht und herausfindet, was der Zuschauer bereits weiß. Der Film bietet leider nicht annähernd genügend Spannung und nur wenig Grusel, außer in der völlig überflüssigen Szene, als der Zwerg den Rattenfänger ersticht (ein früher Auftritt von Patrick Troughton). Das Phantom entführt Christine und bringt sie in seine Höhle, doch sowohl die berühmte Kronleuchter Szene, als auch die Enthüllung des entstellten Gesichts werden auf den Klimax verlegt, der ein riesiges Durcheinander darstellt und zeigt, dass Hinds nicht wirklich gewusst haben muss, wie man den Streifen am besten enden lassen kann. Das Finale fühlt sich sehr gehetzt an, fast so, als würde Material fehlen, weswegen es wenig Sinn für Tragödie in sich trägt, während das Make-up des verbrannten Gesichts (kurz am Ende zu sehen) genauso unkreativ geraten ist, wie die Maske.

Zumindest bringt das eilig zusammengepflasterte Stück ein paar vereinzelte unheimliche Momente, wobei die mannigfaltigen Einstellungen von Loms rechtem Auge in einer wirklich berührenden Aufnahme gipfeln, dem emotionalen Höhepunkt eines ziemlich kühlen Phantomfilms, wo der Professor eine Träne verdrückt, als er zum ersten und letzten Mal sieht und hört wie seine Oper aufgeführt wird. Dieses Phantom verliebt sich nicht einmal in die Heldin – nein es schlägt ihr sogar ins Gesicht und schüttet eine Tasse Abwasser über ihrem Kopf aus – sondern will nur, dass sie seine Musik singt, unterdessen seine Beweggründe nicht vollkommen klar sind und er eindeutig ein bisschen verrückt ist. Wie in den Pink Panther Filmen, zeigt Lom seine großartige Fähigkeit einen verrückten Charakter überzeugend zu spielen, was hier besonders schwierig war, da sein Gesicht nicht gezeigt wird, obwohl er auch in der Rückblende als mittelloser Komponist sehr gut und ziemlich traurig rüberkommt. Auch Bernard Robinsons Gestaltung der Höhle ist mit Freuden anzuschauen, welche die Farbe Gold besonders betont, währenddessen Arthur Grants Kamera in dem engen Raum, den er zur Verfügung hatte, wunderbar um die Sets manövriert und Regisseur Terence Fisher, der sich dem Material wohl nicht so ganz verbunden fühlte, die Rückblende stilvoll mit vielen schrägen Winkeln behandelt. Für die Heldin entschied sich das Studio gegen den typischen Hammer-Look, um die schauspielerische Leistung in den Vordergrund zu stellen, was sich letztendlich bezahlt machte, denn Heather Sears projiziert die richtige Unschuld und Neugier, die Christine haben sollte, auch wenn das Skript ihr Mitleid für das Phantom ausspart. Sears und Lom spielen ihre Charaktere wirklich punktgenau und hätten sicherlich in einen besseren Phantomfilm gehört, während Michael Ripper und ein unverständlicher Miles Matheson tolle Kameen als Kutscher haben. Edwin T. Astleys Musik ist ebenfalls ein Highlight, wozu er Stücke einer fiktiven Oper, sowie die erwartete Hammer-Musik (die er musikalisch mit der Opernmusik verband), schreiben musste, was ihm bewundernswert gut gelang. Sein Hauptthema für die heilige Johanna, das zum Liebesthema wird, ist ein eindringlich schönes Lied und exzellent gesungen, von einer Sängerin, die Sears sehr ähnlich klingt. Die Opern-Sequenzen sind mit gutem Einsatz von Kulissen toll inszeniert worden und man kann sehen, wohin das Geld dieser Produktion gegangen ist, auch wenn die Geschichte zugegebenermaßen nach einer größeren und besseren Bearbeitung verlangt. Viel Mühe wurde für bestimmte Aspekte dieser Phantom der Oper Variante aufgebracht, so dass es eine Schande ist, dass dem Film insgesamt, obwohl immer noch ziemlich gut, irgendwie etwas fehlt, was wohl weitgehend dem oft verwirrten Skript zu schulden kommt.

Anolis Entertainment bringt Das Rätsel der unheimlichen Maske im Rahmen ihrer Hammer-Reihe in einer BluRay / DVD-Edition heraus und leistet damit, wie bereits gewohnt, hervorragende Arbeit. Das Bild präsentiert sich im 1.77:1 / 16:9 Format und sieht absolut klasse aus. Es zeigt sich sehr gut restauriert, farbenfroh, enorm scharf und wunderbar detail- und kontrastreich. Beim Ton kann man zwischen den Sprachen Deutsch und Englisch (beide DTS-HD 2.0 Mono) wählen, wobei deutsche Untertitel zuschaltbar sind. Außerdem gibt es neben dem britischen Kinotrailer, der deutschen Titelsequenz, zwei Werberatschlägen, einem Filmprogramm und Bildergalerien noch das 36-seitige Booklet, von Dr. Rolf Giesen, Uwe Sommerlad und Uwe Huber (exklusiv nur im Mediabook enthalten) interessant gestaltet und toll geschrieben, zu bestaunen. Der Audiokommentar von Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad muss mal wieder als Höhepunkte der Veröffentlichung gewertet werden, versorgt er den geneigten Zuschauer doch mit einer Fülle an interessanten Informationen über den Film, obwohl die beiden Experten auch hin und wieder mal vom eigentlichen Thema abschweifen. Das Gleiche kann auch über das Making Of „Phantom Of The Opera“ berichtet werden, wo hauptsächlich Edward de Souza (Harry Hunter) zu Worte kommt. Fans der Hammer-Studios werden, trotz weniger Defizite, ohne Frage ihren Spaß an Das Rätsel der unheimlichen Maske haben.

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  • Darsteller: Herbert Lom, Heather Sears, Thorley Walters, Michael Gough, Edward de Souza
  • Regisseur: Terence Fisher
  • Untertitel: Deutsch
  • Region: Region B/2
  • Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
  • FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
  • Studio: Anolis Entertainment
  • Produktionsjahr: 1962
  • Spieldauer: 84 Minuten

Diese BluRay sowie das Bildmaterial wurde uns freundlicherweise von Anolis Entertainment zur Verfügung gestellt.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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