Das Ultimatum läuft ab / Mark il poliziotto spara per primo / Mark Shoots First

Tatort Genua: In welcher Verbindung steht die Ermordung einer unschuldigen Braut auf den Stufen der Kirche mit der Entführung eines Bankiers? Und warum müssen scheinbar wahllos viele weitere Menschen sterben? Der Mörder, der sich selber „Sphinx“ nennt, verfolgt ein wahnsinniges Spiel und gibt der Polizei immer neue Rätsel auf. Nur der jüngst in die Hafenstadt versetzte Kommissar Mark Terzi bietet ihm die Stirn und kämpft eisern und mit eigenwilligen, nicht immer gesetzeskonformen Mitteln bei seiner Suche nach „Sphinx“ gegen große und kleine Ganoven. Schnell steht die Stadt Kopf in einem Strudel aus Terror, Gewalt und Unbarmherzigkeit. Ruhe kann erst wieder einkehren, wenn „Sphinx“ gestellt ist und alle Geheimnisse um sein dunkles Treiben gelöst sind. Ein zunächst aussichtslos erscheinender, mörderischer Fall für Kommissar Terzi. (Anolis Entertainment)

Kurzinhalt inkl. Spoiler !!!

Mark Terzi (Franco Gasparri) wird nach Genua geschickt, um einen Entführungsfall zu lösen. Das Opfer ist Marks alter Bekannter Benzi (Lee J. Cobb), Präsident des Bankenkonsortiums Genuas und ein Kandidat für die Wahl der Stadtverwaltung. Mark findet heraus, dass Benzi in einem alten Frachtraum gefangen gehalten wird und befreit ihn, nachdem er dessen Wachen entsorgt hat, mit Ausnahme eines Mannes namens Morini (Spyros Fokas als Spiros Focás gelistet), der nach einer langen Verfolgungsjagd durch die Stadt entkommen kann. Mark operiert allein und ignoriert die Bedenken des stellvertretenden Polizeichefs Spaini (Massimo Girotti), als er von Richter Guglielmi (Gianni Ottaviani) erfährt, dass das Lösegeld in diverse illegale Geschäfte geflossen ist und an dem Entführungsring wichtige Persönlichkeiten beteiligt sind, darunter ein wohlhabender Mann namens Ghini (Nino Benvenuti). Währenddessen tötet ein unbekannter Scharfschütze, der sich selbst Die Sphinx nennt, willkürlich unschuldige Menschen und behauptet, er werde nicht aufhören, bis Benzi Selbstmord begangen hat. Zwischenzeitlich spürt Mark den noch immer flüchtigen Morini in der Wohnung von dessen Freundin Franca (Ida Meda) auf, doch dem Verbrecher gelingt es zu entkommen, indem er sich seinen Weg freischießt und dabei unbeabsichtigt seine Freundin tötet. Francas jüngere Schwester Angela (Ely Galleani) hilft Mark anschließend Morini ausfindig zu machen, dem es schließlich gelingt den Lump bei einer Schießerei in einem Kino über den Bisagno zu schicken. Guglielmi findet Beweise dafür, wer hinter dem Entführungsring steckt, wird aber selbstverständlich ermordet, bevor er irgendwelche Informationen weitergeben kann. Terzi entdeckt das Versteck von Ghinis Bande und findet zudem noch Beweise für illegale Geschäfte, an denen einige der Bonzen der Stadt beteiligt sind. Er findet auch heraus, dass Die Sphinx – die überall in der Stadt Bomben gelegt hat – ein Opfer von Benzis illegalem Geschäften gewesen ist. Schließlich hat Terzi genügend Beweise beisammen, um Benzi endlich verhaften zu können, der nämlich die ganze Zeit über auch der Drahtzieher hinter Ghinis Entführungsring gewesen ist. Letztendlich tritt Terzi von seinem Amt zurück.

Für den zweiten von drei „Mark, il poliziotto“ Filmen verlegen Stelvio Massi und seine Co-Drehbuchautoren (Teodoro Corrà, Dardano Sacchetti und Raniero di Giovanbattista) die Handlung von Mailand nach Genua, der urbanen Wiege der poliziotteschi. Ein kluger Schachzug, da Das Ultimatum läuft ab viel mehr auf Action setzt, als der erste Film der Trilogie Mark il poliziotto (Blood, Sweat and Fear, 1975, der in Deutschland leider nie erschienen ist), während die ligurische Stadt eine spektakuläre Naturkulisse zu bieten hat, durch welche die Actionszenen enorm aufgewertet werden. Die ersten zwanzig Minuten, in denen sich Mark in ein halb verrottetes Schiff schleicht, um seinen alten Feind Benzi von dessen Entführern zu befreien, sind als ein hervorragendes Schaufenster für Massis Expertise als Action-Regisseur zu bezeichnen. Er nutzt jeden erdenklichen Winkel für seine imposanten set-pieces aus und versteht es blenden das Beste aus Gasparris physischer Präsenz zu machen, zuerst in einer Reihe von Schießereien sowie Stunts und dann in der weiter oben bereits erwähnten ausgedehnten Verfolgungsjagd mit Morini, die per Auto am Dock beginnt und dann zu Fuß in Genuas Gassen (die typisch für die historischen Zentren Liguriens sind) endet. Es handelt sich dabei um eine Sequenz, die die starke Bindung des italienischen Kriminalfilms an die urbanen Landschaften perfekt veranschaulicht.

Trotz der vier Drehbuchautoren ist die Handlung als dünn und unglaubwürdig zu beschreiben, beginnend mit der Idee, dass Marks Erzfeind Benzi – der sich trotz des Endes von Mark il poliziotto (auf unerklärliche Art und Weise) noch immer auf freiem Fuß befindet und sogar als Kandidat für die Wahl der Stadtverwaltung in Genua vorgestellt wird – zu Beginn seine eigene Entführung organisierte, um mehr Popularität und Stimmen zu gewinnen, während sich die unausgegorene Nebenhandlung um die Aktivitäten des mysteriösen Sphinx-Killers als nicht so fesselnd erweist, wie sie wahrscheinlich sollte. Das Ultimatum läuft ab ist vor allem als ein Vorwand zu verstehen, um Franco Gasparri so viel Leinwandzeit wie möglich einzuräumen und zwar innerhalb einer Struktur, die sich mit minimalen Überarbeitungen an den vorherigen Film anlehnt: Lee J. Cobb kehrt als Terzis Nemesis zurück; Mark erhält mit Colantuoni (Leonardo Severini) einen Assistenten, der wohl auch als comic-relief fungieren soll; es gibt eine hauchdünne romantische Nebenhandlung mit Angela (der liebenswerten Ely Galleani) zu ertragen und einen Ex-Preisboxer zu „bestaunen“, der einen Bösewicht spielt (hier ist es der Mittelgewichts-Champion Nino Benvenuti, in seinem zweiten Film nach Duccio Tessaris Western Vivi o, preferibilmente, morti / Friß oder stirb, 1969); Massimo Girotti ersetzt Giorgio Albertazzi als den bevormundenden Vorgesetzten, der Mark fragt: „Laufen Sie immer so angezogen rum?“ (die Antwort: „Ja, es sei denn, Sie geben mir eine Gehaltszulage“) und „Sie sind doch nicht etwa einer von diesen Unruhestiftern, die eine Polizei-Gewerkschaft fordern?“ (Terzis Antwort: „Nein, ich bin nur ein Unruhestifter, das ist alles“).

Massis Regie ist nach wie vor als bemerkenswert zu bezeichnen, denn neben den spektakulären Stunts gibt es auch viele beeindruckende Handaufnahmen zu sehen, so wie bei Marks Einbruch in eine Wohnung, in der sich der Mörder Morini (Spyros Fokas) versteckt hat, wobei die Kamera Gasparri durch schmale Flure und Zimmer folgt. Den vielleicht fruchtbarsten Aspekt des Films stellt seine selbstreflexive Haltung dar. Eine Qualität, die durch den Hauptcharakter (Mark Terzi repräsentiert auf jeden Fall einen etablierten Comicheft-Helden, der in eine realistische Umgebung katapultiert worden ist, eine Tatsache, die durch Gasparris erstaunlich gutes Aussehen sowie seinem monolithischen Gesamteindruck unterstützt wird) aber auch durch eines der wichtigsten set-pieces des Films unterstrichen wird, nämlich der Szene, in der Terzi Morini in ein überfülltes Kino folgt, wo gerade ein anderer poliziotteschi projiziert wird. Da es sich hier um eine P.A.C. Produktion handelt, ist in dem Film im Film Luciano Ercolis La Polizia ha le mani legate (Killer Cop, 1975) zu erkennen, wobei Massi großartige Arbeit leistet, indem er Aufnahmen aus Ercolis Film (eine Sequenz, in der Claudio Cassinelli einem von Giovanni Cianfriglia gespielten Verbrecher nachjagt) in die Szene einfügt.

Im Vergleich zu Killer Cop und anderen zeitgenössischen Beispielen der polizotteschi wird der politische Blickwinkel kaum und eigentlich fast schon gar nicht mehr überzeugend skizziert, wie es bereits bei Mark il poliziotto der Fall gewesen war. Terzi ist einfach zu weit von der Realität entfernt, um überzeugend rüberzukommen, als er am Ende (in einem Finale, das nicht nur im Wortlaut fast komplett aus Dirty Harry übernommen wurde – natürlich ohne Scorpios kaltblütiger Erschießung) seinen Polizeidienst quittiert. Ein weiteres Beispiel bietet der obligatorische Charakter eines Journalisten, der normalerweise als banale Quelle fungiert, die die Taten der harten Polizisten in der Öffentlichkeit legitimiert. Hier, gespielt von Andrea Aureli, stellt der stotternde Reporter jedoch nur eine komische Wegwerfpräsenz dar und nicht mehr.

Zu guter Letzt weist Das Ultimatum läuft ab eine weitere typische Eigenschaft der poliziotteschi auf: Produktplatzierung. Eine Sequenz, in der Lee J. Cobb seine politischen Geschäfte mit einem seiner Mitarbeiter bespricht, findet in einem Ausstellungsraum einer Boutique statt, währenddessen Mannequins mit Pelzen von Dellera herumstolzieren und die Marke im Hintergrund deutlich sicht- bzw. lesbar ist. Natürlich sind auch J&B Flaschen prominent vertreten, da in italienischen Kriminalfilmen ja niemand verdursten muss. Außerdem wird in diesem Flick so dermaßen viel geraucht, wie in kaum einem anderen Beispiel des Genres (komischerweise jedoch ohne großartige Schleichwerbung?!).

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  • Seitenverhältnis: ‎16:9 – 1.85:1, 16:9 – 1.77:1
  • Alterseinstufung: ‎Nicht geprüft
  • Regisseur: ‎Massi, Stelvio
  • Medienformat: ‎DVD-Video
  • Laufzeit: 1 Stunde und 36 Minuten
  • Darsteller: ‎Gasparri, Franco, Cobb, Lee J.
  • Untertitel: ‎Deutsch
  • Sprache: ‎Italienisch (Mono), Deutsch (Mono)
  • Studio: ‎Anolis Entertainment

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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