Daughter of the Nile – Berlinale Special

Der erste Berlinale Ausflug dieses Jahr ist in die Welt des taiwanesischen Regisseurs Hou Hsiao-hsien, dessen aktueller Film The Assassin noch immer keinen Release Termin hat, wir berichteten. Sein Daughter of the Nile (Ni luo he nu er) feierte gestern auf der Berlinale seine Weltpremiere als digital restaurierte 4K DCP Praesentation, und der Star Jack Kao (John Woos The Crossing, auch noch ohne Release, sowie The Assassin) war auch mit dabei, zusammen mit dem Verantwortlichen des Taiwan Film Institute, das die Restaurierung vorgenommen hatte.

Daughter of the Nile

Taipei, die Hauptstadt Taiwans, in den 80ern. Hsiao-yang (Lin Yang) und ihr Bruder Hsiao-fang (Jack Kao) und jüngere Schwester leben nach dem Tod der Mutter alleine. Der Großvater lebt nebenan, und der Vater besucht hin und wieder, er ist Polizist im Süden des Landes. Hsiao-yang arbeitet neben der Abendschule in einem Fastfood Restaurant, während ihr Bruder klaut und in fremde Wohnungen einbricht. Das scheint auch auf die jüngere Schwester abzufärgen, die in der Schule ebenfalls beim Klauen erwischt wird.  Hsiao-fang hat vor einiger Zeit mit seinen Kumpels ein Resetaurant aufgemacht, das aber nicht sehr gut läuft. Einer aus der Ganovenrunde benimmt sich daneben und zieht den Zorn einer rivalisierenden Bande auf sich. Bevor er nach Japan fliehen kann wird er erschossen. Damit zieht er den ganzen Laden, und somit auch Hsiao-fang in einen Bandenkrieg.

Daughter of the Nile

Mein erster Ausflug in die Welt von Hou Hsiao-hsien hinterlässt gemischte Gefühle, aber er hat mich neugierig auf mehr gemacht. Vielleicht kann ich noch andere Filme aus seinem Werk sehen bevor irgendwann auch The Assassin hierzulande zu sehen sein wird. Man kann an diesem relativen Frühwerk schon sehr gut eine künstlerische Unterschrift, beziehungsweise einen Stil erkennen. Die Geschichte wird in etwa aus der Perspektive der Schwester erzählt, die zwar den Haushalt zusammen hält und auf eine gewisse Art und Weise die erwachsene der drei Geschwister ist, aber gleichzeitig nimmt sie nicht vollständig wahr was um sie herum passiert. Immerhin ist sie auch noch sehr jung, und hat Bock mit ihrer eigenen Clique an den Strand zu fahren oder auf dem geklauten Walkman Musik zu hören. Man hat das Gefühl dass sie ein wenig verloren durch die Großstadt stolpert, und dem anrollenden Chaos kaum etwas entgegen zu setzen hat.

Daughter of the Nile

Der Regisseur benutzt einen Comic als erzählerischen Rahmen, der von einer zeitreisenden Ägypterin handelt, und dem Film seinen Titel gibt. Hsiao-yang liest diesen und identifiziert sich mit der Protagonistin. Man könnte das nun als eine Art Sehnsucht interpretieren, der pulsierenden aber irgendwie auch bedrohlichen Großstadtkulisse Taipehs zu entfliehen. Ambitionen lässt die junge Frau aber kaum erkennen. Sie lässt sich genau wie ihre anderen Altersgenossen treiben von der mit Neonreklamen zugepflasterten Metropole, deren zentrale Verkehrsadern sie an den Nil erinnern. Während nervige Popmusik die Ohren füllt, hängt ihr Bruder mit seinen Gangstern in der Bar ab. Es ist ein sehr hedonistisches Bild von Taiwan in den 80ern. Eine sehr junge Generation wächst heran, die genauso wie das politische System des Landes erst in den 90ern wirklich erwachsen werden wird.

Hou Hsiao-hsien fängt die Geschichte in schönen Großstadtbildern ein, die abwechselnd Rastlosigkeit (Tracking Shots von Teenagern auf Motorrädern) und Ruhe (feste Kamerawinkel zuhause in der Wohnung) ausstrahlen. Die vielen Blautöne, vor allem in der „Magic Hour“ der Abenddämmerung, geben dem Film einen schönen ruhigen Look, den der Regisseur seine Karriere hinweg ausbaut und verfeinert. Man habe besonderen Wert auf den Erhalt des Zelluloid-Looks gelegt bei der Restauration wird vor der Vorführung betont. In der Tat sah die 4K Projektion sehr gut aus, lediglich der Ton ließ qualitativ zu Wünschen übrig, aber das ist leider ein trauriger gängiger Trend.

Daughter of the Nile ist ein melancholisches kleines Großstadtdrama ohne viel Aufruhr und Effekte, es ist ein interessanter Blick in das Frühwerk eines mittlerweile international mehr als gefeierten Regisseurs. Ich habe sehr viel Lust nach mehr bekommen und hoffe hier auf Nischenkino bald noch andere Filme des Taiwanesen rezensieren zu können. Zudem folgen diese Woche noch weitere Kritiken aus meinen Berlinale Besuchen.

Daughter of the Nile

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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