Der Lange Tag der Rache / I lunghi giorni della vendetta / Days of Vengeance

Durch eine Verleumdung sieht sich Ted Barnett unvermittelt hinter Gittern. Die Leute, die seine Verhaftung und Verurteilung angezettelt haben, reiben sich die Hände. Ted ist verzweifelt. Nachdem ihm die Flucht gelingt, setzt er alles daran seine Unschuld zu beweisen. Er macht sich auf den Weg nach Carltown, um Mr. Cobb, Sheriff Douglas und Corbett zu treffen. Dieses saubere Trio hat ihm nämlich die Suppe eingebrockt, die er nicht bereit ist auszulöffeln. Trotz lebhaftem Sklaven- und Waffenhandels ist es ihnen bisher gelungen, sich das Ansehen braver Bürger zu bewahren. Ted weiß das er nicht das tun kann, was er am liebsten machen würde: Einen nach dem anderen umlegen. (Explosive Media)

Der Lange Tag der Rache repräsentiert den einzigen Italo-Western unter der Regie von Florestano Vancini, einem angesehenen Filmemacher der alten Schule. Hier ließ er sich allerdings als Stan Vance listen, da er die Produzenten bat seine Identität zu verschleiern. Sein richtiger Name tauchte jedoch im Abspann der spanischsprachigen Version auf, während der Streifen in Italien zu einem der am meisten diskutierten seiner Art wurde. Noch heute beschwört Der Lange Tag der Rache Diskussionen unter Kritikern herauf, wobei er von einigen als einer der besten Filme aus dieser Zeit bezeichnet wird und bei anderen weitaus weniger Begeisterung hervorruft. Marco Giusto fällt zum Beispiel folgendes Urteil: „Interessant aber nicht befriedigend, ein bisschen überlang, ein bisschen lustig, ein bisschen ernst und nie wirklich überzeugend“ (Dizionario del western all’italiano). Außerhalb Italiens stellte der Film schon immer einen der weniger bekannten Giuliano Gemma-Filme dar, bis Quentin Tarantino ihn als einen seiner Lieblings-Spaghetti-Western auserkor und Armando Trovajolis exzellente Titelmusik in der Anime-Sequenz von Kill Bill Vol. 1 zum Einsatz brachte.

Giuliano Gemma ist Ted Barnett, ein junger Mann, dem ein Verbrechen angehängt wurde, das er gar nicht begangen hat. Seine Flucht aus einem Arbeitslager alarmiert mehrere Einwohner von Kartown (einer Gemeinde nahe der mexikanischen Grenze), darunter seine ehemalige Verlobte Dolly (Nieves Navarro), deren Falschaussage ihm einst seine Verurteilung einbrachte. Inzwischen hat Dolly den Sheriff der Stadt, Joe Douglas, geheiratet. Douglas (Francisco Rabal) wurde vom Waffen- und Sklavenhändler Mr. Cobb (Conrado San Martín als Conrado Sanmartin aufgeführt) als Gesetzeshüter von Kartown installiert. Barret begibt sich in das kleine Städtchen, um herauszufinden wer wirklich seinen Vater getötet sowie ihm die Tat angehängt hat (und warum). Doch als er die wahren Mörder entlarvt und zum Teil über die Wupper geschickt hat, beschließt er sich an das Gesetz zu halten und den örtlichen Richter in die Geschehnisse einzuweihen (ziemlich ungewöhnlich für einen Italo-Westernhelden!). Allerdings riskiert er damit buchstäblich seinen Hals, da er letztendlich eines weiteren Verbrechens beschuldigt wird…

Abgesehen von der obligatorischen Kneipenschlägerei, die zum Lachen animieren soll, ist Der lange Tag der Rache als ein ziemlich düsterer und gewaltsamer Film zu beschreiben, der sich intensiver gestaltet als die meisten anderen Gemma-Western. In den ersten zwanzig Minuten bekommt das Publikum Gemmas Gesicht nie richtig zu sehen, während er wie ein Geist – der aus dem Jenseits zurückgekehrt ist – durch den Film wandert. Sein immenser Vollbart sowie die Gefängnisfestung sind Anspielungen auf den von Alexandre Dumas verfassten französischen Roman Der Graf von Monte Christo aus dem 18. Jahrhundert, der als Inspiration für das Skript diente. In einem Interview gab Drehbuch Co-Autor Fernando Di Leo zu, dass er versucht hatte die typische Atmosphäre der Originalgeschichte zu erschaffen, die sich als eine dunkle, eindringliche Rachegeschichte über einen jungen Mann erweist, der aufgrund eines verschwörerischen Verrats vierzehn Jahre im Gefängnis verbringt, bevor es ihm gelingt auszubrechen.

Man kann schon recht gut nachvollziehen, warum Tarantino diesen Film mag. Der Gang zum Galgen, der dem gewalttätigen Finale des Flicks vorausgeht, hat eine beinahe schon rituelle Schönheit zu bieten, während eine Szene, in der einer der Bösewichte von Ted Barnett gezwungen wird dessen Bart abzurasieren, auch von Tarantino selbst erdacht sowie inszeniert hätte werden können. Dabei handelt es sich gleichzeitig um eine Schlüsselszene des Streifens, die Barnetts Verwandlung von einem bärtigen „Halbtoten“, der aus dem Arbeitslager entkommen ist, in einen der modischsten Rächer in der Geschichte des Italo-Westerns markiert. Eine würdige Darstellung von Dumas‘ Grafen in der Umgebung eines Western. Diejenigen, die den Film nicht mögen, haben teilweise auch wirklich Grund zum Klagen. Durch das langsame Tempo hat der Streifen nach circa der Hälfte der Laufzeit gewisse Längen aufzuweisen, während einige der leichtherzigeren Momente (wie die Schlägerei im Saloon), völlig fehl am Platz zu sein scheinen. Gemmas Filme beinhalten allerdings so gut wie immer irgendeine Form von Komik und/oder Romantik, auch wenn es nur wenig oder überhaupt nicht in den Plot passt.

Conrado San Martin und Francisco Rabal (der seinen Sheriffstern wie ein Ninja werfen kann!) verkörpern klasse dargestellte Bösewichte, während auch – äußerst ungewöhnlich für einen Italo-Western – zwei starke Frauenrollen vorhanden sind. Nieves Navarro mimt die elegante, jedoch verräterische Dolly, die noch immer ein Faible für ihren ehemaligen Freund Barnett hat. Gabriella Giorgelli spielt dagegen die unbezähmbare Wildkatze Dulcy, die „indianischer“ sowie spanischer Abstammung ist und mit großen Augen, krallenartigen Fingernägeln sowie verführerischen Kurven daherkommt. Florestano Vancinis Regieführung erweist sich manchmal als etwas umständlich, wobei er einige seltsame Entscheidungen getroffen hat: Barnett tötet einige Waffenschmuggler abseits vom Bildschirm und eine aufwändige Schießerei zwischen Cobbs Bande und den Mexikanern wird aus großer Entfernung gefilmt, sodass man nur einen sehr vagen Eindruck davon erhält, was eigentlich passiert. Doch die letzte bleihaltige Konfrontation ist elegant inszeniert worden und hat auch grafische Gewalt zu bieten, wobei sogar einige blood-squibs Anwendung gefunden haben. Auch die für den Italo-Western fast schon traditionelle Sequenz, in der der Held böse verprügelt wird, ist ziemlich blutig geraten. Die Außenaufnahmen wurden vor Ort in Almeria und Villa Madrid (in der Nähe von Saragossa) gedreht, während die Westernstadt der Balcazar-Studios (in der Nähe von Barcelona) hier als Kartown dient. Vancini entschied sich weiterhin dafür so viele Szenen wie möglich in der prallen Sonne zu drehen, was dem Film ein sehr eigenartiges, oft (buchstäblich) schillerndes Aussehen verleiht. Armando Trovajolis Musik (seine einzige innerhalb des Italo-Western Genres) wird teilweise zu den großen Western-Scores dieser Zeit gezählt: das Hauptthema besteht aus einem wunderschönen Trompetensolo, das sich klagend und lockend über eine bedrohlich klingende Gitarre erhebt; eines Ennio Morricone würdig.

Explosive Media präsentiert Der Lange Tag der Rache in zwei Cover-Varianten (jeweils auf 1000 Stück limitiert) erstmals als restaurierte High Definition Neuabtastung (Blu-ray + DVD), die wirklich sehr gut gelungen ist. Das Bild (16:9 – 2.35:1) gibt insgesamt kaum Anlass zum Meckern, mit Sicherheit wurde hier das Beste aus dem erhaltenen Material herausgeholt. Beim Ton liegen mit der deutschen, englischen und italienischen drei Spuren vor. Alle drei werden in DTS-HD Master Audio 2.0 präsentiert und klingen zufriedenstellend gut. Für Freunde des italienischen Originaltons sind italienische, deutsche und englische Untertitel anwählbar. Dem Label ist somit wieder einmal eine klasse Veröffentlichung eines recht guten Italo-Western gelungen, der seine Geschichte auf teilweise ziemlich brutale Art und Weise erzählt. Hier dürfte kein Genre-Liebhaber bzw. Sammler drum herumkommen.

Extras und Besonderheiten:

  • Featurette mit Nieves Navarro (ca. 32 Minuten) —> hier lässt sich eine Menge über die Schauspielerin sowie ihre Rollen in italienischen Filmen erfahren
  • ein nachgebauter Trailer
  • 32 seitiges Booklet mit vielen Bildern und Texten von Leonhard Elias Lemke —> hier kann man so einiges an Informationen zum Film, Florestano Vancini, die Autoren und Geldgeber, Giuliano Gemma, Francisco Rabal sowie Nieves Navarro nachlesen
  • Audiokommentar mit Leonhard Elias Lemke —> hier wurde, wie von Herrn Lemke bereits gewohnt, ein sehr interessanter sowie informativer AK eingesprochen
  • Bildergalerie
  • dt. Kinofassung in HD (knapp 20min kürzer als die ungekürzte Version)
  • 2 Cover-Varianten (jeweils auf 1000 Stück limitiert)

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  • Seitenverhältnis: 16:9 – 2.35:1
  • Alterseinstufung: ‎Freigegeben ab 18 Jahren
  • Regisseur: ‎Vancini, Florestano
  • Medienformat: ‎Breitbild
  • Laufzeit: ‎2 Stunden und 2 Minuten
  • Darsteller: ‎Gemma, Giuliano, Navarro, Nieves, Rabal, Francisco, Giorgelli, Gabriella, San Martin, Conrado
  • Untertitel: ‎Deutsch, Englisch, Italienisch
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Italienisch
  • Studio: ‎Explosive Media

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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