Der Marschall des Teufels / El mariscal del infierno / The Devil’s Possessed

Der aristrokratische Hauptmann Gaston de Malebranche kehrt nach vier Jahren britischer Gefangenschaft zurück in seine Heimat. Wenige Stunden nach seiner Ankunft gerät er in einer Taverne mit einigen Schergen aneinander. Zu seiner Verwunderung waren es Soldaten von Baron Gilles de Lancre, dem gefürchteten Marschall und machtbesessen Feldherren, mit dem er einst Seite an Seite auf dem Schlachtfeld kämpfte. Die Einwohner berichten Malebranche, dass sich das Land während seiner Abwesenheit radikal verändert hat und brutale Gewalt an der Tagesordnung ist. Vom Vorfall in der Taverne unterrichtet lädt Baron Lancre seinen ehemaligen Freund zu sich ein und offenbart ihm sein größtes Geheimnis: Mit Hilfe eines zwielichtigen Alchemisten will er die unendliche Macht erhalten und den amtierenden König vom Thron stürzen. Angestiftet von okkulten Mächten kann sein Plan nur aufgehen, wenn das Blut von sieben Jungfrauen in Strömen fließt. Angewidert von dem unmenschlichen Vorhaben, schließt sich Malebranche einer Bande von Rebellen an, die den teuflischen Plan des Barons durchkreuzen wollen. Es kommt zu einem unausweichlichen Duell zwischen Gut und Böse, das nur eine Seite gewinnen kann. (Subkultur Entertainment)

Paul Naschy, das thespianische Alter Ego des Autors und Regisseurs Jacinto Molina, wird oft als „der Lon Chaney Spaniens“ bezeichnet. Diese Bezeichnung präsentiert sich noch dazu angemessen mehrdeutig, denn in seiner beliebtesten Figur, dem gequälten Werwolf Waldemar Daninsky, wandelt Naschy eindeutig in den dornigen Fußstapfen von Lon Chaney Jr., während seine erbärmlichen Grotesken in anderen Filmen, wie El jorobado de la Morgue (Die Stunde der grausamen Leichen, 1973), eher in der Tradition von Lon Chaney Sr. stehen. Je mehr Molina Naschy über den konzeptuellen Bereich des klassischen Universal-Monster-Mythos hinausführte, ähnelte sein gesamtes Werk mehr dem breiteren Rollenspektrum des älteren Chaney. Molina schrieb das Drehbuch für das mittelalterliche Abenteuer des Regisseurs Leon Klimovsky und schuf sich die Art von Rolle, die Chaney Sr. in den Tagen des Stummfilms gespielt haben könnte, wenn auch mit einem moderneren Schwerpunkt auf satanischem Sleaze.

Ein amerikanischer Distributor betitelte El mariscal del infierno mit The Devil’s Possessed neu, um das Satansfieber der Siebziger nach Der Exorzist (1973) auszunutzen und jeder Annahme zuvorzukommen, es könne sich bei Der Marschall der Hölle um einen Spaghetti-Western handeln. Im mittelalterlichen Europa war ein Mariscal / Marschall ein hochrangiger Militärbeamter und Teil des königlichen Haushalts. Ein solcher Mann war Gilles de Lancre (Paul Naschy), eine fiktive Mischung aus Macbeth und Gilles de Rais, der sich zu Beginn des Films, nach einem Besuch beim König, als Herr seines Schlosses sowie der nahen Umgebung ins Privatleben zurückziehen möchte. Er ist etwas verärgert darüber, dass er nicht die Anerkennung vom König bekommt, die er seiner Meinung nach verdient hätte und nicht die Art von Größe erreichen kann, die er für seine Bestimmung hält. In seinem Ruhestand hofft er nun, als ein Mann der Wissenschaften berühmt zu werden.

Zu diesem Zweck hat seine Frau Georgelle (Norma Sebre) „den größten Alchemisten aller Zeiten“ in den Lancre-Haushalt geholt. In der Rolle der Lady Macbeth ermutigt die anscheinend verwirrte Georgelle ihren Mann Gilles, dem Alchemisten jeden Wunsch zu erfüllen, damit der das große Projekt vollenden kann, nämlich den ars magnus, auch bekannt als der Stein der Weisen, zu synthetisieren. Sollte dies gelingen, würde Gilles (der unter der Fallkrankheit leidet) würdig sein über ganz Frankreich zu regieren. Ein solches Projekt erfordert selbstverständlich immense sowie kostspielige Ressourcen, einschließlich des Blutes von Jungfrauen, die Satan geopfert werden sollen. Gilles schreckt etwa dreißig Sekunden lang vor dieser Idee zurück, bevor er von seinem Frauchen dazu überredet wird, den ersten Mord anzuordnen. Von diesem Punkt an wird de Lancre zum Marschall des Teufels und zum Schrecken seines Herrschaftsbereichs.

Der Held der Geschichte, Gaston de Malebrache (Guillermo Bredeston), zu einem Teil Lord Banquo (Gilles‘ alter Mitstreiter) und zum anderen Teil Robin Hood (die „der Adelige verwandelt sich in den Rebellischen“ Version), kehrt gerade aus der englischen Kriegsgefangenschaft nach Hause zurück. Zunächst muss er einen Angriff von Bauern abwehren, nur um zu erfahren, dass es sich nicht um Banditen handelt, die Reiche überfallen, sondern um Rebellen, die ihn für einen Boten des Tyrannen de Lancre gehalten haben. Gaston kann nicht glauben, dass es sich dabei um seinen alten Kriegskameraden Gilles handeln soll und macht sich auf den Weg, um Nachforschungen anzustellen. Nachdem er ein paar von Gilles‘ Schlägern in einer Taverne abgeschwartet hat (in der anscheinend ein Trampolin versteckt gehalten wurde, auf dem unser Held im Douglas Fairbanks-Stil umherhüpfen kann), begrüßt Gilles selbst seinen alten Kumpel als Gast auf seinem Schloss, doch Georgelle drängt ihn sich der „Gefahr“ in ihrer Mitte zu entledigen. Gaston entkommt dem Mordversuch, flieht und schließt sich den Rebellen an, die nun nach dem Tod ihres ursprünglichen Anführers von Gastons attraktiver Cousine Graciela (Graciela Nilson) angeführt werden. Die hilft ihm dabei das natürliche Misstrauen der Bauern gegenüber einem anderen Adligen überwinden zu können.

Daraufhin ziehen die de Lancres und Malebraches gegeneinander in den Krieg, wobei Gaston zuerst zu punkten vermag, indem er verkleidet gegen Gilles in einem Ritter-Turnier antritt und ihm währenddessen mit seiner Lanze ein Auge ausstößt. Von da an geht es für de Lancre mental rapide bergab. Im Delirium lässt ihn das Jammern seiner Opfer nicht mehr los, woraufhin er beginnt seine bösen Taten zu bereuen, nur um als Nächstes ein Massaker an einer Gruppe von Mönchen anzuordnen, weil einer von ihnen es gewagt hat Gilles für seine Verbrechen anzuklagen. Frustriert über die wiederholten Misserfolge des Alchemisten (und vielleicht endlich erkennend, dass der alte Mann ein Betrüger ist), tötet er den Spinner, führt sein Regime der Folter und Menschenopfer jedoch weiterhin fort, überzeugt davon, auch ohne magisches Fachwissen an den ars magnus herankommen zu können. Als er im Showdown letztendlich gegen Gaston antritt, ist er bereits felsenfest davon überzeugt, dass er der Allergrößte ist, was ihn unsterblich und unbesiegbar machen sollte. Molinas Drehbuch und Klimovskys Regie leiden leider etwas unter einem Ungleichgewicht, was sich nicht vermeiden lässt, wenn der Star des Films den Bösewicht spielt. Ihre Melange aus Macbeth und Robin Hood gestaltet sich ziemlich umständlich, da nur einer der beiden der dominierende Charakter sein kann. Am Ende erweist sich der Robin Hood des Films, Gaston, als eine langweilige sowie demonstrativ tugendhafte und wohlerzogene Person, deren rebellische Anziehungskraft durch das transgressive Charisma des Bösewichts untergraben wird. Die Macher haben dies wahrscheinlich noch rechtzeitig erkannt und waren deshalb wohl fest entschlossen, Gilles nicht von Gaston im Zweikampf besiegen zu lassen.

Stattdessen führt Gilles einen entscheidenden Schlag aus und ist bereit seinen Feind endgültig zu erledigen, als der Rest der Rebellen plötzlich auftaucht. Sobald sie Gilles umzingelt haben, weiß das Publikum, dass es eine Hommage an Kumonosu-jô (Das Schloss im Spinnwebwald, 1957) mit Naschy als „mifunischem“ menschlichen Nadelkissen zu erwarten hat. Das Spaßige an Naschy ist jedoch, dass sich seine Hommagen oftmals als vielschichtig erweisen und mehr als nur einen Einfluss aufzuweisen haben. Molina war ein Meta-Autor, wobei das Erkennen seiner Hommagen zum Unterhaltungswert seiner Filme beiträgt. Auch hier enttäuscht er nicht. Gilles trotzt seinen Feinden und warnt sie, er halte den ars magnus in seiner geballten Faust, mit der er sie alle vernichten und die Welt erobern will. Er öffnet seine Faust – und – da befindet sich nichts in seiner Hand. Schnell erkennt man dann die Szene aus Phantom der Oper wieder, in der Erik auf der Brücke eingeschlossen ist und seine Verfolger mit einer Minibombe bedroht, nur um dann seine leere Hand zu öffnen und manisch zu lachen. Im Gegensatz zu Erik glaubt Gilles in seinem letzten Wahn tatsächlich er habe eine Superwaffe zur Hand, wobei der Moment sowie die Geste Naschys Verbeugungen vor Lon Chaney Sr. und Rupert Julian repräsentieren.

IMDb gibt die Laufzeit von El mariscal del infierno mit 95 Minuten an, während die Edition von Subkultur Entertainment Der Marschall des Teufels auf respektable 89 Minuten kommt. Was mit den fehlenden sechs Minuten geschehen ist, bleibt unbekannt und wird wohl weniger mit dem Unterschied zwischen einer „bekleideten“ und einer „unbekleideten“ Version (die ja damals des Öfteren angefertigt wurden) zu tun haben. Was jedoch schon sehr bald auffällt ist, dass die Subkultur Entertainment Edition einen bemerkenswerten Mangel an Nacktheit aufzuweisen hat und zwar in einem Film, der mit weiblichen Opfern für Satan und attraktiven Euro-Schauspielerinnen geradezu prädestiniert dazu war eine Menge an weiblicher frontaler Nacktheit zu präsentieren. Insgesamt hat der Film einen angemessen schmuddeligen Look zu bieten, der typisch für die realistischere, wenig romantische Darstellung des mittelalterlichen Europas ist, die mindestens bis zur Zeit von The Lion in Winter (Der Löwe im Winter, 1968) zurückreicht. Es würde sich nicht als verwunderlich erweisen, wenn bei diesem Streifen mehr Geld für Kostüme als für Statisten ausgegeben worden wäre, denn die sehen allesamt prächtig aus, wobei sich der Augenklappen tragende Gilles des letzten Abschnitts einen Platz in der Naschy Hall of Fame verdient. Selbst die Kinematographie kommt in einer zugegebenermaßen kompromittierten Präsentation ordentlich rüber. In einigen Szenen in der Banditenhöhle kann man bemerken, wo so etwas wie ein Caravaggio-Look angestrebt wurde.

Der Marschall des Teufels ist aufgrund des Ungleichgewichts zwischen Naschy und seinen Co-Stars letztendlich als etwas weniger als die Summe seiner Teile zu beschreiben. Hat man Naschy als Bösewicht, möchte aber das Publikum für den Helden begeistern, so braucht man einen, der aus besserem Holz geschnitzt ist als Guillermo Bredeston und man sollte wahrscheinlich auch das Skript abändern, um den Helden zuerst vorzustellen. In der finalen Analyse macht Naschys Hervorhebung (ganz zu schweigen von der Betonung auf Menschenopfer und Folter) aus Der Marschall des Teufels letztendlich eher einen Horrorfilm als ein romantisches Abenteuer; der recht nahe an Rowland V. Lees volatilen Genre-Mix Tower of London (Der Henker von London, 1939) herankommt. Auf jeden Fall lässt sich Der Marschall des Teufels für seine Ambitionen bewundern, auch wenn diese nicht vollkommen erreicht werden.

Subkultur Entertainment veröffentlicht Der Marschall des Teufels als Nummer 10 im Rahmen ihrer Paul Naschy – Legacy of a Wolfman Reihe und bringt diese somit zum Abschluss. Es handelt sich dabei um eine tolle Blu-ray und DVD-Combo, die ihre Blu-ray Deutschlandpremiere feiert, auf 1.500 Stück limitiert ist und erstmals in einer deutschen Synchronfassung erscheint. Das Bild wird uns im 1.85:1 (1080p, 23.976, AVS) Format (DVD 1.85:1 / 16:9 anamorph, PAL) präsentiert, ist sehr gut restauriert worden und lässt kaum Raum für Meckereien. Der Ton bietet mit der deutschen und der spanischen zwei Spuren (DTS-HD Master Audio 1.0; Dolby Digital Mono), die beide angenehm zu hören sind. Hierfür können deutsche Untertitel zugeschaltet werden. Als Extras beinhaltet die Combo ein 22seitiges Booklet mit dem Titel „Der Baron beliebt zu Fechten oder Gilles de Rais light“ mit interessantem sowie informativem Text von David Renske, der auch noch ein Interview mit Sergio und Bruno Molina geführt hat (Speaking with the Wolfpack), das sich ebenfalls als enorm lesenswert erweist. Die tolle Veröffentlichung kommt in einem ansprechend gestalteten Papp-Schuber daher und hat auch ein unterschiedliches Covermotiv zu bieten.

Weitere Extras:

  • Open Matte Version 1.37:1 (Open Matte) (1080p, 23.976, AVS) [BD only]
  • Vorwort von Sergio Molina
  • The Naschy Cave —> es gibt schon „verrückte“ Sammler 🙂
  • Spanischer Trailer
  • Englischer Trailer
  • Englische Anfangs- und Endtitelsequenzen

Bei Subkultur Entertainment oder Amazon bestellen

  • Seitenverhältnis: 16:9 – 1.85:1
  • Alterseinstufung:‎ Nicht geprüft
  • Regisseur: Klimovsky, Leon
  • Medienformat: Letterbox
  • Laufzeit: 1 Stunde und 29 Minuten
  • Darsteller: Naschy, Paul, Molina, Mariano Vidal, Sebre, Norma, Bredeston, Guillermo, Nilson, Graciela
  • Untertitel: ‎Deutsch
  • Studio: Subkultur Entertainment

Das Bildmaterial stammt nicht von dieser Edition !!!

Damit ist die Paul Naschy – Legacy of a Wolfman – Box vervollständigt !!!

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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