Der Schwanz des Skorpions / La coda dello scorpione / The Case of the Scorpion’s Tail
Nach dem dramatischen Tod von Kurt Baumer hat dessen Frau Lisa scheinbar ausgesorgt. Die Summe von einer Million Dollar, aus der Lebensversicherung ihres Mannes, soll so schnell wie möglich an sie ausgezahlt werden. Doch das Glück ist nicht von langer Dauer… Der bestialische Mord an Lisas drogensüchtigem Ex-Liebhaber zwingt die junge Witwe zur Flucht nach Athen. Die Versicherungsgesellschaft hat bereits ihren besten Mann, Peter Lynch, auf den Fall angesetzt, und wittert hinter Lisas Flucht einen geplanten Betrugsversuch. Der Verdacht bestätigt sich, als Kurt Baumers Frau aus erster Ehe in Athen auftaucht, und Lisa des geplanten Mordes beschuldigt – ebenso mit dem Hintergedanken das Geld einzustreichen. Doch damit nicht genug, ein Mörder mit schwarzen Handschuhen und einem todbringenden Messer dezimiert nach und nach das gesamte Umfeld um Lisa Baumer. Peter Lynch steht vor einem Rätsel… Wer ist der Mörder? Dreht es sich wirklich nur um das Erbe von Kurt Baumer? (filmArt)
Sergio Martinos zweiter Giallo repräsentiert eine ziemlich unausgeglichene Angelegenheit. Die Handlung ist etwas stockend angelegt, mit zu vielen Abschweifungen, um sich mit den szenischen Schauplätzen in England und Griechenland renommieren zu können. Sie führt allerdings zu einem befriedigenden und überraschenden Ergebnis und enthält zusätzlich noch einige denkwürdig fiese murder-set-pieces. Der Schwanz des Skorpions war Teil des Trends, die italienische „Identität“ dieser Filme zu verschleiern, indem die Handlung an „fremden“ Orten wie England, Spanien, Griechenland etc. stattfand, sofern es nicht Italien war. Es ist kaum zu glauben, dass dies jemals jemanden wirklich zum Narren gehalten hat, besonders angesichts der großen Anzahl italienischer Namen im Abspann. Es sollte jedoch eine übliche Taktik für viele Gialli über die nächsten Jahre werden. Das Blatt wendete sich später in den 70er Jahren, obwohl es natürlich noch bemerkenswerte Ausnahmen geben würde, einschließlich Lucio Fulcis Der New York Ripper (1982). Ernesto Gastaldis Drehbuch ist typischerweise gut aufgebaut und endet logisch – selbst der Titel macht Sinn, sobald der Film zu ende ist – aber laut eines Interviews mit Sergio Martino lief der Originalschnitt ein wenig zu kurz, weswegen es notwendig war, ein paar weitere Szenen hinzuzufügen, um die Laufzeit zu erhöhen.
Dies könnte erklären, warum sich das Tempo irgendwie komisch anfühlt. Es sind zwar einige gewaltige Spannungsschübe vorhanden, doch ein Großteil des Films scheint ein wenig zu langsam und lustlos inszeniert worden zu sein. Den Charakterisierungen fehlt es an Tiefe, was auch einige der Probleme des Films erklärt. Während sich Gastaldis andere Thriller fokussierter gestalten und es einem erlauben, sich mit einem bestimmten Charakter zu identifizieren, ändert sich die Sichtweise dieses Films zu oft. Wir folgen zunächst der Figur von Lisa, dann konzentriert sich der Streifen auf Peter und schließlich auf den Journalisten Cléo Dupont. Das Problem ist, dass keiner dieser Charaktere so gut entwickelt ist, wie man es gerne haben würde, mit der möglichen Ausnahme von Peter. Insofern gestaltet es sich als schwierig sich auf dramatischer Ebene wirklich auf die Geschichte einzulassen, auch wenn es einige beeindruckende Sequenzen gibt, die im Gedächtnis hängenbleiben. Martinos Regieführung reicht von funktionalem bis hin zum aufregenden Stil. Der wird während der Mordszenen nämlich wirklich lebendig und maximiert deren Wirkung mit einigen schockierenden Verbindungen von Sadismus und Blut.
Die Szenen, in denen polizeiliche Ermittlungen stattfinden, schreien jedoch „Füller“, wobei die Romanze zwischen Peter und Cléo zu willkürlich angelegt wurde, um vollständig überzeugen zu können. Im letzten Akt geht es allerdings deutlich bergauf, während der Film dank der raffinierten Kinematografie von Emilio Foriscot verdammt gut aussieht. Bruno Nicolai steuert ebenfalls erstklassige Filmmusik bei. Die Besetzung wird von George Hilton angeführt, der als Versicherungsermittler in die Morde verwickelt ist. Hilton hatte seinen ersten Kontakt mit einem Giallo in Il dolce corpo di Deborah (Der schöne Körper der Deborah, 1968) und wurde in den 70er Jahren zu einer Art „Genre“-Zubehör. Er war geschickt darin zynische Playboys zu spielen und konnte sich genauso gut an schurkische sowie an heldenhafte Rollen anpassen. Hilton liefert eine gute Leistung ab und hilft einige Charakterisierungsmängel, dank seiner soliden und charismatischen Präsenz, auszugleichen. Cléo wird von der schönen Anita Strindberg in ihrer ersten von vielen Giallo-Vorstellungen gespielt. Strindberg ist mit einem Charakter „gesegnet“, der erst relativ spät in den Prozess eintritt und dann die Rolle der „Dame-in-Not“ übernehmen soll. Sie verrichtet kompetente Arbeit, sollte sich aber in Martinos Your Vice is a Locked Room and Only I Have the Key (1972) noch viel besser zurechtfinden.
Strindberg wurde 1943 in Schweden geboren. Aus einigen Quellen geht hervor, dass sie ihre ersten Filme als Teenager in Schweden drehte, unter dem Namen Anita Edberg. Sollte dies jedoch wirklich der Fall gewesen sein, so wäre sie in den 60er Jahren inaktiv gewesen und 1971 zum italienischen Film gewechselt. Mehr als wahrscheinlich gab sie ihr Filmdebüt im Jahr 1971, mit aufeinander folgenden Auftritten im vorliegenden Film und Lucio Fulcis A Lizard in a Woman’s Skin. Sie trat in einer Reihe italienischer Genrefilme auf, darunter die Gialli Chi l’ha vista morire? (The Child – Die Stadt wird zum Alptraum, 1972) und Follia omicida (Murder Obsession, 1981) bevor sie in den frühen 80er Jahren heiratete und sich zu einem häuslichen Leben niederließ. Die Nebenbesetzung umfasst solche Giallo-Veteranen wie Janine Reynaud Più tardi Claire, più tardi… (Run, Psycho, Run, 1968), Luigi Pistilli (Un bianco vestito per Marialé, 1972) und Alberto De Mendoza Una sull’altra (Nackt über Leichen, 1969). Der vielbeschäftigte italienische Charakterdarsteller Fulvio Mingozzi erscheint als verstorbener Kurt Baumer, der auf einigen Fotos zu sehen ist, die als Set-Dekor verwendet werden.
Regisseur Sergio Martino wurde 1938 in Rom geboren. Der Bruder des Produzenten Luciano Martino war Anfang der 60er Jahre Regieassistent; in dieser Funktion assistierte er Mario Bava bei La frusta e il corpo (Der Dämon und die Jungfrau, 1963), einem Film, der von seinem Bruder mitproduziert wurde. 1969 debütierte er als Regisseur mit zwei „Mondo“ -Dokumentationen: Mille peccati… nessuna virtù (Wages of Sin) und America così nuda, così violenta (Naked and Violent). Mit dem Giallo beschäftigte er sich ab 1971 mit Lo strano vizio della signora Wardh (Der Killer von Wien) und führte bis in die 90er Jahre Regie bei einer Reihe von Filmen dieses filone. Martino arbeitete mit allgemeinem Erfolg in verschiedenen Genres, darunter Dystopischer Sci-Fi 2019 – Dopo la caduta di New York (Fireflash: Der Tag nach dem Ende, 1983), poliziotteschi Milano trema: la polizia vuole giustizia (The Violent Professionals, 1975) Italo-Westerns (Mannaja – Das Beil des Todes, 1977) und Horror L’isola degli uomini pesce (Insel der neuen Monster, 1979) und so weiter. In den 80er Jahren war er wie so viele seiner Zeitgenossen vom Niedergang der italienischen Filmindustrie betroffen und begann mehr fürs Fernsehen zu arbeiten. Er bleibt bis heute sporadisch aktiv.
Der Schwanz des Skorpions ist bei filmArt im Rahmen ihrer Giallo Edition als Nummer 2 erschienen, wobei die Veröffentlichung auf 1000 Stück limitiert ist. Das Bild wird im 2.35:1 anamorphen Format (BluRay 1080p/23.976fps) präsentiert und weiß durchaus zu überzeugen, da man erkennen kann, wie gut es restauriert worden ist. Es liegt deutscher (Video- und Kinosynchronisation) und italienischer Ton in Dolby Digital 2.0 Stereo (BluRay DTS-HD Master Audio 1.0) vor, wobei man wahlweise deutsche Untertitel zuschalten kann. Die Extras bestehen aus einem Booklet-Text von Rochus Wolff (nur DVD), einem interessanten Featurette mit Sergio Martino, einer umfangreichen Bildergalerie mit seltenem Werbematerial sowie den deutschen, italienischen und englischen Kinotrailern und deutschem Vor- und Abspann. Die Veröffentlichung kann wieder einmal als äußerst gelungen bezeichnet werden und wir freuen uns schon auf die nächsten VÖs aus dem Hause filmArt.
Darsteller: George Hilton, Luigi Pistilli, Ida Galli, Janine Reynaud, Anita Strindberg
Regisseur(e): Sergio Martino
Format: Breitbild
Untertitel: Deutsch
Region: Region B/2
Bildseitenformat: 16:9 – 2.35:1
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Studio: filmArt
Produktionsjahr: 1971
Spieldauer: 96 Minuten
Leider war es uns nicht möglich screenshots anzufertigen !!!
Diese DVD bzw. BluRay wurde uns freundlicherweise von filmArt zur Verfügung gestellt.
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