Der Stachel / Der Dreh mit dem Millionencoup / Gli amici di Nick Hezard / Nick the Sting

Alles läuft wie geplant bis der Amerikaner (Lee J. Cobb) auftaucht. Er ist der Größte in der Unterwelt, auch genannt der König. Nick der Stachel, ein kleiner Ganove, kommt ihm jedoch auf die Schliche, als er seine eigenen Juwelen rauben lassen will, um von der Versicherung Entschädigung zu kassieren. Der Amerikaner will ihn beiseite schaffen lassen, doch Nick legt ihn hinein, indem er ein falsches Gefängnis bauen lässt. Freunde werden als Polizisten verkleidet und der Amerikaner wegen angeblichen Mordes festgenommen. Entführungen, Intrigenspiele, Verfolgungsjagden … werden Nick und seine Bande es schaffen den Amerikaner zu bezwingen? (Cineploit Records)

Kurzinhalt inkl. Spoiler !!!

Zürich, Schweiz. Der junge Nick Hezard (Luc Merenda) – Sohn eines wohl bekannten, doch bereits verstorbenen Hochstaplers – ist ein kleiner Betrüger, der seinem „großartigen“ Vater gegenüber vollkommen unwürdig ist. Gangsterboss Robert Clark (Lee J. Cobb) bietet Nick (auf unbeabsichtigte Art und Weise) jedoch die Gelegenheit seinem Vater nachzueifern. Nachdem er den jungen Mann dazu benutzt hat eine Versicherungsgesellschaft mit einem vorgetäuschten Juwelendiebstahl hinters Licht zu führen, versucht der „Amerikaner“ Nick aus dem Weg zu räumen. Um sich an Clark rächen zu können – der auch einen seiner Freunde auf dem Gewissen hat – konzipiert Hezard mit der Unterstützung von erfahrenen Trickbetrügern einen ausgeklügelten Plan. Um diesen erfolgreich umsetzen zu können, prellt er den Verbrecherboss zunächst um 200.000 Schweizer Franken Schutzgeld. Von seinem Opfer finanziert, lässt Nick den „König“ nun von falschen Polizisten verhaften (unter der Anklage eines Mordes, der nie stattgefunden hat) und in eine nachempfundene Polizeistation überführen, wo er von einem falschen Richter schließlich freigelassen wird. Allerdings ist es Clark nur erlaubt nach Venezuela zu flüchten, wenn er die vier Millionen Franken aus dem Versicherungsbetrug rausrückt. Clark tappt Hals über Kopf in die Falle und verliert nicht nur das Geld, sondern auch den Schmuck.

Bei Gli amici di Nick Hezard – der nach La città sconvolta: caccia spietata ai rapitori (Auge um Auge, 1975) gedreht wurde – handelt es sich (direkt ausgedrückt) um eine weitere „Leiharbeit“ für Fernando Di Leo. Darüber hinaus musste der Regisseur mit einem bereits bestehenden Drehbuch zu Recht kommen, das von Alberto Silvestri geschrieben und von George Roy Hills The Sting (Der Clou, 1973) inspiriert (um eine sanfte Umschreibung zu verwenden) worden war. Laut Di Leo soll das Drehbuch zwar ziemlich gut gewesen sein, stellte den Regisseur dafür aber vor ein paar andere große Probleme. Es würde zu viel kosten, um es so verfilmen zu können, wie es geschrieben wurde und brauchte dringend einen charismatischen Hauptprotagonisten. Wohingegen Di Leo weder Robert Redford noch Paul Newman zur Hand hatte, sondern mit Luc Merenda vorlieb nehmen musste – der damals zwar durchaus beliebt war, aber eher ein charmantes Gesicht, als einen wirklich guten Schauspieler repräsentierte, vor allem in anderen Rollen als seiner Routine des harten Polizisten.

Die Dreharbeiten zu Der Stachel wurden somit zu einer Tortur, wie sich Di Leo erinnert: Merenda war der Aufgabe nicht gewachsen, während die von Silvestri geschriebenen Szenen auf Zelluloid nicht so gut rüberkamen wie auf dem Papier. Der gesamte Plot wurde immer banaler, wobei das schöne Drehbuch von Tag zu Tag mehr auseinander fiel. Di Leo beobachtete die Hast, in der gearbeitet werden musste, mit Argwohn und ihm war gleichzeitig bewusst, dass er keinen guten Film machen würde. Er war traurig und es tat ihm leid aber er konnte einfach nichts dagegen tun. Das größte Problem bestand allerdings darin, dass die Produktion viel Geld brauchte, um den Film so zu drehen, wie Silvestri ihn geschrieben hatte. Doch die wirtschaftliche Kraft, die hier so dringend von Nöten war, konnte nicht aufgebracht werden (Curti, Roberto. Italian Crime Filmography 1968 – 1980, North Carolina: McFarland, 2013, Seite 187).

Di Leo war jedoch pragmatisch genug, um zu wissen, was getan werden musste, um den Film noch zu retten. Er machte aus der Not eine Tugend und begann den Film Szene für Szene um zu schneiden, während die Dreharbeiten weitergingen, wobei er die besten Sequenzen eliminierte (bedeutet, die, die teuer und komplex zu drehen waren) und Merendas Rolle reduzierte, indem er dem Rest der Besetzung mehr Platz einräumte. Was jedoch von Silvestris Skript übrig blieb, waren nur noch Knochen mit sehr wenig Fleisch. Die Schauspieler, obwohl ziemlich prestigeträchtig, kommen zu wenig zur Geltung. Als x-ter amerikanischer Boss (der dieses Mal hineingelegt und nicht getötet wird) in Di Leos Filmographie, ist Lee J. Cobb ganz klar nur wegen des Geldes an Board und macht nicht viel aus einer Rolle, die von Robert Shaws Part in George Roy Hills Film fotokopiert wurde. Cobb starb im Februar 1976, zwei Monate vor der Veröffentlichung des Films.

Gabriele Ferzetti tut sein Bestes – als Nicks Kumpel Maurice – um die Mängel seines Partners auszugleichen, während Valentina Cortese als Nicks Mutter Regina gackert, wild gestikuliert und mit den Augen rollt, wann auch immer sie auf dem Bildschirm auftaucht. Gleichzeitig werden Luciana Paluzzi, Dagmar Lassander, Isabella Biagini, Fred Williams und William Berger mehr oder weniger verschwendet. Obwohl Der Stachel ganz nett anzuschauen ist, sind am Ende zu viele Handlungslöcher und Ungereimtheiten in einem Erzählmechanismus vorhanden, der dringend die Präzision eines Schweizer Uhrwerks benötigt, um zu funktionieren. Di Leo versucht sein Möglichstes mit dem ihm zur Verfügung gestellten Material und greift oft auf verschiedene Split-Screen Variationen zurück, um die Budgetbeschränkungen verschleiern zu können, wobei wenigstens eine Szene seinem Ruf gerecht wird.

Bei dieser Szene handelt es sich um die, in der Hezard so etwas wie einen Film-im-Film arrangiert, um Clark übers Ohr zu hauen, der von zwei falschen Polizisten für eine Untersuchung an einen Tatort gebracht und dabei von einer Reel-Kamera und Paparazzi umzingelt wird. Nicks Trick täuscht gleichzeitig auch die Menschenmenge, die die Szene beobachtet sowie glauben gemacht wird, dass sie an echten Dreharbeiten teilnimmt und der Anweisung folgt, sich entsprechend zu verhalten (der falsche Filmregisseur wird von Di Leo selbst dargestellt), so dass Clarks Täuschung als komplett bezeichnet werden kann. Auf diese Art und Weise spielt der Regisseur mit den Grenzen zwischen „Realität“ (Nicks Betrug) und „Fiktion“ (dem „vorgetäuschten“ Film, der tatsächlich im „echten“ Film Der Stachel gedreht wird) inklusive angenehmen metafilmischen Implikationen.

Extras und Besonderheiten:

  • Enter the Merenda: Interview mit Luc Merenda (Laufzeit: 36 Minuten)
  • europäische 2K Blu-ray Premiere!
  • Featurette Lee J. Cobb Teil zwei von Mike Malloy
  • internationale Bildergalerie
  • alternative deutsche Titelsequenz
  • italienischer Trailer
  • Hardcover Mediabook mit partieller Veredelung
  • 28 Seiten Booklet mit einem Essay von Udo Rotenberg auf Deutsch und Englisch veredelt mit internationalem Werbematerial
  • doppelseitiges Poster mit italienischem Motiv und dem deutschen VHS-Cover
  • zwei verschiedene Covervariationen (italienisches Locandina / deutsches VHS-Cover) in einer nummerierten & limitierten Auflage von 350/350 Stück (komischerweise wurde unser Exemplar mit der Nummer 454 ausgezeichnet !?)

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Seitenverhältnis: ‎1.85:1, 1080p
Alterseinstufung: Nicht geprüft
Regisseur: ‎Di Leo, Fernando
Laufzeit: 1 Stunde und 37 Minuten
Darsteller: ‎Merenda, Luc, Cobb, Lee J., Ferzetti, Gabriele, Paluzzi, Luciana, Lassander, Dagmar
Untertitel: ‎Deutsch, Englisch
Sprache: ‎Italienisch (DTS-HD 2.0), Englisch (DTS-HD 2.0), Deutsch (DTS-HD 2.0)
Studio: ‎Cineploit Records

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Die Screenshots stammen selbstverständlich nicht von dieser Edition !!!

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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