Desierto

Desierto heißt der minimalistische Überlebensthriller von Jonás Cuarón, dem vielversprechenden Sprössling von Alfonso Cuarón (Gravity), der den Film koproduzierte. Mit Gael García Bernal (Y Tú Mama También) und Jeffrey Dean Morgan (The Salvation) in den Hauptrollen weiß der grimmige Reisser zu überzeugen, den ich auf dem Fantasy Film Fest erleben konnte.

Irgendwo an der Mexikanisch-Amerikanischen Grenze hat der Truck einer Schleuserbande eine Panne, und die Gruppe illegaler Einwanderer muss sich zu Fuß auf den Weg durch die Wüste machen um heimlich die Grenze in Richtung der Vereinigten Staaten zu überqueren. Einige der armen Seelen, darunter Moises (Bernal), fällt ein wenig zurück und versucht mit samt deren Coyoten (so nennt man die Schleuser) Lobo (Marco Pérez) wieder aufzuholen. Die andere Gruppe ist noch in Sichtweite, als sie Zeuge eines schockierenden Vorfalls werden. Ein bewaffneter Rassist (Morgan) eröffnet auf die Mexikaner das Feuer. Von nun an sind sie auf der Flucht, nicht mehr nur vor was auch immer es für Bedingungen waren, welche die Gruppe zum Auswandern gezwungen hatte, sondern auf der Flucht vor einem menschenverachtenden Abschaum samt Scharfschützengewehr, Truck und Jagdhund. Moises muss sich am Ende um die junge Adela (Aldondra Hidalgo) kümmern und bis aufs Blut kämpfen. Es wird eine Hetzjagd um Leben und Tod, in einer Wüste, die ebenso wenig Gnade hat wie der menschliche Abschaum der die Jagd eröffnete….

Desierto

Jonás Cuarón zeigt hier, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Während sein Vater Alfonso die Filmwelt mit dem minimalistischen Weltraumspektakel Gravity, oder zuvor mit der mitreissenden Dystopie Children of Men, auf sich aufmerksam machte, widmet sich sein Sohn in seinem zweiten Kinofilm mit dem schlicht betitelten Desierto einem schwerwiegenden aktuellen politischen und menschlichen Thema. An die Stelle des lautlosen – schönen und tödlichen – Weltalls tritt hier die – ebenso schöne aber tödliche – Wüste im Grenzgebiet zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den (liest man nicht so oft, ist aber Fakt) Vereinigten Mexikanischen Staaten (übrigens geographisch früher alles einmal Mexiko).

Im Kontext des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf und dem Aufquellen stupider xenophobischer Stimmungslagen schlägt Cuarón hier eine humane Note. Sein Film ist erst auf den zweiten Blick politisch und vermeidet es auch, zu einem Melodram zu werden. Vielmehr handelt es sich eigentlich um einen waschechten Genrefilm, denn Desierto ist eine klassische Hetzjagd und Survival-Thriller mit teils horrorartigen Elementen, wenig Dialogen, einigen derb brutalen Szenen und einer gehörigen Dosis menschenverachtendem Rassismus. Der Film stellt bloß, eigentlich überspitzt er, die unterschwellige Haltung vieler selbsternannter fremdenfeindlicher Grenzwächter, ob nun bewaffnete Zivilisten im Grenzbereich, organisierte Minutemen oder durchschnittliche NRA Hillbillies oder Trump-Unterstützer. Der Film führt einmal vor, welch erschreckende, unmittelbare Auswirkung die verabscheuenswerte politische Haltung hat, der im Diskurs jegliche menschliche Dimension verloren gegangen ist. Die menschenverachtende Exekution des von Jeffrey Dean Morgan gespielten namenlosen Grenzlers ist eine Art Anklage und Mahnung: das ist es, was wir mit der politischen Debatte hier gutheißen.

Desierto

Gleichzeitig ist Desierto auch ein wunderschöner Naturfilm und mitreissendes Abenteuer. Cuarón vergisst trotz der bitteren Thematik nicht, dass Kino dazu da ist, den Zuschauer zu unterhalten. Das macht einen Genrefilm außerdem auch aus. So bietet Desierto nicht nur ruhige Momente, gute Schauspielerleistungen und donnernde musikalische Untermalung, sondern eben auch Schreckensmomente in denen man die Armlehne umklammert, Szenen wo man eigentlich weggucken möchte, und aber auch lohnende Momente und Erleichterung, teils sogar ein paar kleine Portionen Humor. Gael Garcia Bernal, dessen Mitwirkung den Film mit Sicherheit auch erst ermöglicht hat, spielt außerdem angenehm bescheiden und realistisch den Protagonisten, der zwar am Ende so etwas wie ein tragischer Held wird, aber sich erst zögerlich in der Rolle des Helfers wohl fühlt. Auch das ist eine sehr schöne Feinheit des Films, in dem zwar Stereotypen groß geschrieben werden (was vielfach kritisiert wurde, meines Erachtens aber Absicht ist), aber eben dennoch kein schwarz-weiß. Nicht alle der Immigranten sind Engel, und auch der Killer hat Gefühle. Auch wenn es nie thematisiert wird, so sind Land, Alkohol und Haustier Dinge, an die er sich klammert. Am Ende wird sogar nochmal deutlich, wie sehr er die Wüste eigentlich hasst, und hier weg will. Eine fast schon zu wenig ergriffene Chance der Drehbuchautoren, den Grundlagen des Hasses auf die Schliche zu kommen.

Desierto

Insgesamt hat mich Desierto stark beschäftigt, sehr gut unterhalten, und Spuren hinterlassen. Es is ein glücklicherweise sehr gut produzierter Genrefilm, der sich keine großen Patzer leistet und wunderbar fokussiert ist. Handwerklich einwandfrei, mit unglaublich vielen Details, weiß der Film zu schockieren, zu unterhalten, mitzureissen und zum denken anzuregen. All das ohne dabei vom Genrefilm ins pseudo-intellektuelle Arthouse Kino zu driften oder vordringlich politisch zu werden. Das macht den Film zu einem Nischenprodukt und dafür kriegt er von mir beide Daumen nach oben.


Der andere Film den ich auf dem Festival sehen konnte ist der koreanische Blockbuster Train to Busan, meine Kritik dazu hier.


Update: Der Film wird in Deutschland ohne Schnitte eine „keine Jugendfreigabe“ haben, allerdings wirft man ihn unfairerweise mitte Oktober direkt ins Heimkino.

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Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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