Disjointed

Disjointed ist eine US-amerikanische Comedyserie von Chuck Lorre und David Javerbaum. Die Hauptrolle spielt Kathy Bates. 20 Folgen wurden von Netflix in Auftrag gegeben, von denen zehn am 25. August 2017 als „Teil 1“ auf Netflix zum Streamen bereitgestellt wurden. Am 12. Januar 2018 wurden die restlichen zehn Folgen als „Teil 2“ veröffentlicht. Die im Stile eines Stoner-Movies gehaltene Serie behandelt den Gebrauch von Cannabis als Arzneimittel und Rauschmittel. Im Februar 2018 stellte Netflix die Serie (zurecht) ein.

Auf den allerersten Blick scheint hinter dieser Serie doch eine gewisse Ambition zu stecken, denn der Theme Song stammt aus den späten 30er Jahren (Trixie SmithJack, I’m Mellow, 1938) und enthält so schöne Zeilen wie, I’m so high and so dry, I’m sailin‘ in the sky, Just smoke some gage, come around, babe, Jack, I’m mellow, die von einem ebenso alten Zusammenschnitt von zugedröhnten Amis unterlegt sind (Marihuana, the Weed with Roots in Hell!, 1936). Möchte Disjointed also an eine gewisse US-Tradition anschließen: Das Land hat schon immer gerne gekifft, trotz unnötiger Verbote und einer bescheuerten Kriminalisierung, trotz einem sinnlosen und elenden War on Drugs und intellektueller Zumutungen wie Just say No! ???

 

Obwohl die Marijuana-Legalisierung in Amerika immer weiter voranschreitet (die „weiche Droge“ ist bereits in acht Bundesstaaten legal erhältlich und in weiteren als Arzneimittel zugelassen), sträuben sich die (meisten) europäischen Staaten nach wie vor, die gleichen Wege zu ebnen. Wenigstens ist Cannabis in Deutschland seit 2017 als Medizin freigegeben worden, doch auch hier liegt noch Einiges im Argen und schreit nach dringendem Klärungsbedarf. Man könnte nun stundenlang darüber diskutieren, welche Orientierung die richtige ist. Auf der einen Seite können die Cannabinoide THC (der rauschbewirkende Wirkstoff der Hanfpflanze) und CBD (Cannabidiol: wirkt medizinisch entkrampfend, entzündungshemmend, angstlösend und gegen Übelkeit), verschiedenste Leiden lindern und in der Medizin wahre Wunder bewirken. Andererseits kann der Konsum von Cannabis mit hohem THC-Gehalt (ab 20%) bei manchen Personen auch zu Psychosen führen. Das Gefühl, das man dabei entwickelt, ist alles andere als schön und tragischerweise genau das Gleiche, was Disjointed vermittelt.

Hatte man gehofft Disjointed würde eine innovative Sitcom zum Streaming-Dienst bringen, die mit guten Stoner-Witzen die Legalisierung von Cannabis thematisiert, liegt leider vollkommen daneben. Die Serie mit Kathy Bates in der Hauptrolle ist in erster Linie eine Arbeitsplatz-Comedy, die ebenso gut in einem Lebensmittelladen oder der Praxis eines Physiotherapeuten spielen könnte. Da die völlig überkandidelten Figuren wenig mehr als eine Ansammlung von Klischees, Stereotypen und Neurosen beinhalten, kommt Disjointed freilich ernüchternd schnell an die Grenzen seiner komödiantischen Möglichkeiten. Trotz ihres modernen Aufmachers, der aus grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre erwächst, ist diese Sitcom von der ersten Minute an ein schier unglaublich altmodisches Produkt: Vorhersehbare Witze, über stilisierte, unwirkliche Charaktere, die sich auch dem billigsten Gag unterwerfen müssen und ein weitgehend infantiler Humor lassen diese Produktion wie lieblose Fließbandarbeit aussehen. Was erstaunlich ist: Denn die dramaturgische Grundkonstruktion – eine in die Jahre gekommene Revoluzzerin betreibt ein Marijuana-Geschäft – ist schließlich ein innovativer Ausgangspunkt. Nur, dass Disjointed eben alles andere als innovativ ist, sondern sogar die narrativ überschaubar ausgereiften Joint-Runden aus That 70s Show von vor zwei Jahrzehnten wie ein Juwel der Sitcom-Geschichte aussehen lässt.

Auf Biegen und Brechen wird nämlich mit aller Gewalt versucht, wirklich jeden gängigen Kiffer-Gag mitzunehmen. Von Null-Checker-Szenen, die Dialoge zeigen, die nach Minuten einfach im Sande verlaufen, so wie bei jeder Stoner-Unterhaltung, bis hin zu CGI-Rauchwolken, die auf billigste Weise zeigen sollen, dass auch wirklich überall geraucht wird, hat man absolut keine Mühe gescheut, das Thema auf die plumpste Art zu präsentieren. Und um ja nicht zu vergessen, wie viele dieser Witze es gibt, läuft im Hintergrund durchgehend ein Lach-Tape, das vor Ohren führen soll, wie lustig das Ganze doch eigentlich ist. Am traurigsten stimmt die Erkenntnis, dass das Kiffer-Setting nur zum Zuschauer-Fang genutzt wurde. Es scheint nämlich so, dass keiner der Beteiligten jemals selbst mit Cannabis in Berührung gekommen ist. Das ist natürlich nichts, was es zu bereuen gilt, hier wurde dadurch jedoch lediglich eine Kiffer-Komödie auf die Beine gestellt, die höchstens Nicht-Kiffer wirklich lustig finden können, die sowieso schon auf der Gegenseite der Legalisierung stehen.

Die Serie scheitert an all den Problemen, an denen Sitcoms aus der Feder von Chuck Lorre fast ausnahmslos kranken: Daran, dass sie ihre Figuren lieber zum Spott freigibt, als ihnen menschenfreundlich zu begegnen, dass Gags auch gerne auf Kosten der Charakterentwicklung gehen dürfen, dass kein Witz zu bescheuert ist. Auch wenn man vorher noch schön mediziniert hat: Witzig wird es nicht! Die einzig allein sympathische Figur ist der nette Pete (Dougie Baldwin), der Menschenfreundlichste der Gruppe, der mit immenser Hingabe die qualitativ hochwertigen Marijuana-Pflänzchen züchtet und wenn er mit ihnen spricht, aus unerklärlichen Gründen und zur allgemeinen Belustigung in einen australischen Dialekt verfällt. Dies bemerkt man allerdings nur, wenn man die Serie im Originalton schaut … auf Deutsch ist Disjointed wahrscheinlich überhaupt gar nicht zu ertragen !??!

 

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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