Ein achtbarer Mann / Un uomo da rispettare / The Master Touch

Steven Wallace, ein Einbruchsspezialist, kommt nach zwei Jahren aus dem Hamburger Gefängnis. Noch bevor er seine Frau Anna treffen kann, wird er von Gangsterboss Müller kontaktiert, der ihm einen Einbruch in ein technisch hochgerüstetes Bankhaus vorschlägt, der zwei Millionen Deutsche Mark einbringen soll. Zunächst zögert er, doch nach der Begegnung mit dem Draufgänger Marco entscheidet er sich. (Amazon prime)

Kurzinhalt inkl. Spoiler !!!

Hamburg. Der Meister-Safe-Knacker Steve Wallace (Kirk Douglas), der gerade nach zwei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde, wird von seinem wohlhabenden Ex-Kompagnon Müller (Wolfgang Preiss) vorgeladen. Der will nämlich, dass Wallace einen gefährlichen Einbruch bei der Hamburger Versicherungsgesellschaft durchführt, wo ein hochmodernes Alarmsystem (genannt „Big Ben“) einen Tresor mit über zwei Millionen DM darin schützt. Steve weigert sich jedoch den Job anzunehmen, allerdings nur, weil er plant den Bruch alleine durchzuführen. Es soll der letzte sein, bevor er sich mit seiner Geliebten Anna (Florinda Bolkan) in den Ruhestand zurückzieht. Er verbündet sich mit dem jungen italienischen Akrobaten Marco (Giuliano Gemma), der Steve ein Alibi verschaffen und ihn so vor Müllers Rache bewahren soll, sobald der Job ausgeführt worden ist. Während Steve die Arbeit bei der Versicherungsgesellschaft erledigt, soll Marco den Safe eines Pfandleihers in einem anderen Stadtteil mit Steves Technik knacken. Wallace will sich später von der Polizei festnehmen lassen und wegen des Einbruchs beim Pfandleiher (den er ja gar nicht selbst durchgeführt hat) eine kurze Zeit im Gefängnis verbringen. Nach akribischer Vorbereitung führen Steve und Marco ihre jeweiligen Brüche durch, doch etwas geht schief. Als Wallace Marcos Platz beim Pfandleiher einnimmt, findet er heraus, dass Marco einen Wachmann erstochen hat. Von der Polizei schwer verletzt, steht Wallace dem jungen Mann letztendlich gegenüber und gerade als Anna ohne sie an Bord eines Schiffes geht, erschießt er Marco und ergibt sich der Polizei.

Zwischen den gialli im Argento-Stil und den ersten Beispielen der poliziotteschi verortet, waren die wenigen italienischen Kriminalfilme, die sich offen vom französischen polar beeinflussen ließen, recht dünn gesät. Auch wenn sie an den Kinokassen ziemlich gut abschnitten, stellten sie nur spärliche Kuriositäten am Rande eines Produktionssystems dar (das sich allmählich einem kommerziell tragfähigen Genre entscheidend näherte), nämlich entweder Hybriden oder Vehikel für verblasste amerikanische Stars. Genau das ist der Fall bei Michele Lupos Ein achtbarer Mann, der einen großen US-Star wie Kirk Douglas und einen italienischen wie Giuliano Gemma zusammenbringt. Gemma versuchte neue Wege zu finden, um die italienischen Kinokassen wieder klingeln zu lassen, während der Niedergang des Westerns bereits seinen Lauf genommen hatte. Er würde allerdings nie ein echter poliziotteschi-Star werden und wandte sich Mitte der siebziger Jahre engagierteren Rollen zu. Hier macht er sich in einer genialen Rolle ziemlich gut, die ihn im Wesentlichen den gleichen Part spielen lässt wie in Tonino Valeriis I giorni dell’ira (Der Tod ritt Dienstags, 1967), wo er den jungen naiven Lehrling mimt, der von einer väterlichen Figur (Lee Van Cleef) unterrichtet wird und eine Lektion fürs Leben erteilt bekommt. Letztendlich stehen sich die beiden als Todfeinde gegenüber. Es ist kein Wunder, dass Valerii zunächst selbst an dem Projekt beteiligt war, bevor Lupo berufen wurde, um Regie zu führen.

Der Blickwinkel kehrt sich im Vergleich zu Valeriis Film allerdings um. Während auch hier von einer Vater-Sohn-Beziehung erzählt wird, ergreift Ein achtbarer Mann Partei für den älteren, erfahreneren Wallace, während Gemmas offenes Lächeln und engelsgleiche Züge einer Figur dienen, die am Ende recht schroff ihre dunkle Seite zeigt, nämlich die eines opportunistischen Verräters. Die Beziehung von Wallace und Marco wird daher zu einem Symbol für die Kollision zwischen Kriminellen der „alten Schule“, die sich an die Regeln halten (Wallace trägt niemals irgendeine Art von Waffe bei sich) und solchen der „neuen Schule“, denen es nichts ausmacht, solche Regeln zu brechen.

Der ödipale Aspekt der Handlung wird durch die Figur von Anna (Wallaces Geliebte) verstärkt, die sich unfreiwillig zu dem italienischen Akrobaten hingezogen fühlt. Das Verhältnis zwischen Bolkan und Gemma wird nur teilweise angedeutet, wobei die Frau die eher zaghaften Verführungsversuche des jüngeren Mannes zunächst zurückweist, dann vermutlich seine Geliebte wird, aber – wie sie Wallace am Ende gesteht – hauptsächlich, um ihrem unberechenbaren Leben zu entfliehen, von dem sie mittlerweile genug hat. Es handelt sich dabei um eine ausgesprochen interessante Figur, die sich deutlich von den üblichen femme-fatal Stereotypen unterscheidet und obwohl das Drehbuch ihr nicht viel Raum bereit stellt sich entwickeln zu können, spielt Bolkan ihre Rolle wie immer auf beeindruckende Art und Weise.

Das interessanteste Merkmal des Films stellt jedoch die Art und Weise dar, wie Lupo – der in den 60er Jahren mit Titeln wie Troppo per vivere… poco per morire (Bradock – Drei Unzen Blei zum Fünf-Uhr-Tee, 1967) und dem amüsanten Sette volte sette (Der Coup der 7 Asse, 1968) als ein Spezialist für heist-movies angesehen wurde – der Handlung jegliche Verspieltheit entzieht und sie als ausgeklügeltes Setup benutzt, um die düstere Geschichte von Wallaces Scheitern zu erzählen. Die lange, antiseptische Sequenz im hochmodernen Versicherungsgebäude (im Gegensatz zur eher chaotischen Einrichtung der Pfandleihe) ist mit einigen kleinen Tricks gespickt und spannend sowie so fachmännisch umgesetzt worden, sodass man die Mängel des Drehbuchs vergessen bzw. verzeihen kann. Zum Beispiel bleiben ein paar Details zum Teil ungeklärt und Charaktere geraten einfach so in Vergessenheit, wie Müller, gespielt von Wolfgang Preiss (den man sehr wahrscheinlich als Dr. Mabuse aus der gleichnamigen Filmreihe kennt und auch in den beiden gialli Ein schwarzer Tag für den Widder und Blutspur im Park aufgetaucht ist) und sein Handlanger (Romano Puppo), die spätestens nach der Hälfte des Streifens von der Bildfläche verschwinden. Allerdings könnte dies auch daran liegen, dass die hier vorliegende Version um ca. 16 Minuten Handlung gekürzt wurde. Ennio Morricones Flügelhorn-getriebene, traurige Filmmusik repräsentiert das perfekte Gegenstück zur desillusionierten Moral des Films, während sich die Geschichte in angemessenem Tempo auf den beeindruckenden, grimmigen Höhepunkt zubewegt.

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Regie: Michele Lupo
Hauptdarsteller: Kirk Douglas, Giuliano Gemma, Florinda Bolkan
Genre: Krimi, Action
Untertitel: Keine verfügbar
Wiedergabesprachen: Deutsch

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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