Flesh + Blood

Unglaublich, aber es gibt weitere Paul Verhoeven Lücken zu füllen meine Damen und Herren. Nachdem ich vor einiger Zeit bereits diverse Frühwerke des niederländischen Filmemachers nachgeholt hatte, waren die Lücken erstmals weniger. Koch Media bringt nun den trashigen Mittelalter-Film Flesh + Blood auf DVD und BluRay in die Läden. Der „Ritterfilm“ ist einer der weniger beachteten Werke von Verhoeven, und gleichzeitig auch einer der bizarreren.

Zur Story. Verhoeven dachte wohl er hätte eine Prise Tinto Brass in sich. Zwar handelt es sich um eine relativ konservative Story (die auch als Italowestern gut funktioniert hätte, denke ich), doch die Umsetzung derer geht fast schon übliche Verhoeven Wege. Mitten im Pest-geplagten, vage definierten „Westeuropa“ des 16. Jahrhunderts, lässt sich eine Söldnertruppe vom erobernden König um Beute und Zukunft betrügen, und so stehen die Tagelöhner nach einer (wegen ihnen) erfolgreichen Stadteroberung mit leeren Händen da, und können nur mit Müh und not einem Hinterhalt entkommen. Man hat sie verkauft, ausgenutzt, und sich auf ihren Kosten bereichert. Das passt dem Trupp rund um Söldner Martin (Rutger Hauer, in einer gänzlich eindimensionalen Rolle). Jetzt wird es kurz kompliziert: dem Sohn des Königs, Steven (Tom Burlinson) ist Prinzessin Agnes (Jennifer Jason Leigh, die quasi barbusig und mit viel Frech und Witzigkeit den Film vor der Irrelevanz rettet) versprochen. Die beiden können sich gerade noch etwas verlieben, als der nun „under cover“ durchs Land streifende Söldnertrupp die holde Blondine kurzerhand kidnappt. Da es ein Verhoeven Film ist, wird die Arme auch gleich noch mehrfach vergewaltigt. Jedoch schlägt das Helsinki Syndrom voll zu buche. Während Martins Leute also mit Agnes durchs Land ziehen um letztendlich eine kleine Trutzburg für sich zu erobern, entwickelt sich Steven zum echten Soldaten und jagt der Bande hinterher. Was er nicht weiß, Agnes steckt nun – wortwörtlich – mit Martin unter einer Decke (und in der Badewanne, und so weiter). Als Steven die Trutzburg belagert, wird es also hitzig… und am Ende krepieren nicht nur Hunde an der Beulenpest. Agnes, die mit ihrer charmanten Art allen den Kopf verdreht hat, muss am Ende eine Entscheidung treffen – oder es war alles nur Show…..

Flesh and Blood

Ich hatte ja Tinto Brass angesprochen. Der Film ist von vorne bis hinten durchsäht mit dem, was Kenner des Europäischen „Römerfilms“ durchaus kennen können: da wird gefressen, gevögelt, gemordet, gesoffen, geflucht, zerstört und anderweitig dekadent das Jahrhundert ruiniert. So lässt auch hier Paul Verhoeven die Leute von der Leine. Zwar beginnt der Film relativ harmlos, so entwickelt er sich doch relativ schnell zu einem recht offensichtlich weder jugendfreien, noch zimperlichen noch Mainstream-kompatiblen Abenteuermärchen voller blutiger Metzeleien, europäisch-liberaler Sexszenen, politisch und historisch inkorrekter Kriegsgeschehnisse und vielem mehr. Man könnte sagen es ist alles gar nicht mal so wild, aber man stumpft erfahrungsgemäß bei seinen Filmen auch relativ schnell ab, oder wie lange konnten die Schleimeffekte in Starship Troopers den Zuschauer schocken? Jedenfalls sollte man hier weder einen hochwertig produzierten Historienfilm noch einen familientauglichen Abenteuerstreifen erwarten, sondern Verhoevens persönliche Ritterfantasien.

Flesh and Blood

Ich selbst bin ein sehr großer Fan von Paul Verhoeven. Ich mag die unverblümte Art seines Autorenkinos, die konventionslosigkeit, den wilden Charakter seiner Stories und die Kreativität seiner Filme. Flesh + Blood gehört sicherlich nicht zu seinen besten Filmen. Das liegt aus meiner Sicht primär an dem billigen Look, der lausigen Schauspielkunst, der lieblosen Produktionsausstattung, der unpassenden Musik und der leichtherzigkeit des Films. Rutger Hauer liefert hier eine belanglose Leistung ab, und der Rest ist auch eher Laienhaft. Der einzige Lichtblick ist eigentlich Jennifer Jason Leigh, jung, frech und hübsch, während der Rest der Besetzung eher hölzerne Leistungen abliefert, begründet auf einem langweiligen Drehbuch, das – nach einiger Überlegung – als billiger Italowestern fast besser funktioniert hätte (wie eingangs erwähnt). Leigh fügt dem Film den notwendigen Schuss Frivolität bei, ohne den es sich um eine noch unterträglichere Nachmittagsklamotte handeln würde. Heute kennt man die Blondine vielleicht noch aus der Serie Weeds, damals muss das aber durchaus für Furore gesorgt haben, schließlich ist das an Freizügigkeit kaum zu überbieten was Verhoeven die Amerikanerin hier alles darbieten lässt – also für die 80er. Gleichzeitig aber ist schon hier klar um welche freche, charmante Schauspielerin es sich handelt, die genügend Ausstrahlung besitzt um den Film quasi völlig an sich zu reissen.

Flesh and Blood Koch Media DVD BluRay Mediabook

Kommen wir zum Release. Koch Media rettet den Streifen lobenswerterweise vor der Vergessenheit und spendiert ihm sowohl eine DVD als auch eine BluRay-Auswertung. An Extras liegen der ungekürzten (ab 18) Veröffentlichung eigentlich nur ein Audiokommentar des Regisseurs bei. Leider sieht das Bild auch in der BluRay Variante nicht sehr glorreich aus, zu oft ist der Kontrast schlecht oder starke Kompressionsartefakte sichtbar vor allem in dunkleren Szenen. Zu viel sollte man sich hier nicht erwarten. Der Ton ist in Ordnung. Der Film kann eben auch hier seinen TV-Charme nicht ablegen.

Will ich ihn empfehlen? Oh ja absolut. Der Film ist eine Obskurität, nicht nur für eingefleischte Verhoeven Fans, sondern für jeden der mal etwas anderes sehen will. Das ist hier was die Darstellung betrifft nicht auf Game of Thrones Niveau, aber auf seine Art und Weise ähnlich gewagt und obwohl trashig doch irgendwie gut gemeint.

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com