Friedhof ohne Kreuze / Une corde, un Colt / Cimitero senza croci / Cemetery Without Crosses

Maria will Rache! Die Männer der Rogers-Familie haben ihren Mann vor Ihren Augen ermordet. Nun ist die in schwarz gekleidete Witwe auf der Suche nach Vergeltung. Sie findet sie in einer Geisterstadt mitten in der Wüste. Hier lebt nur noch Manuel. Der eiskalte Profi, der als Erkennungszeichen einen schwarzen Handschuh trägt, entführt die Tochter des Rogers-Clans und löst damit eine Welle der Gewalt aus. (Plaion Pictures)

Diese italienisch / französische Koproduktion von 1969 ist zweifelsohne als eines der Meisterwerke des Italo-Western-Genres zu bezeichnen. Zwar lehnt sich Friedhof ohne Kreuze auch stark an die italienischen Western an, die zuvor veröffentlicht wurden, doch die emotionale Mischung aus Leidenschaft und Gewalt lässt diesen Film zu einer einmalig einzigartigen Vision werden. Dabei hat die Handlung eigentlich nicht viel mehr als das altbewährte sowie bestens bekannte Motiv der Rache zu bieten. Was also verleiht dem Streifen seine Qualität? Es ist ganz einfach die emotionale Zerbrechlichkeit der Charaktere, die den Schlüssel zu seiner Größe repräsentiert, denn dieser Film stellt seinem Publikum Protagonisten vor, mit denen man sympathisieren kann, obwohl nicht alle ihre Handlungen gutzuheißen sind. Doch in ihrem Streben nach Rache kann man ihren Schmerz und ihre seelische Leere deutlich spüren. Der Verlust von Liebe sowie der Wunsch nach Rache sind zu den zerstörerischen Emotionen zu zählen, von denen viele Menschen irgendwann in ihrem Leben verzehrt werden, sodass man mit den Hauptfiguren mitfühlen kann, die hier als gefühlsbetonte Wesen dargestellt werden, die für die Liebe alles tun würden.

Friedhof ohne Kreuze präsentiert seinem Publikum eine tyrannisierende, patriarchalische Familie, die Nachbarn von ihrem Land vertreibt, um sich selbst ein riesiges Imperium aufbauen zu können, wobei die Familienmitglieder rücksichtslos jeden eliminieren, der sich ihnen in den Weg stellt. Natürlich gibt es auch eine zweite Familie, die von der ersteren schikaniert sowie unterdrückt wird und blutige Rache für den brutalen Mord an einem ihrer Mitglieder schwört. Selbstverständlich ist auch eine Stadt vorhanden, die von einem korrupten Gesetzeshüter überwacht und von völlig verängstigten Menschen bevölkert wird, die sich nicht wagen gegen das patriarchale Oberhaupt der ersteren Familie aufzubegehren. Letztendlich tritt auch noch ein schweigsamer Einzelkämpfer auf, der die Rache bewerkstelligen soll, zu deren Ausübung die unterdrückte Familie alleine nicht imstande ist. Friedhof ohne Kreuze verfügt also über einen Plot, der im Laufe der Jahre bereits unzählige Male in amerikanischen sowie europäischen Western Anwendung gefunden hat, doch wer hier einen weiteren konventionellen Rachestreifen erwartet, wird von dem Film auf mächtige sowie angenehme Art und Weise überrascht sein.

Zunächst einmal treibt Friedhof ohne Kreuze den minimalistischen Dialog des durchschnittlichen Italo-Westerns auf sein ultimatives Extrem. Etliche Sequenzen des Streifens laufen wie eine Art Stummfilm ab, wobei nur Musik und geschickte Regie zum Einsatz kommen, um die Geschichte voranzutreiben sowie dem Publikum Drama und Affekt zu vermitteln. Dieser „Stummfilm“-Ansatz entfaltet sich dabei jedoch weit entfernt von einer Parodie. Vielmehr gelingt es Regisseur und Schauspieler Robert Hossein bestens etliche subtile visuelle Techniken zu entwickeln und die Fähigkeiten seiner Schauspieler zu generieren, um eine emotionale Intensität aufrechtzuerhalten, die in einem Film dieses Genres selten zu finden ist. Der Hauptcharakter, Manuel der Revolverheld (von Hossein höchstselbst verkörpert), erweist sich als ein Mann mit komplexen Motivationen, der, von Zweifeln und Reue geplagt, gegen sein besseres Wissen handelt. Trotz seiner übertriebenen Waffenkünste hat man hier keinen schablonenhaften Helden vor sich, denn Manuel stellt einen wirklichen Mann mit echten Gefühlen dar, der einer drohenden Katastrophe mit Resignation und Schmerz gegenübersteht.

Maria (Michéle Mercier), die Witwe des ermordeten Ben Caine (Benito Stefanelli) und Manuels Ex-Liebhaberin, ist ebenso dreidimensional angelegt worden. In ihr kann man Verzweiflung und Entschlossenheit in gleichen Teilen erkennen, während sie den Bildschirm mit ihrem stoischen Drangsal erfüllt. Darüber hinaus spielt sie in einer willkommenen Abkehr von der italienischen Tradition nicht nur mit, um den Film auf zu hübschen. In diesem Genre werden weibliche Charaktere sehr oft zu erotischen Objekten degradiert oder in die Rolle des Opfers gedrängt und dürfen normalerweise kaum oder gar keinen Einfluss auf die Ereignisse nehmen. Doch Maria ist hier als die treibende Kraft hinter den Geschehnissen und ein Charakter von zentraler Bedeutung anzusehen. Schließlich wird das Thema der Rache, obwohl es im Mittelpunkt der Geschichte steht, hinterfragt und aus einem ganz anderen Blickwinkel als im durchschnittlichen Western betrachtet. Manuel bekundet zu Beginn des Films, dass „Rache niemals endet“, wobei sich seine Worte als prophetisch erweisen, da jede Aktion eine eskalierende Reaktion hervorruft und die Brutalität auf beiden Seiten außer Kontrolle gerät.

Friedhof ohne Kreuze repräsentiert also keinen gewöhnlichen Italo-Western, was allerdings größtenteils daran liegen könnte, dass es sich sowohl um einen italienischen, als auch um einen französischen Film handelt. Trotz seines Koproduktionsstatus und einer Schar von Genre-Stammgästen unter den Nebendarstellern, werden die Hauptmitarbeiter dieses Streifens überwiegend von Franzosen gestellt, vom Regisseur über die Drehbuchautoren (Robert Hossein und Claude Desailly, wobei sich Dario Argento für das Szenario, die Adaption und den Dialog der italienischen Version verantwortlich zeichnet) und die Schauspieler bis hin zum Komponisten der Musik. Dies wirkt sich zweifellos auf das Gefühl sowie den Stil des Films aus und trotz unserer tiefen Liebe zur italienischen Herangehensweise in solchen Dingen muss man zugeben, dass sich diese Variante als äußerst erfrischend erweist. Robert Hossein leistet hervorragende Arbeit als Regisseur und Schauspieler, während der von seinem Vater André beigesteuerte Soundtrack vorzüglich zum Film passt; erst mit einem treibenden Thema, dann mit ergreifender Sologitarre. Darüber hinaus stecken die Sets voller Inspiration; das reich ausgestattete Ranch-Haus auf dem Anwesen der Familie Rogers wird der eher ärmlichen Hütte der Caines und Manuels isoliertem, fast surreal anmutendem Geisterstadt-Saloon gegenübergestellt.

All diese Aspekte heben Friedhof ohne Kreuze von den meisten seiner Zeitgenossen ab, was allerdings nicht bedeuten soll, dass der Film nicht mit so gut wie allen Attributen gewürzt worden ist, die man von einem Italo-Western dieser Zeit erwarten würde. Der Streifen ist als trist, düster und gewalttätig zu beschreiben, inklusive Faustkämpfen und ein paar Schießereien. Es gibt böse sowie gute Charaktere (obwohl die Grenzen ein wenig verschwimmen), wobei insgesamt genügend an Tempo und Action vorhanden ist, um auch den ungeduldigsten Action-Fan bei Laune zu halten. Der Grund, warum dieser Film zu den besten des Genres gehört, liegt auch in dem Maß an Subtilität begründet, das er sich erlaubt und den Fragen, die er seinem Publikum stellt. Die Charaktere dürfen echte Gefühle ausdrücken (wenn auch im Stillen), während die Themen, die sich in der scheinbar vertrauten Handlung entfalten, das Publikum zum Nachdenken anregen. Es handelt sich noch immer um einen Western und einen Actionfilm, doch er ist vernünftig durchdacht worden und hat echtes Drama zu bieten, was eine ziemlich gute sowie willkommene Kombination darstellt.

Plaion Pictures veröffentlicht mit Friedhof ohne Kreuze die Nr. 4 ihrer neuen Italo-Westernreihe All’Arrabbiata deutschlandweit erstmals auf Blu-ray, wobei der Streifen in den Bereichen Bild und Ton ausgezeichnete Qualität zu bieten hat. Das Bild wird uns im 1.66:1 (HD 1080p) bzw. 1.66:1 (16:9) anamorphen Format präsentiert und sieht wirklich sehr gut aus. Es ist klar, relativ farbenfroh und beinahe vollkommen frei von Bildschäden. Jedenfalls dürfte bei der Restauration das Beste aus dem vorliegenden Ausgangsmaterial herausgeholt worden sein. Beim Ton liegen die deutsche und französische sowie die italienische und englische Spur in PCM 2.0 bzw. DD 2.0 vor. Alle vier Tonspuren hören sich sehr gut an. Hier gibt es höchstens minimale Unterschiede im Klang zu erkennen. Untertitel sind deutsche und englische verfügbar.

Extras und Besonderheiten:

• Zum ersten Mal in Deutschland auf Blu-ray
• Zwei deutsche Tonfassungen, die der Kinoversion und die der Originalversion
• Deutscher, englischer und italienischer Trailer
• Aufnahmen von den Dreharbeiten (ca. 8 Minuten)
• Vorwort von Robert Hossein (ca. 40 Sekunden)
• Interview mit Robert Hossein von 1968 (ca. 3 Minuten)
• Interview mit Robert Hossein von 2007 (ca. 27 Minuten)
Christian Kessler liest die Kritik des Katholischen Filmdienst (ca. 3 Minuten)
• Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
• Verschiedene Vorspänne: Deutsch; Deutsch (Video); Französisch
• Booklet mit Texten von Marco Koch und Lars Johansen
• Poster

Exklusiv beim Plaion-Pictures-Shop bestellen

Filmlänge: BD: ca. 91 Minuten, DVD: ca. 87 Minuten
Bildformat: 1.66:1 (16:9)
Tonformat: BD: PCM 2.0, DVD: Dolby Digital 2.0
Sprachen: Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Englisch

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

Das könnte dich auch interessieren …