Gefährliche Lust / Madam ppang-deok / Scarlet Innocence

Als der Literaturprofessor Shim Hak-kyu (Jung WooSung) der Verführung einer seiner Schülerinnen beschuldigt wird, sieht dieser sich gezwungen seine Heimatstadt Seoul zu verlassen. Er taucht in einem kleinen Provinznest unter, in dem er von da an unterrichten will, jedenfalls solange bis sich die Wogen geglättet haben und er wieder zurück nach Seoul kann – wo er Frau und Kind zurück gelassen hat. Von Langeweile geplagt, lernt er eines Tages Deok-yi (Esom) kennen, die auf einem verlassenen kleinen Rummelplatz als Kartenverkäuferin arbeitet. Die ebenso hübsche wie naive Deok-yi, die zusammen mit ihrer taubstummen Mutter lebt, verliebt sich sofort in den Professor und es entwickelt sich schnell eine sexuelle Beziehung zwischen den beiden.

Nun kommt es wie es kommen muss – Shim Hak-kyu wird von einem Freund aus Seoul benachrichtigt, dass die Anklage gegen ihn fallen gelassen wurde und er wieder zurück an seine alte Universität kann, um dort fortan weiter zu unterrichten. Deok-yi, die naiver Weise geglaubt hat die große Liebe in Hak-kyu gefunden zu haben, muss sich nun der Realität stellen und realisieren, dass sie für den gutaussehenden Literaturprofessor einfach nur eine weitere belanglose Affäre war. Als sich die Geschichte im kleinen Dorf herumgesprochen hat und Deok-yi erfährt, dass sie schwanger ist, scheint ihre Welt komplett aus den Fugen zu geraten. Zurück in Seoul wird auch Hak-kyus Welt unwiederbringlich auf den Kopf gestellt als seine, unter starken Depressionen leidende Frau plötzlich auf tragische Weise ums Leben kommt.

8 Jahre später ist Hak-kyu ein Bestsellerautor, lebt allerdings ein ausschweifendes Leben. Mit Glücksspiel, Alkoholexzessen und sexuelle Affären will er der Vergangenheit entfliehen. Seiner Spielsucht geschuldet, fällt er immer mehr in einen Sumpf aus Schulden und wegen seiner Alkoholexzesse und der maßlosen Raucherei (und seiner Diabetes) droht er nach und nach sein Augenlicht zu verlieren. Darunter muss natürlich auch seine mittlerweile (fast) erwachsene Tochter Chung-ee (Park So-young) leiden, denn Hak-kyu ist alles andere als eine Vaterfigur. Bei einem Clubbesuch lernt Chung-ee die attraktive Yoon Se-jung kennen, mit der sie sich anfreundet. Als Se-jung dann gegenüber einzieht und nach und nach die Zuneigung von Chung-ees Vater erringt, der mittlerweile schon so weit erblindet ist, dass er keine Gesichtskonturen mehr erkennen kann, gewinnt die Geschichte schlagartig an Fahrt, denn im Gegensatz zu Hak-kyu erkennen wir als Zuschauer genau, wer sich hinter der geheimnisvollen Yoon Se-jung verbirgt.

Wir alle sollten Bong Joon-ho (und in gewisser Weise auch der Scheintoleranz der Academy of Motion Picture Arts and Sciences) dankbar sein. Wegen seines oscarprämierten Meisterwerks Parasite (2019), bekommen in den letzten 2 Jahren immer mehr koreanische Filme ihr längst überfälliges Release auf den westlichen Heimkinomärkten. So auch Scarlet Innocence – Gefährliche Lust aus dem Jahr 2014. Der Erotikthriller, unter der Regie von Yim Pil-sung (Hansel and Gretel, 2007) basiert lose auf dem koreanischen Volksmärchen The Tale of Shim Chong, welches die Geschichte eines Mädchens erzählt, dass sich selbst an Buddha opfert, um somit ihrem erblindeten Vater sein Augenlicht zurückzugeben. Durch ihre selbstlose Opfergabe wird sie als Lotus Blume wiedergeboren und wird schließlich Kaiserin. Nach der Reunion mit ihrem Vater ist dieser vor Freude so überwältigt, dass er sein Augenlicht wiedererlangt. Es gibt verschiedene Versionen dieses Märchens und einige davon sind detailreicher und beinhalten noch weitere Charaktere. Unter Anderem Bbaengdeok’s Mutter, die sich nach der Selbstopferung der Tochter an ihren Vater ran macht, um diesen nach strich und Faden zu betrügen und zu bestehlen. Zu Anfang des Films werden wir darauf hingewiesen, dass es in dieser Geschichte (wahrscheinlich) um besagte Frau gehen soll.

Scarlet bezieht sich in erster Linie auf die Farbe Scharlachrot, beispielsweise das Rot einer Rose, kann aber auch mit sündig oder verrufen definiert werden und Innocence ist das englische Wort für Unschuld. Deok-yi stellt diese Scarlet Innocence im Film dar. Nachdem Hak-kyu der frisch erblühten Rose ihre Unschuld geraubt hat beginnt diese zu welken. Was übrig bleibt sind ihre Stacheln und mit diesen geht sie auf einen unerbittlichen Rachefeldzug. Was hier in der ersten Hälfte des Films noch als Erotikdrama beginnt, entpuppt sich im späteren Verlauf als ein perfider Rache-Thriller der keine Gefangenen macht. Allerdings übt Deok-yi ihre Rache nicht in altbekannter Charles Bronson Manier, mit Schirm, Scharm und einer .475er Magnum aus, sondern eher auf subtilere Weise, so wie eine Katze mit einer Maus spielt – bevor sie ihr den Kopf abbeißt.

Esom (mit eigentlichem Namen Lee So-young) blüht in ihrer Rolle als Deok-yi regelrecht auf. Wenn sie anfangs die leicht naive, aber absolut liebenswerte Unschuld vom Lande mimt, glauben wir ihr das. Wenn die Kamera in einem Close-up ihr zärtliches und verliebtes Lächeln einfängt, das voller Träume und großer Erwartungen steckt, dann glauben wir ihr das – und wir würden am liebsten durch den Fernseher steigen um sie vor dem großen bösen Wolf zu warnen, ihr sagen, dass sie viel zu gut für diese Welt ist und ihre pure Reinheit solange es geht bewahren soll. Auch in ihrer Peiniger-Rolle als Yoon Se-jung bleiben alle Blicke auf sie gerichtet. Mitleid und Verständnis, erst noch vorhanden, verblassen mit der Zeit und was am Ende noch übrig bleibt ist eine verblichene Karikatur einer einst so reinen wie schönen Rose. Die Opposition dazu stellt sicherlich Shim Hak-kyu, gespielt von Jung Woo-sung da. Die Rolle des narzisstischen, alkohol- und sexsüchtigen Teilzeitvaters ist ihm ihm wie auf den Leib geschneidert. Wenn er sich, fast erblindet, immer mehr von seinem offensichtlichem Peiniger abhängig macht empfinden wir fast so etwas wie Mitleid mit ihm, aber auch nur fast. Denn wirklich identifizieren kann man sich gegen Ende des Films mit keinem der Charaktere, nicht einmal mit Hak-kyus Tochter Chung-ee, die wahrscheinlich die leidtragendste Figur des ganzen Films ist. Aber genau das macht den Film wiederum interessant. Drei Hauptcharaktere, die sich in einer Kettenreaktion gegenseitig den letzten Rest Unschuld nehmen. Was übrig bleibt ist eine blasse Illusion des eigenen Ichs.

Jetzt könnte man dem Film natürlich vorhalten, dass gerade im letzten Drittel, die Logik stellenweise umgangen wird und manche Ereignisse können einem (zurecht) auch etwas realitätsfremd erscheinen, aber wie anfangs schon erwähnt, ist der Film eine (nihilistische) Neuinterpretation eines Märchens, von daher kann man ihn auch gerne als solches Betrachten und ihm seine Logiklöcher verzeihen. Die Erotik bleibt hier natürlich auch nicht auf der Strecke, und wie wir es von koreanischen Produktionen, wie beispielsweise Das Hausmädchen (2010) oder Die Taschendiebin (2016), kennen, wurden die Sexszenen auch hier sehr ästhetisch und anregend realisiert. Das ist zum Teil natürlich auch den attraktiven Darstellern anzurechnen.

Der Look des Films trägt viel zur Atmosphäre der Handlung bei. Wenn wir Hak-kyu anfangs mit dem Reisebus durch eine blühende Kirschbaum Allee fahren sehen, oder wenn er anschließend an der Bushaltestelle das erste mal auf Deok-yi trifft, wirkt das Bild leicht verblasst, was dem Zuschauer von Anfang an eine distanzierende Kälte vermittelt. Abschließend kann man sagen, dass Scarlet Innocence ein cleverer und erfrischender Thriller ist, der zwar einige inhaltliche Schwächen aufweist, andererseits aber durch seine tollen Hauptdarsteller und einer gewissen psychologischen Tiefe überzeugen kann. Hier gibt es kein Gut oder Böse, Richtig oder Falsch sondern einfach nur Aktion und Reaktion. Zwischen dem ganzen Einheitsbrei der uns seit Jahren nur noch aus der (Alp)Traumfabrik, im Land der Prüderie, vorgeworfen wird, ist Scarlet Innocence allemal eine erfrischende Abwechslung.

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  • Seitenverhältnis: ‎16:9 – 2.35:1
  • Alterseinstufung: ‎Freigegeben ab 16 Jahren
  • Regisseur: ‎Pil-Sung, Yim
  • Medienformat: ‎Breitbild
  • Laufzeit: 1 Stunde und 53 Minuten
  • Darsteller: Woo-Sung, Jung, Hee-won, Kim, Som, Lee, So-young, Park
  • Untertitel: ‎Deutsch
  • Sprache: ‎Deutsch (DTS-HD 5.1), Koreanisch (DTS-HD 5.1)
  • Studio: Busch Media Group

Diese Blu-Ray wurde uns freundlicherweise von Busch Media Group zur Verfügung gestellt.

Mike

Mike ist leidenschaftlicher Teilzeitcineast und hat sich auf die freizügigere Art des Bahnhofskinos spezialisiert. Von Porn Chic und dem Pinku Eiga der 70er bis hin zum aktuellen erotischen Kinos nimmt er die verruchtesten Filme unter die Lupe.

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