Giallo Cinema: Spaghetti Slashers

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Was ist ein „Giallo“?

Der Term Giallo bedeutet ins Deutsche übersetzt Gelb. Die Nennung der Farbe ist ein Verweis auf die billigen Horror- oder Thriller Taschenbücher, die in Italien seit Mitte des 20. Jahrhunderts verkauft werden und deren Einbände als Markenzeichen stets gelb waren und immer noch sind. Man könnte sie auch als die italienische Variante der amerikanischen Pulp Fiction- oder der deutschen Groschenheftchen bezeichnen. Der Ausdruck Giallo wird heutzutage im englisch- und deutschsprachigen Raum verwendet, um das spezifische italienische Subgenre des Krimi-Thrillers, der in den späten 60er70er Jahren populär wurde, zu beschreiben. In den sogenannten Gialli geht es (vereinfacht ausgedrückt) zumeist um einen unbekannten Mörder, der es auf junge schöne Frauen abgesehen hat. Diese Mörder sind oftmals nur in sehr kurzen Einstellungen zu sehen und tragen in den klassischen Fällen schwarze Kleidung und schwarze Handschuhe, was ihre Gestalt gleich dunkler und geheimnisvoller erscheinen lässt. Ihre Morde begehen sie meistens mit scharfen Rasierklingen und (Fleischer-)Messern oder denken sich irgendwelche Foltermethoden aus, um ihre Opfer zu Tode zu bringen. Von Schusswaffen wird nur selten gebrauch gemacht. Die Ermittlungen übernimmt üblicherweise nicht die Polizei, sondern eine zivile Person, die aus irgendwelchen Gründen in den Fall verstrickt wird. In den meisten Fällen kann der Zuschauer mitraten bis der Täter am Ende entlarvt wird. Doch bevor es zur Auflösung kommt sind gewöhnlich einige Wendungen in die Geschichte eingebaut, um den Betrachter zu verwirren oder ein vollkommen unerwartetes Finale zu präsentieren. Wie logisch oder unlogisch dabei vorgegangen wird hängt vom jeweiligen Produkt ab. Ähnlich wie bei allen anderen italienischen Genreproduktionen reicht auch beim Giallo die Qualitätsspanne von Galaktisch Gut bis Schlichtweg Schlecht, wobei auch die schwächeren Genrebeiträge durchaus ihren Charme haben können. Diese zeichnen sich dann eben durch ihren sleazigen Stil mit viel nackter Haut und Blut aus, während die qualitativ höher einzusschätzenden Exemplare neben exzellenten Drehbüchern auch die Vorteile der modernen Filmtechnik zu nutzen wussten, um ein einzigartiges Gerne zu erschaffen, das physische sowie psychische Gewalt, sexuelle Inhalte und Tabuthemen erforscht.

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Mario Bava: Meister des atmosphärischen Gothic Horror

Mario Bava war ein echter Pionier und Meister des atmosphärischen Horrorkinos. Seine langjährige Arbeit als Kameramann verhalf ihm dazu visuell psychedelische kinematografische Welten zu kreieren, die aus dem Bildschirm zu springen scheinen und fast hypnotisierend wirken. Der erste echte Giallo war Bavas schwarz/weiss Thriller The Girl Who Knew Too Much (1964). Seinen nächsten Giallo-Film sollte Blood and Black Lace (1964) darstellen, der den Standard setzte, dem viele andere Filme des Genres in den nächsten Jahren versuchten zu folgen. Mario Bava führte auch bei den Giallo-/Horrorklassikern 5 Dolls For an August Moon (1970) und Twitch Of The Death Nerve (1972) regie. Allerdings galt Bava nicht nur als Meister des Giallo-Thrillers, sondern versuchte sich auch in vielen anderen Genres wie SciFi-Horror (Planet of The Vampires), Comic Adaptionen (Danger: Diabolik), Teenager-Komödien (Dr. Goldfoot and The Girl Bombs) und Western (Ringo del Nebraska).

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Dario Argento: Die Schönheit von Alpträumen

Mario Bavas Nachfolge trat einige Jahre später Dario Argento an, der nun als neuer Meister des Giallo gefeiert wurde. Als langjähriger Freund und Schüler von Regisseuren wie Bava und Sergio Leone, gestaltete Argento ein ultra-stylishes-Kino auf einer neuen Ebene von Schönheit und Schrecken, die kaum zu überbieten war. Argento ließ konventionelle Plots oft beiseite und erschuf seine Geschichten um pure kinematografische Eindrücke herum. Während viele Kritiker dies als einen negativen Aspekt werteten, fühlten sich Kino-Puristen von seiner Herangehensweise angesprochen. Suspiria (1977) ist ein perfektes Beispiel für seinen Stil des reinen Kinos. Seine populärsten Gialli repräsentieren The Bird With The Crystal Plumage (1969), The Cat O‘ Nine Tails (1971), Four Flies on Grey Velvet (1972), Deep Red (1975), Tenebre (1982) und Opera (1987). Seine übernatürlichen Giallo-Thriller Suspiria (1977), Inferno (1980) und Phenomena (1985) zählen selbstverständlich auch zu den ganz großen Klassikern des italienischen Genrekinos.

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Lucio Fulci, Sergio Martino und andere italienische Giallo Meister

Zu den anderen Maestros des Giallo gehören der großartige Godfather of Gore Lucio Fulci , der uns so wunderbare Gialli wie Don’t Torture A Duckling (1971), A Lizard In A Womans Skin (1971), The Psychic (1977) und The New York Ripper (1982) bescherte. Leider gibt es zu den beiden Erstgenannten noch keine deutsche Veröffentlichung. Weitere erwähnenswerte Werke sind Aldo Lados Short Night of the Glass Dolls (1971) und Who Saw Her Die? (1972). Auch Umberto Lenzi steuerte neben seinen Polizei- und Kannibalenfilmen einige Gialli wie zum Beispiel Seven Blood-Stained Orchids (1972) mit Uschi Glas oder Spasmo (1974) bei. Unter den eher klassisch angelegten Genrevertretern aus den 70ern befinden sich Massimo Dallamanos What Have You Done to Solange? (1972), in Deutschland auch als Das Geheimnis der grünen Stecknadel mit Joachim Fuchsberger bekannt und Sergio Martinos Meisterwerke The Strange Vice of Mrs Wardh (1970), The Case of The Scorpions Tail (1971), Your Vice Is A Locked Room and Only I Have The Key (1972) und Torso (1974).

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Der Giallo lebt weiter

Viele Hollywood Regisseure sind vom Giallo-Kino beeinflußt worden. Das sogenannte Slasher-Film-Genre der späten 70er bis frühen 80er Jahre (Halloween, Friday The 13th, My Bloody Valentine etc.) ist hierfür wohl das beste Beispiel. Schaut man sich Brian DePalmas Thriller wie Phantom of The Paradise, Dressed To Kill (1980), Body Double (1984) und Raising Cain (1992) an, so kann man einen starken Einfluß der italienischen Filme erkennen. Weitere erwähnenswerte Hollywood Produktionen, die vom Giallo inspiriert wurden, sind Paul Verhoevens Basic Instinct (1992), David Finchers Seven (1997) und Quentin Tarantinos Death Proof (2007).

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Giallo Musik

Die Soundtracks der Giallo-Filme gehören oftmals zu den besten OSTs der großartigen italienischen Komponisten so wie Il Maestro Ennio Morricone, Riz Ortolani, Nora Orlandi, Fabio Frizzi, Bruno Nicolai und der Rockband Goblin. Viele davon sind heute auf CD erhältlich: The Horror Films Collection, Piume De Cristallo, Quattro Mosche Di, Il Gatto a Nove Code, An Ennio Morricone – Dario Argento Trilogy, Ennio Morricone: The Thriller Collection, The Horror Films Collection: Volume Two, Music From Dario Argento’s Horror Movies, Tenebre: The Complete Original Motion Picture Soundtrack, Suspiria: Complete Version, Phenomena, Inferno: The Complete Motion Picture Soundtrack Recording u.v.a.m.

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Dieser Artikel soll lediglich eine kurze Einführung in das Genre des Giallo-Films darstellen. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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