Hell or High Water

Dieses Wochenende startet auch in Deutschland der von Kritikern gefeierte Hell or High Water. Ich reiche hier eine kurze Filmkritik nach, denn sehen konnte ich den Film bereits Anfang Dezember. Witzigerweise rein zufällig: Beim durchblättern des Kinoprogramms während eines Paris-Aufenthalts stach mir ein Film namens Comancheria ins Auge, mit Jeff Bridges. Der Blick auf das Poster offenbarte ihn als Hell or High Water, der Originaltitel der sich einfach schwer übersetzen lässt, und auf Deutsch in etwa „auf Teufel komm raus“ bedeuten könnte. In Frankreich entschied man sich wohl für den Arbeitstitel des Films. Kurzerhand den Film geguckt, für gut befunden und nicht weiter darüber nachgedacht, reflektiere ich jetzt nochmal darüber, da er bei allen Awards nun mindestens nominiert ist. Um es vorne weg zu  nehmen: ab ins Kino, sauguter Film.

Der Film handelt von den Brüdern Toby (Chris Pine) und Tanner Howard (Ben Foster) die in einer wirtschaftlich abgehängten Ecke von Texas versuchen über die Runden zu kommen. Es ist so eine Ecke Amerikas, in der Geschäfte aus aussterbenden Orten verschwinden, große Ölfirmen die restlichen Grundstücke aufkaufen, und die Menschen mehr Waffen als Perspektiven haben. Tanner, frisch aus dem Knast, macht sich mit Toby daran, auf waghalsige Weise reihenweise Filialen einer regionalen Bank auszurauben. Der Clou: Die Bank hat ihre Fingern im Spiel bei der Zwangsversteigerung des Familiengrundstücks, auf dem Öl gefunden wurde. Die Bankraube schrecken die Gesetzeshüter auf, Texas Ranger Hamilton (Jeff Bridges) erkennt ein Muster. Tage vor seinem Ruhestand leckt er Blut, und heftet sich and die Fersen der beiden. Als das Vollzugsdatum für das Grundstück näher rückt, zieht sich die Schlinge der Polizei enger, und bei einem letzten Raubüberfall droht etwas schief zu gehen….

Den Film als modernen Western zu bezeichnen ist nicht falsch. Autor Taylor Sheridan (Sicario) hätte ihn auch 200 Jahre in die Vergangenheit verpflanzen können und die Geschichte hätte mit den gleichen Charakteren ebenso funktioniert. Was Regisseur David Mackenzie (Perfect Sense) letztlich daraus gemacht hat, erinnert an eine Mischung aus Coen Brothers und Sam Peckinpah, ein leicht düsteres Portrait ländlicher Kriminalität, mit etwas Melancholie, weiten Landschaften, aber auch starken Charakteren und einer kleinen Prise Zynismus – oder vielleicht einer recht ordentlichen Dosis Zynismus. Untermalt von Musik von Nick Cave, vermittelt der Film außerdem einen kleinen Hauch post-apocalyptischer Atmosphäre. Das spielt auch ein wenig der Zeichnung der Charaktere in die Hände, die so verwegen sind, dass man meinen möchte, sie scheren sich wenig  um die Zukunft.

Hell or High Water ist letztlich eben auch das Motto und die Motivation der Protagonisten auf beiden Seiten des Gesetzes, denn die Uhr tickt. Für die Brüder Howard geht es darum, in letzter Minute das Familienerbe freizukaufen, für den alten Marshall darum, vor dem Ruhestand die beiden dingfest zu machen – und sich selbst vielleicht auch zu beweisen, dass er als Polizist noch etwas drauf hat. Einige interessante Zutaten machen den Film dann letztlich zu dem charmanten Mix, der aus ihm mehr als nur einen düsteren Krim macht: so in etwa der leichte Robin Hood Aspekt des Feldzugs gegen die Banken, oder der Seitenhieb auf die Verbreitung von Waffen in den USA. Ich weiß nicht mehr ob es ein Dialog im Film war oder in einer Kritik die ich gelesen hatte: die Brüder hätten plötzlich jeden gegen sich der eine Waffe hat – also alle.

Mackenzie beschränkt sich bei dem Film nicht auf die Action (wobei die nicht zu kurz kommt), sondern portraitiert die Brüder als eigentlich doch herzensgute Menschen, die quasi beiläufig und ganz logischerweise massiv zu Gangstern werden, weil es eine andere Option für sie eigentlich nicht gibt. Dieser Fatalismus ist auch ein wenig im Kontext des Films erkennbar. Der Film spielt quasi in Trumps Amerika. Wirtschaftlich desolat. Keine Jobs. Gegenden so fern ab von kosmopoliter Zivilisation, dass man als Zuschauer zwar stutzt wie es „dort aussieht“, aber für diejenigen die da Leben sind Waffen, Öl, Meth und Kriminalität einfach Teil eines Alltags, der das bittere Resultat von Jahrzehnten Politik ist, die es nicht geschafft hat, den Wohlstand des reichsten Landes der Welt in der Fläche zu verankern. Das macht den Film dann auch so düster finde ich, diese leichte Aussichtslosigkeit, die dazu führt dass man einfach irgendwie mit allen Charakteren sympathisiert.

Schauspielerisch ist der Film erste Sahne. Jeff Bridges mimt den Dude mit Ranger-Badge und kann als mürrischer Cop nochmal richtig glänzen. Sehr interessant auch Foster, der leider zwar immer solche Charaktere spielt, hier aber wirklich glaubwürdig und natürlich die anderen fast schon an die Wand spielt. Chris Pine kriegt in dem Film auch endlich mal etwas rauhbeiniges geboten, womit er sich als kleines Schlitzohr ein wenig ausleben kann. Letztlich wird der Film in gewisser weise auch zu einem Duell zwischen seinem Toby Howard und Bridges Ranger Hamilton. Von allen Nebencharakteren bis zu den Hauptdarstellern hat man sich bei dem Film wirklich Mühe gegeben, und man fühlt sich von Anfang an mitten drin in dieser misslichen Lage.

Was macht den Film letztlich so gut und auch unterhaltsam? Es ist zum einen die solide Handwerkskunst, von den ausgezeichneten Aufnahmen über die gute musikalische Untermalung bis zu den Top Schauspielern. Es ist aber auch eine Story die sowohl düster und fiest ist, aber auch sehr spannend, mitreissend und nicht ohne etwas Zynismus. Der Film ist teilweise derb brutal, teilweise auch augenzwinkernd. Es ist ein moderner Western mit viel Stil, etwas Message und einigen krassen Wendungen bei denen man erfreulicherweise gegen Konventionen verstößt. Ein hervorragender Film für Liebhaber des zynischen, künstlerisch wertvollen Crime Genres. Ab ins Kino!

 

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com