Höllenhunde bellen zum Gebet / Con la rabbia agli occhi / Death Rage

Marciani, ehemaliger Auftragskiller der Mafia, hat sein Gewerbe aufgrund der Verschlechterung seiner Sehkraft an den Nagel gehängt. Von Gewissensbissen geplagt erfährt er eines Tages, wer für den Mord an seinem Bruder verantwortlich war. Marciani macht sich auf den Weg nach Neapel und wird prompt mit einem Netz aus Lügen konfrontiert. Der Racheengel sorgt binnen Stunden, durch seine harte Vorgehensweise, für Aufruhr. Es dauert nicht lange, bis sich die ersten blutigen Auseinandersetzungen häufen und ein weiterer Profikiller auf Marciani angesetzt wird. (filmArt)

Achtung SPOILER !!!

Genauso wie die poliziotteschi geriet der italienische film noir in der zweiten Hälfte der 70er Jahre vollständig in eine dämmerige Phase, eine Tendenz, die von Antonio Margheritis Streifzügen durch das Genre mit Höllenhunde bellen zum Gebet (1976) und The Squeeze (Gretchko, 1978) antizipiert wurde. Beide Filme haben bekannte ausländische Stars an Board, doch während der letztere eine eher amerikanisch aussehende Produktion darstellt, die in den USA mit einer englischsprachigen Besetzung gedreht wurde, profitiert Con la rabbia agli occhi von einer typisch italienischen Kulisse – nämlich Neapel.

Margheriti überlässt seinem charismatischen amerikanischen Star klugerweise genügend Leinwandzeit. Als unfehlbarer Killer Peter Marciani verleiht Yul Brunner seinem Charakter eine Resonanz, welche die Charakterisierung des Drehbuchs sogar noch verbessert. Vollkommen in schwarz gekleidet, teilnahmslos, rücksichtslos und effektiv wie der Roboter-Revolverheld, den er in Westworld (1973) verkörperte, wird Marciani dennoch in eine Romanze verwickelt, wie aus der Nebenhandlung mit Barbara Bouchet hervorgeht. Die gipfelt nämlich in einer Szene, in der die Frau vorgibt mit Peter zu schlafen, um die Polizei zu täuschen, die ihre Wohnung observiert, während Marciani sich aufmacht, um seinen letzten sowie tödlichen Auftrag auszuführen. Darüber hinaus ist der Killer nicht nur dazu verdammt, mit seiner traumatischen Vergangenheit klarzukommen, sondern auch mit einer sogenannten cupio dissolvi, die sich als psychosomatische Krankheit manifestiert – Marcianis Sehstörungen, die Margheriti visuell mit surrealen Rorschach-ähnlichen roten Flecken auf dem Bildschirm umsetzt (die Standbilder des Mordes an seinem Bruder in sich tragen). Der zentrale Mord wird auch in der obligatorischen Zeitlupenrückblende gezeigt, die ein aufschlussreiches Detail der Identität des mysteriösen Täters verbirgt und somit zur endgültigen, vorhersehbaren Wendung führt.

Laut Margheritis gutem Freund Giacomo Furia (der Charakterdarsteller spielt den Assistenten des Kommissars und hat auch am Drehbuch mitgeschrieben) stammt die ursprüngliche Geschichte von einem anderen Regisseur, Silvio Siano, der Furia erzählte, sie sei von einem Spanier geschrieben worden. Das Drehbuch wurde dann in großer Eile verfasst, nachdem Margheriti es geschafft hatte Yul Brunner als Hauptdarsteller zu verpflichten. Die Handlung, die sich auf die Beziehung zwischen Marciani und den jungen neapolitanischen Kleingauner Angelo (Massimo Ranieri) konzentriert (der seinen Lebensunterhalt mit der Manipulation von Pferderennen verdient und Marciani schnell zu seinem Mentor auserwählt), folgt einem typischen Genrepfad. Obwohl sich das Drehbuch (wie es bei italienischen Filmen häufig vorkommt) Inhalte aus verschiedenen Quellen „entleiht“ (eine Szene, in der Marciani beinahe versehentlich Säure in eines seiner Augen tropft, stammt aus Arabeske, 1966), ist Michael Winners The Mechanic (Kalter Hauch, 1972) als das Hauptvorbild von Death Rage zu bezeichnen. Das Drehbuch ahmt die Beziehung zwischen Charles Bronson und Jan-Michael Vincent nach, wobei das Generationsmotiv auch gleichzeitig an Italo-Western wie Tonino Valeriis I giorni dell’ira (Der Tod ritt Dienstags, 1967) erinnert, auch wenn dieses Motiv nicht vollständig hält, was es verspricht. Letztendlich präsentiert sich Margheritis Film in seinem telegrafierten, aber effektiven Ende allerdings weniger zynisch als beide Vorbilder, da Angelo Marcianis Nachfolger und Rächer wird („Es gibt drei wichtige Dinge in diesem Geschäft. Die Vorbereitung, den Schuss, die Flucht. Nur ein Fehler bei einem dieser drei Punkte und Du bist tot oder im Knast.“, erklärt Peter seinem jungen Schüler in der besten Szene des Films, die bei Sonnenuntergang am Meer spielt: „Mit dem Ziel darfst Du Dich nie identifizieren. Es ist eine Blechbüchse, die getroffen umfällt und ehe sie den Boden berührt musst Du weg sein. Du hast nichts gegen sie, gar nichts. Du tötest sie nur. Sie war bereits tot, als Du den Auftrag unterschrieben hast“).

Margheritis Regieführung geht vollkommen in Ordnung (die effektiven Action-Sequenzen – einschließlich einer Verfolgungsjagd in Neapels U-Bahn – wurden jedoch von seinem Regieassistenten Ignazio Dolce gedreht) und lässt viel an lokalem Flair zu, doch im Vergleich zu den poliziotteschi wird die Polizei hier zu einer marginalen, stattlichen Präsenz „degradiert“. Der von Martin Balsam gespielte Kommissar ist nur ein Zuschauer des Bandenkriegs, der die Straßen blutrot färbt. Er toleriert den aus Übersee stammenden Killer („Er ist ein öffentlicher Wohltäter“, witzelt er sogar) und versucht, als Vermittler zwischen den lokalen Chefs zu fungieren. Als junger unerfahrener Sidekick lässt Ranieri (ein beliebter neapolitanischer Sänger und ein instinktiv begabter Schauspieler, der in Mauro Bologninis Metello von 1969 debütierte) eine liebenswerte Wahrhaftigkeit in seine Rolle einfließen, während sich Barbara Bouchet (die einen denkwürdigen Striptease in einem Club hinlegt) so atemberaubend wie immer präsentiert. Die beiden Hauptdarsteller kamen am Set allerdings überhaupt nicht gut miteinander aus, was sich auch auf ihre Bildschirm-Chemie auswirkte. Laut der Schauspielerin war es für alle Beteiligten unmöglich vernünftig mit ihrem Co-Star umzugehen, der die Crew sehr rüde behandelt haben soll. Bouchet (entsetzt über sein Verhalten) zahlte es Brynner heim, indem sie ihm einen Strauß Nelken schickte. Eine Blumenart, vor der er kurioserweise eine extreme Phobie entwickelt hatte. Guido und Maurizio De Angelis steuern eine exzellente Filmmusik bei.

Mit der Nummer sechszehn ihrer Polizieschi Edition Höllenhunde bellen zum Gebet ist filmArt wieder eine wirklich gute Veröffentlichung gelungen. Der Film ist zwar kein absoluter Meilenstein des Genres, zählt aber sicherlich zu den besseren Vertretern und kommt als ansprechend gestaltete BluRay-Edition mit Wendecover daher. Die technischen Daten (Bild: 1,85:1 / 1080p und Ton: DTS-HD Master Audio 1.0) wissen auch zu überzeugen, befinden sich aber nicht auf aller höchstem Niveau. Ich denke jedoch es wurde das Beste aus dem vorhandenen Ausgangsmaterial herausgeholt. Dem Bild merkt man an wenigen Stellen die Restauration an, wobei nicht alle Bildschäden oder Verschmutzungen entfernt werden konnten. Wirklich stören tut das allerdings nicht. Die italienische Originaltonspur liegt diesmal leider nur bei der gekürzten italienischen Fassung vor. Untertitel lassen sich keine zuschalten.

Bonusmaterial:

  • Booklet über den Film und Antonio Margheriti von Christian Keßler (wie gewohnt, sehr unterhaltsam und informativ geschrieben)
  • Italienische & Englische Fassung (beide gekürzt)
  • Italienischer Trailer
  • Wendecover ohne FSK-Logo

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  • Darsteller: Barbara Bouchet, Martin Balsam, Massimo Ranieri, Giancarlo Sbragia, Salvatore Borghese
  • Regisseur(e): Antonio Margheriti
  • Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
  • FSK: Freigegeben ab 18 Jahren
  • Studio: filmArt
  • Produktionsjahr: 1976
  • Spieldauer: 98 Minuten
  • Sprache: Deutsch, Englisch
  • Untertitel: Keine

Diese Edition wurde uns freundlicherweise von filmArt zur Verfügung gestellt.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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