In den Klauen der Mafia / Il conto è chiuso / The Last Round

Er kommt aus dem Süden, um im reichen italienischen Norden Arbeit zu finden. Doch Marco Russo gerät direkt zwischen die Fronten zweier rivalisierender Gangsterbanden, angeführt vom schneidigen und waffenverliebten Rico Manzetti auf der einen und dem schmierigen und feisten Bobo Belmondo auf der anderen Seite. Sie haben die Macht in der Stadt an sich gerissen und aufgeteilt. Wer zwischen ihre Schusslinien gerät, der lebt nicht mehr lange. Unlängst hat sich die Polizei feige verkrochen und über ambitionierte Staatsanwälte hauchen in der stechenden Mittagssonne auf offener Straße im Trommelfeuer entfesselter Maschinenpistolen ihr Leben aus. Vor diesem Hintergrund beginnt Marco Russo ein riskantes Unterfangen: Mit Geschick und Tücke will er beide Banden gegeneinander ausspielen. Doch welchen Plan verfolgt er wirklich? Was lässt einen aufrechten Sizilianer so tief in die Niederungen menschlichen Handelns hinabsteigen? (Anolis Entertainment)

Kurzinhalt inkl. Spoiler !!!

Der junge Marco Russo (Carlos Monzón) – ein ehemaliger Söldner, der zum Landstreicher geworden ist – macht sich auf den Weg, um seine Mutter und seine Schwester zu rächen, die von Gangsterboss Rico Vanzetti (Luc Merenda) vergewaltigt sowie getötet wurden. Es gelingt ihm von seinem Feind angeheuert zu werden und diesen geschickt in einen blutigen Krieg mit seinem Geschäftskonkurrenten Bobo Belmondo (Mario Brega) zu verwickeln. Außerdem befreit er Vanzettis Liebhaberin (Mariangela Giordano), die von den Gangstern gefangen gehalten wird, damit Rico mit ihrer Tochter (Luisa Maneri als Annaluisa Pesce gelistet) machen kann, was er will. Marco wird schließlich von Vanzetti entlarvt und von dessen Männern beinahe zu Tode geprügelt, wobei sie auch seine Hände schwer verletzen. Russo flüchtet sich zu einem Freund (Giampiero Albertini), der ihn versteckt und ihm hilft sich zu erholen. Letztendlich steht Marco (obwohl er immer noch ein wenig angeschlagen ist) Rico gegenüber und tötet ihn.

Achtung Spoiler !!!

Das eloquenteste Beispiel für den recht schmalen Grat zwischen Italo-Western und poliziotteschi, repräsentiert Stelvio Massis In den Klauen der Mafia, ein nicht deklariertes modernes Remake von Sergio Leones Per un pugno di dollari (Für eine Handvoll Dollar, 1964) mit dem ehemaligen Mittelgewichts-Champion Carlos Monzón, der versuchte sich als Schauspieler neu zu erfinden, allerdings mit spärlichen Ergebnissen (Monzón spielte auch in Marcello Andreis Western El Macho, 1977). Drehbuchautor Piero Regnoli (der sich beim ersten Film der Dollar-Trilogie bereits für Andrea Bianchis Quelli che contano / Die Rache des Paten von 1974 bedient hatte) überarbeitet und vermischt die Hauptelemente aus Leones Universum mit einem philologischen Interesse, das eventuell auf eine theoretische Reflexion von Genre-Stereotypen abzielt: denn Rico, Luc Merenda, der sexbesessene Gangster mit einem Fetisch für Waffen, stellt eine aktualisierte Version von Gian Maria Volontès sadistischen Bösewichten dar, während Monzóns einsamer Held – der eine Spieluhr mit den Bildern seiner ermordeten Liebsten mit sich trägt und die Tragödie in überbelichteten Flashbacks wieder aufleben lässt, begleitet von Luis Enrique Bacalovs Morricone-artiger Musik – eine Mischung aus Colonel Mortimer (Per qualche dollaro in più / Für ein paar Dollar mehr, 1965) und Harmonica (C’era una volta il West / Spiel mir das Lied vom Tod, 1968) repräsentiert.

Die Überschneidung von Western-Repertoire und Krimi-Genre schließt auch die Bezüge zur Gegenwart nicht aus: Das kleine Westernstädtchen ist zu einer großen Industriestadt geworden, die von kriminellen Banden regiert wird. Die Unterdrückten sind hier nicht die ihres Landes und Viehs beraubten Cowboys, sondern die Arbeiter, die ohne Grund entlassen werden und nicht mit der Hilfe von Gewerkschaften rechnen können. Der „Fremde“ hat eine Vergangenheit als Söldner in Afrika und im Südosten; während nicht die ehrlichen Sheriffs unter das Feuer der Bösewichte geraten, sondern die wenigen Richter, die mit den Kriminellen keine gemeinsame Sache machen wollen. Die Vision des heutigen Italiens als eine Art Wilder Westen – eine Gleichung, die in vielen zeitgenössischen poliziotteschi oftmals explizite Erwähnung findet – ist jedoch weit weniger überzeugend geraten, als etwa in Tonino Valeriis Vai Gorilla (Der Gorilla, 1975), nicht zuletzt, weil der Schauplatz bewusst unbestimmt bleibt: Die Großstadt, offensichtlich Rom, wird nie erwähnt, sondern in einer fabelhaften Dimension fixiert.

Merenda, der In den Klauen der Mafia als einen seiner schlechtesten Filme ansieht, war der Streifen vollkommen egal, doch er mochte Monzón als Boxer und da sie Co-Stars sein sollten, beschloss er den Film zu drehen. Da Merenda der Meinung war sie würden Brüder oder so etwas Ähnliches spielen, hielt er das Ganze für eine coole Sache, obwohl Monzón kein erfahrener Schauspieler gewesen ist. Nachdem er das Drehbuch gelesen hatte, war ihm dann klar, dass er den Part des Bösewichts übernehmen sollte, was ihn wirklich sauer machte. Merenda bat daraufhin um mehr Geld und darum, dass seine Szenen von seinem Freund Alberto Silvestri (der sich auch für Gli amici di Nick Hezard / Der Dreh mit dem Millionencoup von 1976 verantwortlich zeigt) umgeschrieben und erweitert werden (Curti, Roberto. Italian Crime Filmography 1968 – 1980, North Carolina: McFarland, 2013, Seite 181). Angesichts der Beharrlichkeit des Genres auf Vergewaltigungssequenzen – in einer Zeit, in der italienische Genrefilme stark auf das Gaspedal für gewalttätige Sexszenen traten – sowie Regnolis Militanz innerhalb des Sexploitation-Genres, überrascht es nicht, dass auch In den Klauen der Mafia einen solchen unangenehmen Moment aufzuweisen hat: Das Opfer ist hier eine junge blinde Frau, gespielt von der bezaubernden Leonora Fani, die eine der am meisten missbrauchten Schauspielerinnen im italienischen Kino der späten 70er Jahre darstellt und zwar von Francesco Barillis Pensione Paura (Hotel Fear, 1978) bis zu Mario Landis berüchtigtem Giallo a Venezia (1979).

Bei Amazon bestellen

  • Seitenverhältnis: ‎16:9 – 1.85:1, 16:9 – 1.77:1
  • Alterseinstufung: Nicht geprüft
  • Regisseur:‎ Massi, Stelvio
  • Medienformat: DVD-Video
  • Laufzeit: 1 Stunde und 31 Minuten
  • Darsteller:‎ Merenda, Luc, Monzon, Carlos
  • Untertitel: ‎Deutsch
  • Sprache: ‎Italienisch (Mono), Deutsch (Mono)
  • Studio: Anolis Entertainment

Beim Film-Retro-Shop bestellen

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

Das könnte dich auch interessieren …