Kompromat

Kompromat ist ein französischer Thriller aus dem Jahr 2022 von Jerome Salle (Zulu). Achtung, die nachfolgende Besprechung nimmt zwangsläufig etwas Handlung vorweg.

Mathieu (Gilles Lellouche) leitet eine französische Kultureinrichtung in Irkutsk. Seine Frau ist mit dem neuen Leben in Sibirien nicht ganz happy, und sie haben eine junge Tochter. Kurz nach der Eröffnungsfeier für einen neuen Veranstaltungsort stürmt die Polizei plötzlich Mathieus Haus und er findet sich im Gefängnis wieder. Ihm werden schlimme Straftaten vorgeworfen, die Chancen stehen schlecht, dass man die Anklage fallen lässt oder ihn frei sprechen wird. Sein Anwalt kann nach einigen Wochen durchsetzen, dass man ihn mit einer elektronischen Fußfessel zumindest zu Hause leben lässt. Während all der Zeit versucht er sich zu erinnern, was ihm den Schlammassel eingebrockt haben könnte. Und dann muss er fliehen, denn bei einer Verurteilung würden ihm 15 Jahre sibirisches Gefängnis blühen…..

Lellouche (La French) spielt sehr überzeugend den französischen Kulturdiplomaten, den wir als Zuschauer als jemanden erleben, der in Russland zurecht kommt, die Sprache spricht und letztlich auch gerne dort ist – im Gegensatz zu seiner Frau. Wo wir ihm als Zuschauer aber längst voraus sind ist, dass er sich letztlich nicht im klaren ist über den Zustand der russischen Gesellschaft, die abseits von Kunst und Literatur, möglicherweise das was ihn ursprünglich anzug, längst solch illiberale Rückschritte gemacht hat (der Film spielt in etwa 2017) dass man seine Figur mindestens als erstaunlich naiv bezeichnen muss. Er versteht nur sehr langsam, wie sehr sich sein Hintergrund von der Mentalität der Leute vor Ort unterscheidet, und welche Kränkungsreaktionen sein Handeln letztlich in den Köpfen (vor allem denen der alten KGB Leute) auslöst. Handeln, das er zunächst ganz naiv als quasi unschuldige Kunst ansieht, und dabei den Fehler macht dass Kunst dort nicht alles darf, nur weil das in Frankreich vielleicht so ist.

Aber wir werden auch auf eine falsche Fährte gelockt. Er tanzt am Tag der Eröffnung mit einer jungen Frau, gespielt von Joanna Kulig (Cold War), die sich als Schwiegertochter eines FSBlers entpuppt. Sie kann Französisch und die beiden verstehen sich. Wird er eingebuchtet weil er mit der falschen Frau flirtet? Wohl kaum. Sie ist es aber, die zu ihm steht während er im Knast ist, und ihm auch darüber hinaus hilft. Der Film spielt wie gesagt 2017, also schon in der heißen Phase von Russlands militärischer Aggression gegen die Ukraine, man hört in einem TV Bericht im Hintergrund kurz die Worte Schuldenrückzahlung und Krim. Die bilateralen Beziehungen waren da also schon stark belastet, und nun kommt Mathieu und ließ dort jemand ein Ballet choreographieren, das Homosexualität zeigt. Dumm, fast schon, egal was man vom russischen Blickwinkel darauf halten mag. Nun könnte man sagen, selbst schuld, aber was ihm dann blüht ist natürlich abscheulich.

Der Film ist in erster Linie ein handwerklich und schauspielerisch sehr gut gemachter Thriller, der bis zum Schluss spannend bleibt obwohl er sehr vorhersehbar ist. Er spielt auch mit einigen Aspekten die auch einigermaßen typisch für französische Drehbücher sind: Es gibt Szenen im Film da wird ihm als Franzose vorgeworfen, seine Gesellschaft ist von Feigheit geprägt und verweichtlicht. Später im Film kriegt er dies letztlich sogar selbst zu spüren und scheint so falsch als Aussage nicht zu sein: der französische Botschafter nämlich, dem die bilateralen Beziehungen wichtiger sind als die Aussagen eines seiner Bürger. Kompromat ist einigermaßen aktuell, vielschichtig genug und nicht zu platt um sich größere Schnitzer zu leisten. Russlandkenner werden an dem Film sicher viel auszufressen haben, immerhin basiert der Film aber auf einer echten Begebenheit und regt zum Nachdenken an. Man konnte in letzter Zeit ja, wie ich es auch getan habe, viele Fachartikel in einschlägigen Publikationen wälzen, in denen Russlandexperten versuchen, die aktuelle russische Politik und deren kulturelle Genese zu erklären und sie zumindest nachvollziehbarer zu machen. Das diese sehr stark von Ressentiments (engl. „grievance“) getrieben ist und tief sitzende Kränkungen außenpolitisch verarbeitet, das passt auch gut zur Handlung dieses Films.

Die BluRay von Plaion Pictures hinterlässt gemischte Gefühle. Das Bild hat mir nicht gefallen. Also, für einen aktuellen Film und einer Bluray auf der bestimmt viel Platz ist, geht das eigentlich gar nicht. Das Bild sieht aus als ob stärker komprimiert (kompromatiert vielleicht) wie bei einem drittklassigen Streamingdienst. Da sieht in dunklen Szenen alles Matsch aus, es mangelt total an Farbtiefe, eigentlich fast schon gänzlich inakzpetabel. Da brauche ich von Kontrast und Schwarzwerten gar nicht reden, sowas hätte in der Form im Jahr 2023 nicht produziert werden dürfen finde ich. Dabei ist das Bild ansonsten scharf. Der Ton geht, haut aber auch niemanden um. Die Dialogverständlichkeit ist gut (Französische Spur getestet, mit dt. Untertiteln – es gibt auch eine Synchronfassung), ganz dezente Surround-Effekte und aber fast keine Musik reduzieren die Soundkulisse insgesamt. Kein Grund zur Beanstandung, halt total minimalistisch. Es gibt ein paar wenige Extras. Dazu gehören der Trailer, eine entfallene Szene (unter 2min, mit Untertiteln) und ein Making-Of von 16 Minuten mit deutschen Untertiteln. Hier sind einige Interviews enthalten und das ist auch recht interessant, ist aber von der Natur her eher in der Kategorie TV-Promo/Hintergrund und Aufnahmen vom Dreh sind hier auch nicht dabei.

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Kompromat
Die BluRay wurde uns zur Verfügung gestellt.

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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