Licht im Dunkel / The Miracle Worker

Seit frühester Kindheit blind und gehörlos, ist die siebenjährige Helen Keller in einer furchterregenden, einsamen Welt der Stille und Dunkelheit eingeschlossen: Nie hat sie den Himmel gesehen, nie die Stimme ihrer Mutter gehört, nie konnte sie ihren tiefsten Gefühlen Ausdruck verleihen. Dann aber nimmt sich Annie Sullivan, eine junge Lehrerin aus Boston, ihrer an. Allein über den Tastsinn, der einzige Sinn, der beiden gemeinsam ist, gelingt es Annie, Helens Isolation zu durchbrechen. Von Annie geführt, bricht ihre tapfere Schülerin auf zu einer Reise voller Wunder – von Furcht und Einsamkeit zu Licht und Glück. (Wicked Vision Distribution GmbH)

Man stelle sich eine Welt von völliger Dunkelheit vor, in der es keine Farben gibt, der Anblick von Schönheit geschwärzt und nicht vorhanden ist. Dazu kommt noch vollkommene Gehörlosigkeit; kein Vogelgezwitscher, kein Babygeschrei, keine Musik, wobei der Klang einer menschlichen Stimme niemals vernommen werden kann. Durch das Fehlen dieser beiden Sinne bedingt sich die Unmöglichkeit sich mit einer Stimme auszudrücken, seine Ängste und Emotionen verbal mitteilen zu können. Man stelle sich das ziellose Umherirren in einem privaten Gefängnis vor, aus dem der Gefangene selten entkommen kann und man befindet sich in Helen Kellers verkümmerter Welt. Im ausgehenden 19. Jahrhundert ist Helen (Patty Duke) praktisch sich selbst überlassen und fristet ihr Dasein mit ihren Eltern, Captain und Mrs. Keller (Victor Jory und Inga Swenson) und ihrem Halbbruder James (Andrew Prine) im Süden der USA, der sich aufgrund des Bürgerkriegs in einem Zustand ständiger Veränderung befindet.

Helen ist daran gewöhnt, ihren eigenen Willen durchzusetzen und erschafft immer wieder Situationen, die die frustrierte Aufmerksamkeit der Menschen garantiert auf sich ziehen, aus denen Helens Welt besteht. Sie verschlimmert eine ohnehin schon fragile Lage, indem sie diejenigen manipuliert, die für ihre Fürsorge sowie ihr Wohlbefinden verantwortlich sind und es aus Mitleid ablehnen ihren Wutanfällen sowie verzogenem Verhalten ein Ende zu bereiten. Helen wird mit einer besonderen Sorgfalt behandelt, die ihr nicht „zu Gute“ kommen würde, wenn sie „normal“ wäre. James möchte sie aus „Güte“ am liebsten in eine Anstalt einliefern lassen, was Helens Eltern jedoch entschieden ablehnen. Zu Helens Glück, denn die Anstalten von damals kann man als Auffangbecken für allerlei „gefallene“ Menschen ansehen, wie Prostituierte mit Krankheiten, über die man lieber nicht spricht sowie deren zurückgelassene Kinder, die normalerweise nicht lange überlebten, genauso wie die Alten, die Kranken und die, die als „Verrückte“ oder „Wahnsinnige“ bezeichnet wurden.

Kate Keller erhält letztendlich die Erlaubnis ihres Mannes an das Perkins Institute in Boston zu schreiben, wo sie um Hilfe für Helen bitten möchte. Diese Hilfe kommt dann in Form von Annie Sullivan (Anne Bancroft), einer jungen Frau, die im Alter von 10 Jahren selbst beinahe vollkommen blind gewesen ist, durch eine Reihe von Operationen jedoch noch genug Sehvermögen besitzt, um für kurze Zeit lesen und in der alltäglichen Welt um sie herum funktionieren zu können. Helen ist ihre erste Schülerin, wobei Annie nicht den Samthandschuh der Unterwerfung und Sympathie überstreift, sondern viel eher den eisernen Handschuh der Festigkeit und des klaren Ziels des Denkens und der Überzeugung. Daraus entsteht ein Battle Royal für alle Beteiligten, mit der Summe eines Durchbruchs von überwindbaren Ausmaßen.

Die Darbietungen der beiden Hauptdarstellerinnen Anne Bancroft und Patty Duke sind in ihrer Vielfalt und Fähigkeit das Publikum in die Möglichkeiten dieses winzigen, säkularen Stücks von Zeit und Ort hineinzuziehen, als atemberaubend zu beschreiben. Duke versteht es bestens ihre von Adrenalin und Beharrlichkeit durchdrungene Broadway-Performance perfekt zu wiederholen. Bancroft, die zuvor hauptsächlich als Nebendarstellerin beschäftigt war, übernimmt hier ihre erste große Hauptrolle und fängt die Essenz einer einsamen, verängstigten aber trotzigen jungen Frau ein, die versucht, Helens leere Welt auf das Plateau eines menschlichen Lebens zu hieven, wie es die meisten von uns kennen. Die berühmte Sequenz im Esszimmer, in der Annie versucht, Helen beizubringen, wie man sich vernünftig hinsetzt und sein eigenes Essen von seinem eigenen Teller mit einem Löffel (und nicht mit den Händen) isst, wurde mit geschickter Präzision orchestriert. Sie stellt eine äußerst anstrengende Übung in Ausdauer sowie Präzision dar, in der sich die beiden Protagonistinnen gegenseitig wie duellierende Generäle ausspielen, die beide hungrig auf den Sieg sind.

Victor Jory verleiht seiner Nebenrolle Glaubwürdigkeit und Respekt, indem der schroffe, brüllende Colonel in der Erscheinung eines höfischen südstaatlichen Gentlemans schließlich nachgibt, als Kate um Erlaubnis bittet nach einer weiteren, letzten Möglichkeit einer Behandlung für Helen suchen zu dürfen. Sein fluchendes, aufbrausendes Verhalten wird im erheblichen Maße gemildert, als Helen ihren historischen Durchbruch schafft. Jorys Karriere umfasste die Anfänge Hollywoods in den 30er Jahren, wobei seine bemerkenswerteste Rolle die des Jonas Wilkerson in Vom Winde verweht (1939) darstellt. Inga Swenson spielt als Kate Keller herzzerreißend auf, da diese ihre Tochter wirklich aufrichtig liebt und nicht aufgibt sie aus deren isolierten Welt retten zu wollen. Ihr Pathos und ihre Beschwingtheit, die ineinander übergehen, zeigen ihre absolute Fähigkeit auf, die Essenz ihres Charakters und den zerbrechlichen, jedoch unerschütterlichen Glauben einzufangen, dass sich für Helen doch noch alles zum Guten wenden kann.

Arthur Penns Regie ist als hervorragend zu bezeichnen, wobei er seine Besetzung wie eine fein gestimmte Geige spielen lässt, mit Tönen, die den sich offenbaren wollenden Schmetterling zunächst zurückhalten, da er erstmal diverse Lebens- bzw. Lernphasen durchlaufen muss, bevor er seine Schönheit entfalten kann. Es war seinem Engagement und dem des Drehbuchautoren William Gibson zu verdanken, dass Anne Bancroft ihre Rolle angeboten wurde, was sie mit einer überwältigenden schauspielerischen Leistung als Dankeschön quittierte. William Gibson hat sein Bühnenstück mit einem unangefochten nervenaufreibenden Touch und mit würdevoller Eleganz auf die Leinwand übertragen. Ernesto Capparos Kinematographie präsentiert sich zurückhaltend, während seine Verwendung von Schwarzweiß ein jenseitiges Gefühl vermittelt, besonders wenn Rückblenden von Annies Leben in der Anstalt gezeigt werden. Diese werden eher wie ein Traum präsentiert, der sich vor dem geistigen Auge des Publikums abspielt und mit der Realität eines Alptraums mit unbegrenzter Dauer schockiert. Die starke Körperlichkeit der Sets sowie deren minimalistische Natur nehmen die Kamera gefangen und bereiten die Bühne für die sich entfaltende Geschichte.

Laurence Rosenthals Musik erweist sich als sehr geschickt in seiner Handhabung und kommuniziert die stillen Momente auf subtile Art und Weise, während kraftvolle Momente dementsprechend begleitet werden. Dies wird besonders deutlich, als sich Annie letztendlich mit Helen an der Wasserpumpe „verbindet“ und letztere schließlich erkennt, dass alles einen Namen und eine Bedeutung hat. Ruth Morleys Kostümdesign kommt in der Darstellung einer einfachen Familie der südstaatlichen Mittelklasse ziemlich formgetreu rüber. Insgesamt erstrahlt Licht im Dunkel in dezenter, unaufdringlicher Eleganz. Hier werden dem Publikum sowohl der Sinn des Menschseins, als auch die Entschlossenheit des Geistes anvertraut, um die Möglichkeiten erfassen zu können, die überall um uns herum existieren. Nachdem man diesen Film gesehen hat, werden einem alle seine eigenen Probleme im Vergleich dazu geringfügig erscheinen. Licht im Dunkel regt zum Nachdenken an und verstrickt seine Zuschauer in Fragen, die sich von Was-wäre-wenn zu Überzeugung und Selbstvertrauen entfalten sowie dem Wissen, dass alles möglich ist, auch wenn einem nur eine halbe Chance gegeben wird. Um Helen Keller zu zitieren: „Obwohl die Welt voller Leiden ist, ist sie auch voll von der Überwindung dieser.“

Wicked-Vision veröffentlicht Licht im Dunkel als Nummer 59 ihrer Collector’s Edition im Mediabook (Blu-ray und DVD), mit drei verschiedenen Cover-Motiven, die jeweils auf 333 Stück limitiert sind. Bild (1,66:1 /1080p) und Ton (Deutsch + Englisch DTS-HD Master Audio 2.0 / Dolby Digital 2.0) bewegen sich auf gutem Niveau, da kann man sich überhaupt nicht beschweren. Deutsche oder englische Untertitel können zugeschaltet werden. Insgesamt handelt es sich bei Licht im Dunkel wieder einmal um eine äußerst gelungene Mediabook-Edition mit nettem Bonusmaterial, die bei Liebhabern und Freunden von Dramen solcher Art enorm gut ankommen sollte.

Bonusmaterial:

• 24-seitiges Booklet mit einem Essay von Bernward Knappik —> Hier kann man vieles über die Entstehung des Films, den Regisseur und die Rezeption erfahren
• Audiokommentar mit Dr. Gerd Naumann, Christopher Klaese und Medienpädagoge Marco Geßner —> Die drei Herren bescheren ihren Zuhörern auf unterhaltsame Art und Weise viel Interessantes sowie Informatives rund um den Film
• Originaltrailer
• Bildergalerie

Beim Wicked-Shop bestellen

Freigabe: 12
Ländercode: B / 2
Laufzeit: 106 Minuten (ungekürzt) / 101 Minuten (ungekürzt)
Bildformat: 1,66:1 (1080p) / 1,66:1 (anamorph)
Sprache: Deutsch, Englisch
Tonformat: DTS-HD Master Audio 2.0 / Dolby Digital 2.0
Untertitel: Deutsch, Englisch
Verpackung: Mediabook
Discs: 2
Format: Blu-ray / DVD
Studio: Wicked Vision Distribution GmbH

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Diese Edition wurde uns freundlicherweise von Wicked-Vision zur Verfügung gestellt.

Das Bildmaterial stammt nicht von dieser Edition.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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