Morte sospetta di una Minorenne / The Suspicious Death of a Minor

Polizio

giallo1

– Italien: Wer reich ist, ist korrupt und kriminell –

Kommisar Germi (Claudio Casinelli)  flirtet in einem Tanzlokal mit einer jungen Prostituierten, die kurze Zeit später brutal ermordet wird. Daraufhin nimmt der Kommisar seine unkonventionellen Ermittlungen, die ausgerechnet von einem Kleinkriminellen unterstützt werden, auf. Ein Sog aus Prostitution und Korruption zieht die Beiden tief in ein dunkles Millieu hinein.

bscap1069cz2

Wir schreiben das Jahr 1975. Sergio Martino, der vor allem unter Giallo Kennern ein hohes Ansehen genießt, inszenierte in diesem Jahr einen sehr ungewöhnlichen Eurocrime Film. Eine Mischung aus Giallo, Polizieschi und der typischen italienischen Komödie, welche vor allem durch ihren plumpen Humor, alberne Slapstick Einlagen und viel Erotik zu zweifelhaftem Ruhm gelangte (Gott sei Dank, schaffte es Martino, diesen Genre-Spagat zu meistern). Viele werden an dieser Stelle zurückschrecken, denn das Genre der italienischen Komödie ist schon etwas für die hartgesottenen „Italophilen“. Um nun an dieser Stelle schon Entwarnung zu geben, die Komödienelemente nehmen in diesem „Thriller“ nur einen kleinen Bestandteil ein.Wir gehen mit Claudio Casinelli (der oft mit Martino zusammenarbeitete) auf die Mörder-Hatz, denn ein junges Mädchen, genaugenommen eine minderjährige Zwangsprostituierte, musste durch Fremdeinwirkung ihr junges Leben lassen, da sie zu viel wusste. Casinelli, also Kommissar Germi, geht das natürlich gehörig gegen den „Strich“ und somit versucht er Fuß zu fassen, in dem kriminellen Moorrast aus Drogen, Gewalt und Prostitution. Dabei steht ihm ein Kleinkrimineller, Giannino (Adolfo Caruso) bei, der für die lustigen Momente im Film sorgen soll. Diesem ist das Wort „Dummheit“ praktisch seit der Geburt in die Stirn gemeißelt worden, da er erst handelt und dann anfängt zu denken. Dies führt im Film zu einigen mehr oder weniger „lustigen“ Szenen. Insgesamt jedoch überwiegt der Thrilleranteil. Casinelli verkörpert den intellektuellen Polizisten glaubwürdig, er trägt auch eine Brille, die im Film immer wieder für ein paar Schmunzler sorgt, da sie in den unterschiedlichsten Situationen zu Bruch geht. Allerdings lässt sich diese Brille auch als Spiegel seiner Seele deuten, denn sie ist wie er, angekratzt, sogar innerlich gebrochen. Der Staat, der durch die Polizei vertreten wird, steht nicht wirklich hinter ihm und noch weniger hinter seinen Ermittlungsmethoden. Andererseits wirken seine Aktionen stellenweise grenzwertig und er hat den Finger  zu schnell am Abzug. Er, getarnt als „Loddel“, genießt bei seinem Chef zwar immerhin den Ruf eines „tüchtig“ arbeitenden Polizisten, der Übereifer jedoch missfällt dem von Mel Ferrer dargestellten Vorgesetzten. Germis Spur führt in die höchsten Kreise zu Massimo Girotti, einem hohen Tier innerhalb der Politik…

bscap1076cq1

Stilistisch bedient sich Martino seiner gängigen Mittel. Es werden Zooms, Nahaufnahmen und geschickt geschnittene Szenen präsentiert. Die Drehorte wirken authentisch und versprühen einen provinziellen, lädierten, vom Leben der Menschen gezeichneten Charme. Gerade die Besetzung der Nebenrollen, mit „Typen“-Darstellern, wertet den Film immens auf.  Das Ganze wird von Paolo Innocenzi mal eher ruhig aber auch teilweise mit einer aufpeitschenden Dynamik eingefangen. In Weitwinkelaufnahmen wirken die verspielten 70er Jahre Wohnungen mondän und die Patina, die sich durch die Bilder ansehen lässt, versprüht ihren Charme. Untermalt wird dies durch einen guten Soundtrack von Luciano Michelini, der stellenweise zu sehr nach Komödie klingt und stellenweise zu sehr Goblins Soundtrack zu „Profondo Rosso“ (1975) ähnelt. Überhaupt weißt der Film inszenatorisch viele Parallelen zu „Rosso“ auf, so gleichen einige Mordszenen denen in „Deep Red fast eins zu eins, lediglich mit kleinen kreativen Neuerungen. Drehbuchautor Ernesto Gastaldi versucht Gesellschaftskritik in das Werk einfließen zu lassen. Indirekt lässt sich eine Verbindung zu Massimo Dallamanos Film „Der Tod trägt schwarzes Leder“ (1974) herstellen, in dem auch Claudio Casinelli als Kommissar mitwirkte und der das Thema der „Kinderprostitution“ ebenfalls aufgriff. Man könnte „Morte sospetta….“ unterstellen, dass dieses Storyelement zwanghaft eingebaut wurde, um dem Film ein glaubwürdiges Fundament zu geben. Leider wirkt dies stellenweise auch so, da die Geschichte oft zu sehr abdriftet und die prekäre Situation nicht wirklich greifbar wird. Auch vermittelt der Film unbeabsichtigt die Botschaft alle „Reichen“ in Italien seien korrupt, wobei die Darstellung der Charaktere sowie die Auflösung rund um den „Kinderprostitutionsring“ zu eindimensional geraten ist. Somit sollte man den Film dann vielleicht nicht als gesellschaftskritisches, filmisches Referenzwerk innerhalb des Exploitation-Genres betrachten, der ein interessantes und ungemein empfindliches Thema behandelt, sondern als Unterhaltungsfilm mit einem Hauch Gesellschaftskritik genießen, denn für mehr ist die an sich gute Geschichte nicht genutzt worden. Dies könnte letztendlich dazu führen, dass es Manchem schwer fallen mag diesen Film zu mögen.

bscap1072dy1

Sergio Martino drehte beispielsweise mit dem Polizei Film „Die Killermafia“ (1975), ebenfalls einen „Aktion“ Film, welcher aber durchaus die Merkmale eines Politthrillers aufweist. Jedoch nutzte er auch in der „Killermafia“ die Story nicht effizient genug, sodass der Film kein ernsthafter Politthriller geworden ist. Sergio Martino ist ein solider Regisseur, der handwerklich äußerst begabt ist, aber vor allem bei politischen Themen eher an der Oberfläche kratzt. Das kann ein Grund dafür sein, dass er bei den Polizei und Gangster Filmen eher in der zweiten Reihe rangiert und diesen Umstand merkt man „Morte…“ an.

Trotzdem hat Martino einen äußerst interessanten Genre Hybriden erschaffen, der aber letztendlich „nur“ im oberen Mittelfeld anzusiedeln ist. Der Regisseur versteht es über einige Sequenzen Spannung aufzubauen, verliert jedoch immer wieder den Roten Faden, um die Story stringent voran zu treiben.

Alles in allem, ein unterhaltsamer, stylischer Film, der gepflegte Unterhaltung a la Italia bietet.

 

bscap1077vf7

Morte sospetta di una minorenne Sergio Martino 1975Der Film ist auf DVD vom Label Sazuma innerhalb der Italien Genre Cinema Collection als Nr.1 erschienen, die von Camera Obscura nach der Insolvenz von Sazuma fortgesetzt wurde. Der Film wird mit einem guten Bild, klaren Originalton mit deutschen Untertiteln präsentiert. Dazu gibt es einen Audiokommentar mit Christian Keßler und Robert Zion sowie ein Interview mit Sergio Martino. Wie in der Reihe üblich, liegt dem Digipack ein Booklet bei, welches von Christian Keßler verfasst wurde.

 

Dieser Text wurde von Janek Rekos verfasst und mit einigen Details durch Bluntwolf ergänzt.

Das könnte dich auch interessieren …