New Jack City

Mit unvorstellbarer Brutalität regiert Nino Brown ein Drogenimperium mitten in New York. Er ist ein Diktator der Gewalt, der mit seiner schwerbewaffneten Gang, den Cash Money Brothers, jeden Widerstand gnadenlos aus dem Weg räumt – die New Yorker Polizei hat keine Chance. Bis Brown auf eine Zwei-Mann-Spezialeinheit stößt, die die Straßen der Gewalt scheinbar genauso gut kennen wie er selbst… (Warner Home Video)

Sollte man New Jack City 1991 im Jahr seiner Veröffentlichung gesehen haben, dürfte man den Film ziemlich mögen, wenn nicht sogar lieben (vorausgesetzt man kann etwas mit New Black Cinema anfangen). Der Film erzählt eine interessante Geschichte voller Sex, Gewalt, Drogen und Hip-Hop, doch wenn man ihn sich jetzt anschaut, scheint er schon ein wenig veraltet zu sein. Nicht, dass der Plot selbst nicht mehr relevant wäre, doch der Streifen ist so dermaßen von Hip-Hop und Mode der 90er durchdrungen, sodass es sich unmöglich gestaltet, dies nicht zu bemerken. Für uns ist das eine gute Sache, da wir als Jugendliche in dieser Zeit aufgewachsen sind und uns sehr lebhaft an die 90er Jahre erinnern können, was für andere Leute schon wieder ganz anders aussehen kann.

New Jack City repräsentiert Ice-Ts erste große Rolle, in der er einen rücksichtslosen Polizisten spielt, der darauf aus ist, den von Wesley Snipes gespielten Verbrecherboss Nino Brown zu vernichten. Snipes hat die Carter Apartments übernommen und daraus eine Festung geschaffen, um darin sein Crack-Imperium zu beherbergen, wobei es an Ice-T und seinen Cop-Kumpels liegt, Ninos Organisation auf jede erdenkliche Art und Weise zu infiltrieren. New Jack City erzählt eine vielschichtige Geschichte, die sich unzusammenhängender präsentiert, als die traditionellen Erzählelemente vermuten lassen. Ein Großteil des Plots wird hier durch Editing erzählt, wobei das Publikum nie als „dumm“ behandelt wird. Als zum Beispiel auf unerklärliche Weise plötzlich zu einer Hochzeit geschnitten wird, an der Snipes und seine Truppe teilnehmen, wird das Publikum vom nächsten Schnitt darüber informiert, wer überhaupt heiratet und warum die Szene schließlich wichtig ist. Eigentlich erweist es sich als ziemlich schwierig auf diese Art und Weise eine überzeugende Geschichte zu erzählen, doch New Jack City leistet dabei relativ gute Arbeit.

New Jack City ist Wesley Snipes’ Film. Er trägt den Streifen mit seiner dynamischen Darbietung des Drogenbarons Nino Brown und lässt ihn gleichzeitig cool sowie ein totales Arschloch rüberkommen, während allen bewusst ist, dass Brown das pure Böse repräsentiert. Wo einige Filme gleichen Themas versuchen könnten den Aufstieg zur Macht zu verherrlichen (bevor sie letztendlich aufzeigen, dass sich Verbrechen nicht auszahlen), versteht es New Jack City sofort zu beeindrucken, indem hier recht deutlich signalisiert wird, dass Snipes‘ Gier nach Geld und Macht letztendlich sein Untergang sein wird. Während die makellos klingenden Stimmen einer A-cappella-Straßengruppe genau das besingen, sehen wir eine Montage von Snipes‘ Schlägern, die diejenigen ermorden, die ihnen im Weg stehen und ihren Drogenhandel aufbauen, während Snipes einen genauso schicken wie teuren Anzug anprobiert.

So sehr man auch Ice-Ts Vorstellung würdigen kann, er hat einfach nicht die schauspielerischen Fähig- und Fertigkeiten aufzuweisen, um sich gegen Wesley Snipes behaupten zu können. Allerdings sind auch ihm einige großartige Momente beschieden, während er für seine erste große Rolle wirklich tolle Arbeit abliefert. Nicht zu vergessen, Ice-T ist ein Rapper, weswegen sein natürliches Gespür für lyrischen Flow definitiv in seinem Schauspiel zum Ausdruck kommt. Ice-T steuert auch Nino Browns Rap-Thema bei, was einen absoluten Hit darstellt, bei dem er dope Reime über Bass-wummernde Beats fallen lässt.

Regisseur Mario Van Peebles hat mit New Jack City definitiv etwas Vielversprechendes geschaffen. Hierbei handelt es sich um sein Regiedebüt und obwohl sich bestimmte Aspekte sicherlich einem Neuling zurechnen lassen, zeigt sich der Großteil von New Jack City sehr gut arrangiert. Vielleicht hatte Melvin Van Peebles Recht, als er seinen 14-jährigen Sohn in der Eröffnungssexszene des Blaxploitation-Klassikers Sweet Sweetbacks Baadasssss Song besetzte, einem insgesamt eher mittelmäßigen Film mit einem der besten Titel aller Zeiten. Dieser Streifen hat das Blaxploitation-Genre letztendlich ins Leben gerufen, wobei man Mario Van Peebles‘ Synchronizität würdigen kann, der seinen Hut in den Ring wirft, nachdem das Genre bereits lange verblasst war.

Was an New Jack City jedoch am interessantesten ist, betrifft die Atmosphäre, oder besser gesagt die wechselnde Natur der Atmosphäre. In einem Moment präsentiert sich der Streifen auf blutige Art und Weise recht gewalttätig, im nächsten Moment düster und vollkommen ernst, ein anderes Mal legt er schwarzen Humor an den Tag. Wenn es um die Actionszenen geht, so sind sie zumeist wild übertrieben sowie unglaubwürdig angelegt worden. Zum Beispiel in der Sequenz, in der Ice-T dem Maschinengewehrfeuer von gleich drei Männern (die nicht so weit von ihm entfernt sind) ausweicht, um ein kleines Mädchen zu retten. Während solche Vorkommnisse in einem Film der 90er Jahre völlig selbstverständlich sind (und dem Spaßfaktor wirklich nicht schaden), werden sie ein moderneres Publikum (das lieber versucht zu kritisieren, anstatt einfach die wilde Fahrt zu genießen) ziemlich wahrscheinlich abschrecken.

Es müsste als nachlässig bezeichnet werden, wenn man Chris Rocks hervorragende Leistung als Pookie the Crack Head nicht erwähnen würde. Dem gelingt es nämlich ziemlich gut, das Publikum in manchen Augenblicken zum Lachen zu bringen und tief mit ihm zu fühlen, als er sein Leben (zum wiederholten Mal) auf den falschen Weg bringt. Es gibt einen bestimmten Moment dieses Kampfes zu sehen, der durch die vielleicht beste Aufnahme des Films hervorgehoben wird, da Van Peebles die Hitchcocksche Vertigo-Technik (oder Dolly Zoom) mit großer Wirkung zum Einsatz bringt. Der Moment selbst ist schon als extrem traurig und schwer anzuschauen zu beschreiben, doch die clevere Kameraführung intensiviert das Ganze noch auf die bestmögliche Weise.

Sollte man Scarface (1983) oder American Gangster (2007) bereits gesehen haben, so wird einen dieser Film ziemlich wahrscheinlich nicht so sehr ansprechen, doch er ist trotzdem zu empfehlen, wenn man einer großartigen 90er Besetzung dabei zu sehen möchte, wie sie ihr Ding macht. New Jack City repräsentiert einen Anti-Drogen-Film, der sich tatsächlich so anfühlt, als würde er die Drogen niemals verherrlichen, sondern seinen Zuschauern stattdessen zeigen wollen, wie Gier und Betrug einen auf genauso dunkle, wie gefährliche Pfade führen können. Interessanterweise sind die Charakterbögen von Ice-T und seinen Polizistenkollegen auch nicht sonderlich positiv oder glamourös ausgefallen. Aus der Drogenwelt kommt eben niemand so raus, wie man zuvor hereingekommen ist und obwohl New Jack City auf jeden Fall auch seine Schwächen hat, hinterlässt seine Botschaft eine bleibende Resonanz, die man nicht so schnell vergessen wird.

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  • Seitenverhältnis: 16:9 – 1.77:1, 16:9 – 1.78:1
  • Alterseinstufung: ‎Freigegeben ab 16 Jahren
  • Regisseur: ‎van Peebles, Mario
  • Medienformat: ‎Blu-ray
  • Laufzeit: ‎1 Stunde und 40 Minuten
  • Darsteller: Snipes, Wesley, Ice-T, Rock, Chris, van Peebles, Mario, Nelson, Judd
  • Untertitel: ‎Französisch, Spanisch, Portugiesisch
  • Sprache: ‎Deutsch (Dolby Digital 2.0), Französisch (Dolby Digital 2.0), Spanisch (Dolby Digital 2.0), Englisch (DTS-HD 5.1), Portugiesisch (Dolby Digital 1.0)
  • Studio: ‎Warner Home Video

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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