Paranoia / A quiet place to kill

Rennfahrerin Helen erhält eine Einladung von ihrem Ex-Mann Maurice. Als sie dort ankommt muss sie feststellen, dass ihr Ex wieder geheiratet hat und die Einladung nicht seine Idee, sondern die seiner Frau Constance war. Letztere zögert nicht lange und offenbart sogleich den wahren Einladungsgrund. Sie möchte Maurice beseitigen und hofft auf Helens Hilfe. Eine günstige Gelegenheit bietet sich bei einem Yachtausflug, doch es kommt alles anders. Ein unvorhersehbarer Mord wirft alles über Bord. Während die Polizei ermittelt, kommt eine andere Frau ins Spiel. Die Situation spitzt sich dadurch völlig zu! (X-Rated)

Ende der 60er, ein paar Jahre vor Dario Argentos Debut, erblühte ein Subgenre des Giallo: Hierbei handelte es sich um atmosphärische Gialli, die von Filmen französischer Regisseure wie Jacques Deray (Der Swimming Pool, 1969) und René Clément (Der aus dem Regen kam, 1970) inspiriert wurden und sich weniger auf Gänsehaut sowie Angst und Schrecken konzentrierten, sondern eher psychologische Spannung, genauso wie innere Konflikte in den Vordergrund rückten. Diese kleine Strömung der sogenannten psycho-gialli wurde durch soziale Unsicherheit charakterisiert, die zu dieser Zeit herrschte und zu harscher Kritik an der Oberschicht führte. Genau diese politische Stimmung öffnete die Türen für sozial engagierte Filme wie Mit der Faust in der Tasche (1965), in denen es sich auch um Morde innerhalb bürgerlicher Familien drehte. Die psycho-gialli repräsentieren eine Simplifikation (giallo-style) dieser Autorenfilme und fügten dem Mix eine gehörige Brise Morbidität hinzu – mehrdeutig und obsessiv – die von den französischen Vorbildern übernommen wurde. In diesen Filmen fokussieren sich die plot-twists nicht nur auf die Morde oder die Entlarvung des Mörders, sondern sehr viel eher auf das langsame zutage fördern von komplexen Beziehungsgeflechten – oftmals von sexueller Natur – zwischen den Hauptcharakteren, die der obersten Klasse angehören und ein luxuriöses Leben führen. Die Plots porträtieren verschachtelte Intrigen über Sex, Leidenschaft und Geld, die scheinbar nur durch Mord aufgelöst werden können.

Der Film, der das Subgenre inaugurierte, war Romolo Guerrieris Der schöne Körper der Deborah (1968) mit Carroll Baker und Jean Sorel. Dieser Streifen war bereits mit den Hauptmerkmalen des Subgenres gespickt und zusätzlich noch mit Gothik- sowie offenbar übernatürlichen Elementen aus Riccardo Fredas Das schreckliche Geheimnis des Dr. Hichcock (1962) und Lo spettro (The Ghost, 1963) angereichert. Doch es war Umberto Lenzi, der sich mit einem Triptychon, das 1968 mit Orgasmo (Carroll Baker, Lou Castel) begann, auf diese Strömung spezialisierte. Der zweite Teil der Trilogie kam mit Così dolce … così perversa (So Sweet … So Perverse mit Carroll Baker und Jean-Louis Trintignant) im Jahr 1969 heraus, bevor sich Umberto Lenzi und Carroll Baker mit Paranoia (1970) auch noch ein drittes Mal zusammentaten. Paranoia macht zwar auf seine eigene Art und Weise Spaß und weiß durchaus zu unterhalten, doch erste Abnutzungserscheinungen treten an die Oberfläche, während die gleiche Grundformel der beiden Vorgänger noch einmal überarbeitet wurde. Der Film hätte zweifellos den beruhigenden Einfluss eines Autors wie Ernesto Gastaldi gebrauchen können, man muss jedoch zugeben, dass das Szenario mindestens eine wirklich überraschende Wendung bereithält und der gute Geschmack dabei ziemlich eindeutig aus dem Fenster geworfen wird. Unglücklicherweise ist die Handlung mit zu viel Absurdität gewürzt. Das Publikum soll glauben, dass Helen von einer verwöhnten Hausfrau zu einer Rennfahrerin geworden ist, nur um über die Runden zu kommen, nachdem sie ihre Ehe mit dem Missbrauch treibenden Maurice beendet hatte. Jeder andere, beliebige Beruf hätte sich als absolut glaubwürdig herausstellen können, warum also ausgerechnet dieser!? Es könnte natürlich gut möglich sein, dass Lenzi und Co. einfach nur ein wenig Rennwagen-Action einarbeiten wollten. Allerdings geht dies zu Lasten der Glaubwürdigkeit und verleiht dem Film schon gleich zu Beginn eine kitschige Note.

Zudem erweisen sich die Charaktere als ein vollkommen unsympathischer Haufen. Zugegebenermaßen konzentrieren sich viele Gialli auf unliebsame Menschen, doch in Paranoia wird es mit diesem Aspekt ein wenig zu weit getrieben. Maurice ist ganz einfach ein oberflächlicher Schuft, während sich Helen so dermaßen extrem anfällig für Ausbrüche melodramatischer Hysterie zeigt, dass es wirklich sehr schwer fällt, sich um ihr Schicksal zu sorgen. Dadurch wird beinahe jeglicher Versuch von Spannungsaufbau zunichte gemacht. Verglichen mit Orgasmo und So Sweet … So Perverse kommt der Film auch etwas zu nachlässig daher, als ob Lenzi selbst allmählich den Reiz an der Formel verloren hätte. Man bekommt das gleiche Grundszenario, mit der gleichen Gruppe von hübschen, aber geistlosen Jetsettern vorgesetzt, die sich in einem ständigen Zustand der Langeweile befinden und deren „signifikante“ Dialoglinien durch den gleichen übertriebenen Gebrauch von Zoom-Aufnahmen unterstrichen werden. Lenzis nächster Giallo mit Carroll Baker, Il coltello di ghiaccio (Knife of Ice, 1972), sollte zumindest einen etwas anderen Weg gehen. Paranoia hingegen weist alle Merkmale einer Neuauflage eines viel besseren Originals auf. Der Film ist dabei natürlich weit davon entfernt schlecht zu sein und ist keineswegs uninteressant, doch eben auch kein besonderes Highlight für alle Beteiligten. Die Besetzung liefert unter diesen Umständen kompetente Arbeit ab. Sorel konnte die Rolle des freudlosen Playboy im Schlaf spielen, wobei er sich hier sicherlich nicht überanstrengen musste, aber letztlich das beste aus diesem eindimensionalen Charakter herausholt. Bakers Autorennszenen sehen schon ein wenig albern aus, doch zum Glück werden die bereits sehr früh im Film abgehandelt. Größtenteils wird sie als Figur in einem Schachspiel missbraucht, was etwas ermüdend auf das Publikum einwirkt; dies ist jedoch eher ein Fehler des Skripts, während sie innerhalb dieses begrenzten Spektrums eine anständige Vorstellung abliefert. Die herausragende Schauspielerin ist Marina Coffa, die Sorels verdächtige Stieftochter spielt. Coffa wurde 1951 geboren und drehte nur eine Handvoll Filme, bevor sie der Schauspielerei den Rücken zudrehte. Sie starb 2011 im Alter von 59 Jahren. Umberto Lenzi blieb dem Giallo mit Titeln wie dem bereits erwähnten Knife of Ice, sowie Das Rätsel des silbernen Halbmonds (1972) und Spasmo (1974) glücklicherweise treu, doch in den 70er Jahren zeichneten sich seine inspiriertesten Werke für das Genre des poliziottesco verantwortlich, dank solcher Knaller wie Der Berserker (1974) und Camorra – Ein Bulle räumt auf (1976).

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  • Darsteller: Analía Gadé, Jean Sorel, Rosanna Yanni, Tony Kendall, Maurizio Bonuglia
  • Regisseur: Umberto Lenzi
  • Format: Widescreen
  • Sprache: Italienisch (Dolby Digital 2.0), Deutsch (Dolby Digital 2.0)
  • Untertitel: Deutsch, Englisch
  • Region: Region B/2
  • Bildseitenformat: 16:9 – 2.35:1
  • FSK: Nicht geprüft
  • Studio: X-Rated Kult DVD
  • Produktionsjahr: 1969
  • Spieldauer: 88 Minuten

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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