Planet des Grauens / Vicious Lips

Die Sängerin der Rockgruppe „Vicious Lips“ erhält ein Angebot, das sie kaum ablehnen kann: Mitsamt ihrer gesamten Band einen Auftritt auf dem „Planet des Grauens“. Die Band nimmt an. Der Auftritt wird der dahindümpelnden Karriere wohl endlich zu dem lang erhofften Durchbruch verhelfen, allerdings ist der Flug dorthin in dem alten Raumschiff der Band nicht ungefährlich, zumal sich offenbar ein hungriges und frauenkillendes Monster mit an Bord geschlichen hat… (Ostalgica)

Das Beste, was man über den Rock-’n-Roll-Science-Fiction-Film Vicious Lips des Autors/Regisseurs Albert Pyun sagen kann, ist, dass er sich erträglicher gestaltet als W. D. Richters abscheulicher Buckaroo Banzai – Die 8. Dimension von 1984. Tatsächlich startet der Streifen recht ansprechend und hält sich bis zur 36-Minuten-Marke ganz gut, wo er dann einfach aufhört interessant und/oder unterhaltsam zu sein. Sue Saads pulsierender Song „Reach for Your Dreams“ wird während des Vorspanns abgespielt, erzeugt sofort fröhliche Stimmung und geht in eine amüsante Szene über, in der der Manager einer Band das Objekt des Ärgers der Besitzerin des ersten Nachtclubs des Universums ist, weil er einen Auftritt mit „weniger als zehn Lichtjahren Vorankündigung“ bei Maxines Radioactive Dream (der Name des Clubs erinnert an Pyuns vorherigen Film Radioactive Dreams) absagen muss.

Eine Ersatzband muss gefunden werden und zum Glück des drittklassigen Managers Matty Asher (Anthony Kentz) wird er von Maxine Mortogo (Mary-Anne Graves) angeheuert, am nächsten Abend bereit für einen Auftritt zu sein. Allerdings hat Matty gerade die Leadsängerin seiner reinen Frauenband Vicious Lips verloren; weswegen er der aufstrebenden Judy Jetson (Dru-Anne Perry) eine Chance auf „super-galaktischen Ruhm“ verspricht, obwohl der Rest der Band Ressentiments gegen diese gepflegte, demonstrativ tugendhafte und wohlerzogene Person hat. Matty braucht nun eine Transportmöglichkeit, um zu Maxines Planeten gelangen zu können und stiehlt ein Raumschiff (die Schlüssel wurden buchstäblich im Zündschloss stecken gelassen), ohne zu wissen, dass sich im hinteren Frachtraum (laut den Kredits des Films) „Milo das venusianische Menschentier“ befindet. Das Schiff stürzt auf einem ausgedörrten, Dune-ähnlichen Planeten ab, wo eine Low-Budget-Produktion wie diese viel billiger vor Ort in einer Wüste drehen kann, als ein Set bauen zu müssen. Nachdem sich Matty nun aufgemacht hat, um Hilfe zu suchen, zanken sich die Mädchen und werden von der Menschen-Bestie innerhalb der Grenzen des Schiffes gejagt, was sich nicht aufgrund des Einfallsreichtums der Mädchen in die Länge zieht, sondern weil die Menschen-Bestie die schreckliche Koordination und klobige Geschwindigkeit einer betrunkenen Schnecke an den Tag legt, nur um die Laufzeit des Films auf gerade einmal neunundsiebzig Minuten zu verlängern.

Glücklicherweise gestaltet sich der Film nicht so kopflastig mit erzwungener Exzentrizität wie Buckaroo Banzai – für eine Weile kommt er mit seiner völligen Respektlosigkeit auf anspruchslose Art und Weise ziemlich charmant rüber. Man kann zunächst kaum erwarten zu sehen, was auf einen zukommt, was sich jedoch als umso enttäuschender erweist, da es Planet des Grauens letztendlich nur sehr wenig versteht abzuliefern – es handelt sich dabei um die ultimative filmische Neckerei, die einen mit schräger Unterhaltung auf Touren bringt und dann in den wichtigsten Bereichen versagt. Pyun gab mit dem exzellenten The Sword and the Sorcerer (Talon im Kampf gegen das Imperium, 1982) ein beeindruckendes Debüt, das einen üppigen visuellen Stil und echtes Filmemachen mit Bravour demonstrierte. Darauf ließ er die nicht gerade uninteressante postapokalyptische Komödie Radioactive Dreams folgen, wobei sein nächstes Werk der abgründige, geradezu idiotische High-School-Thriller Dangerously Close (Teuflische Klasse, 1986) werden sollte.

Erzählen gehört nicht zu seinen Stärken, genauso wie Raffinesse – die letzten beiden Filme präsentierten sich undiszipliniert und es fehlte an Urteilsvermögen, wobei nur etwa ein Viertel der Ideen ihren Weg zur Verwirklichung fand. Pyun geht einige Risiken ein, was einen Vorzug darstellt, den man nicht ignorieren sollte, aber Vicious Lips (so nah am Avantgarde-Kino, wie möglich) wackelt so stark im Tonus, sodass er in drei verschiedene Abschnitte zersplittert, wobei das vielversprechende erste Drittel den Weg für einen durchhängenden Mittelteil und ein ziemlich enttäuschendes Finale ebnet, das das Warten kaum wert ist. Ohne einen umwerfenden Soundtrack (obwohl der gar nicht einmal sooo schlecht ausgefallen ist, für achtziger Jahre Mucke, versteht sich) und eine angenehm ausgefallene Handlung, ist der Film als unbeholfen und „unterernährt“ zu bezeichnen – er hätte viel mehr an Fantasie gebrauchen können, ganz zu schweigen von Energie.

Sobald das Schiff der Band funktionsunfähig ist und die Charaktere sich selbst überlassen sind, setzt der schreckliche Dialog ein und alles, was das Publikum zu ertragen hat, sind die halbinspirierten Possen des Schauspiels eines Anthony Kentz, der Matty als den ultimativen dummschwätzenden Dreckskerl anlegt. Dru-Anne Perry verkörpert die Heldin Judy und hat weder Bildschirmpräsenz noch eine besonders starke Stimme zu bieten, während ihre Entwicklung von der Unschuld vom Lande zu einer selbstbewussten Frau, gelinde gesagt, nicht gerade überzeugend rüberkommt. Dazu gesellen sich noch so viele sich ständig ändernde Standpunkte, sodass man ein paar Dosen Dramamin braucht, um nicht die Orientierung zu verlieren, wobei Pyun nicht in der Lage ist, seinem eigenen Minimalmaterial viel Schwung zu verleihen. Zugegeben, dem talentierten Kameramann Tim Suhrstedt (der den von Roger Corman produzierten Forbidden World / Mutant – Das Grauen im All beleuchtete) gelingt es mit seiner Verwendung von grellen Farbgelen gelegentlich ein lebendiges Bild zu kreieren, das manchmal dabei hilft, die mittelmäßigen Kompositionen auszugleichen, doch dieser alberne Film hätte trotzdem niemals das Licht der Welt erblicken sollen.

Extras:

  • Videokommentar mit Thorsten Hanisch und Andrea Sczuka (16:9, 18:46 Minuten)
  • Soundtrack (5 Titel, 17 Minuten)
  • Bildergalerie (16:9, 3:41 Minuten)
  • Trailers from Hell featuring John Landis „Der Kopf der nicht sterben durfte“ mit deutschen Untertiteln (16:9, 2:08 Minuten)
  • 20-seitiges Booklet mit vielen Bildern und einem Text von Frank Stegemann (in dem man viel Informatives sowie Interessantes über den Film, seinen Regisseur und seine Schauspieler erfahren kann.)

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  • Seitenverhältnis: 16:9 – 1.77:1, 16:9 – 1.78:1
  • Alterseinstufung: Freigegeben ab 16 Jahren
  • Regisseur: Pyun, Albert
  • Laufzeit: 1 Stunde und 20 Minuten
  • Darsteller: Perry, Dru-Anne, Calabrese, Gina, Kerridge, Linda, Farris, Shayne, Kentz, Anthony
  • Untertitel: Deutsch
  • Studio: Ostalgica

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Die Screenshots stammen NICHT von dieser Edition !!!

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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