Quella carogna dell’ispettore Sterling / Frame Up / The Falling Man

Ex-Inspektor Sterling (Henry Silva) sucht in seiner Heimatstadt San Francisco die Killer, die seinen Sohn und einen Informanten getötet haben. Der Informant wurde vor seinen Augen mit seiner Dienstwaffe erschossen. Dafür wurde Sterling zwar nicht angeklagt, musste aber den Polizeidienst quittieren. Die zwei Täter kennt er, doch die wahre Identität des Drahtziehers im Hintergrund, den er nur unter dem Spitznamen Charlie kennt, liegt noch im Dunkeln… (Cineploit Records)

Kurzinhalt inkl. Spoiler !!!

San Francisco. Zu Unrecht des Mordes an dem Informanten Rocky (Roberto Maldera als Bob Molden gelistet) beschuldigt, wird Inspektor Sterling (Henry Silva) von seinem Vorgesetzten Kommissar Donald (Keenan Wynn) aus dem Polizeidienst entlassen. Fest entschlossen herauszufinden wer ihn reingelegt hat, ergreift Sterlings Mission immer mehr Besitz von ihm, vor allem nachdem sein kleiner Sohn ermordet worden ist, um ihn dazu zu bringen seine Ermittlungen einzustellen. In einem heruntergekommenen Hotel spürt er mit Joseph Randolph (Luciano Rossi) einen der beiden Männer auf, die ihn durch Falschaussagen schwer belastet haben, doch Randolph wird erschossen, als er gerade im Begriff ist auszupacken. In der Hoffnung, dass sie ihn zum mysteriösen Charlie führen kann – der das Mastermind hinter all den Morden zu sein scheint – beschattet Sterling als nächstes das Model Janet (Beba Loncar). Weiterhin knöpft er sich den anderen Falschaussager Kelly (Larry Dolgin) vor, der jedoch ebenfalls getötet wird, bevor er reden kann. Außerdem wird eine Leiche in der Bucht gefunden, die angeblich die von Charlie sein soll. Sterling ist davon allerdings nicht überzeugt und zwar zu Recht. Nachdem er einen weiteren Mordversuch überlebt hat, nimmt er wieder Kontakt zu Janet auf und kann mit ihrer unfreiwilligen Hilfe schließlich Charlies wahre Identität aufdecken: Gary (Carlo Palmucci als Charles Palmer gelistet), Donalds Sohn.

Emilio Miraglias Quella carogna dell’ispettore Sterling steht exemplarisch für die Situation des italienischen film-noir Mitte der sechziger Jahre im Gegensatz zu der wachsenden realistischen Dringlichkeit und urbanen Hysterie von Filmen wie Carlo Lizzanis Banditi a Milano (Die Banditen von Mailand, 1968). Titel wie Miraglias Film oder Franco Prosperis Tecnica di un omicidio (Ich heiße John Harris, 1966) und Qualcuno ha tradito (Null Uhr 7 kommt John Harris, 1967) waren sogenannte hard-boiled Filme, die für ausländische Märkte bestimmt waren, mit amerikanischen Schauspielern und stark beeinflusst von der neuen Welle von amerikanischen Gangsterfilmen, die düsterer und gewalttätiger daherkamen, wie Sam Fullers Underworld U.S.A. (Alles auf eine Karte, 1961), William Ashers Johnny Cool (Die Rache des Johnny Cool, 1963) und Don Siegels The Killers (Der Tod eines Killers, 1964). Die rip-offs beschränkten sich jedoch darauf, die erneuerte Ikonographie und die stilistischen Merkmale des Genres zu übernehmen sowie die dringenderen Themen (den Zusammenbruch von Institutionen, den Kollaps städtischer Strukturen, den Aufstieg der Unterwelt) – die diese Filme implizierten und unterstrichen – unberührt zu lassen. Wie im italienischen Genrekino üblich, wurden auch Elemente aus dem whodunit-Krimi und dem Hitchcockianischen-Thriller integriert.

Quella carogna dell’ispettore Sterling, mit teilweise amerikanischer Besetzung in San Francisco gedreht, stellt da keine Ausnahme dar. Die Pilgerreise des Helden durch zwielichtige Hotels, Oben-ohne-Bars, Diskotheken und natürlich die obligatorischen „hügeligen“ Straßen von San Francisco ist als eine Parade von Klischees zu bezeichnen, die durch die gierigen, enthusiastischen Augen von jemandem gesehen werden, der aus der Peripherie des „römischen Imperiums“ kommt, während Miraglias Regie stark von Weitwinkelaufnahmen, nervösen Schnitten und komplexen Flashbacks geprägt ist. Der einzige Hinweis auf Ironie ist in einer Szene zu finden, in der Beba Loncar etliche Männer mit einem Maschinengewehr niedermäht, was sich als Dreharbeiten für einen Fernsehwerbespot für Levi’s herausstellt. Miraglia (als Hal Brady aufgeführt) besetzte – wie bei Assassination im Vorjahr – Henry Silva in der Hauptrolle, wobei das teilnahmslose, steinerne Gesicht und die kantigen Kiefer des Schauspielers die Vorstellung eines weltmüden, hartgesottenen Polizisten perfekt reflektieren. So fiel es ihm auch nicht schwer einen Mann zu porträtieren, der von Rache besessen und seiner Familie entfremdet ist und das noch bevor sein kleiner Sohn vor den Augen seiner Frau in seinen Armen erschossen wird. „Alle sagen, du bist ein Bastard“, keift ihn seine bessere Hälfte an, woher auch der italienische Titel sehr wahrscheinlich seinen Ursprung hat, denn der bedeutet übersetzt so viel wie Dieser Bastard Inspektor Sterling.

Inspektor Sterling datiert in mehrfacher Hinsicht die harten Cops der 70er Jahre voraus: Er ist ein Einzelgänger, hat Krach mit seinen Vorgesetzten und geht seinen eigenen umstrittenen Methoden nach (zum Beispiel ein Geständnis mit vorgehaltener Waffe erpressen). „Für Euch Journalisten ist es eine Freude, wenn Ihr im Dreck wühlen könnt. Ihr braucht Schlagzeilen wie ‚Ein Polizist, der mordet‘ oder ‚Die Polizei tötet kaltblütig‘ …“, beschwert er sich gegenüber einem von Pier Paolo Capponi gespielten Journalisten. „Wenn die Kriminalität zunimmt, gebt ihr den Bullen die Schuld … sie sind zu weich … aber wenn ein Polizist ausnahmsweise mal ein Geständnis bekommt, dann schreibt Ihr von Gewalt. In Euren Artikeln gibt es immer jemanden, der Eure Sympathie hat, nämlich die Kriminellen!“ Das wirklich Interessante an Miraglias Film ist allerdings, dass er in zwei drastisch unterschiedlichen Versionen Verbreitung fand. Die europäische Edition folgt Sterlings Mission herauszufinden wer seinen Sohn erschossen und ihm die Ermordung des Informanten Rocky angehängt hat und zeichnet sich durch eine Reihe von Rückblenden aus, welche die Ereignisse widerspiegeln, die zu den Morden geführt haben. Nach ungefähr einer Stunde Laufzeit wird Sterling vor seiner Haustür angeschossen, überlebt aber und findet schließlich heraus wer der Mörder ist. Das Happy End lässt ihn letztendlich den Respekt seines Chefs (Keenan Wynn) zurückgewinnen.

Die US-Version, die 1971 über Heritage Enterprises vertrieben wurde und unter dem Titel The Falling Man bekannt ist, läuft acht Minuten kürzer, platziert die Szene, in der Sterling angeschossen wird, am Anfang des Films und präsentiert eine Handlung, die sich auf ganz andere Art und Weise entfaltet: nachdem er einen Überfall vereitelt hat, bekommt Sterling den Zorn der Verbrecher zu spüren, die seinen Sohn töten und ihn erschießen, während er gerade sein Haus betreten möchte. Der gesamte Film ist als eine lange Rückblende strukturiert, unterbrochen von Aufnahmen von Silva, der in Zeitlupe in den Tod fällt bzw. stürzt (daher der Titel) – was irgendwie Romolo Guerrieris La controfigura (Love Inferno, 1971) sehr nahe kommt. Darüber hinaus wurde der Plot recht willkürlich verändert, sodass es so aussieht, als wäre Sterling von seinem eigenen Chef umgebracht worden – was alles herzlich wenig Sinn ergibt. Weitere Unterschiede betreffen Robby Poitevins beat-psychedelischen Score, der in The Falling Man durch Marcel Lawlers minderwertige elektronische Musik ersetzt wurde. Weit davon entfernt ein denkwürdiger Film zu sein, ist Quella carogna dell’ispettore Sterling vor allem aufgrund von Henry Silvas grandioser Vorstellung als sehenswert zu bezeichnen. Nachdem er sich als zuverlässiger Charakterdarsteller in einer Reihe von Filmen und als Titelschurke in Johnny Cool etabliert hatte, zog Silva nach dem Angebot eines italienischen Produzenten mit seiner Familie nach Italien. Während seiner dortigen Erfahrungen wurde der in Brooklyn geborene Schauspieler zu einem der emblematischen Gesichter des poliziottesco, indem er in Filmen wie Fernando Di Leos La mala ordina (Der Mafiaboss – Der Eisenfresser, 1972), Il boss (Der Teufel führt Regie, 1973) und Umberto Lenzis Milano odia: la polizia non può sparare (Der Berserker, 1974) mitspielte.

Ausstattung und Besonderheiten:

  • Weltweit 2K Blu-ray Premiere!
  • Interview Henry Silva – European Adventures – 25 min.
  • Internationale Bildergalerie
  • Alternative internationale Titelsequenz
  • Separat abspielbarer Score
  • Hardcover Mediabook mit partieller Veredelung
  • 28 Seiten Booklet mit einem Essay von Udo Rotenberg auf Deutsch und Englisch veredelt mit internationalem Werbematerial
  • Doppelseitiges Poster mit zwei italienischen Postermotiven
  • Drei verschiedene Covervariationen mit den italienischen Postermotiven, davon eines mit englischem Titel, in einer nummerierten & limitierten Auflage von 350/350/350 Stück

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  • Seitenverhältnis: 16:9 – 2.35:1
  • Alterseinstufung: ‎Nicht geprüft
  • Regisseur: ‎Miraglio, Emilio P.
  • Medienformat: ‎Breitbild
  • Laufzeit: ‎1 Stunde und 39 Minuten
  • Darsteller: ‎Silva, Henry, Capponi, Pier Paolo, Rossi, Luciano, Wynn, Keenan, Loncar, Beba
  • Untertitel: ‎Deutsch, Englisch
  • Sprache: ‎Italienisch (DTS-HD 2.0), Englisch (DTS-HD 2.0)
  • Studio: ‎Cineploit Records

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Die Screenshots stammen selbstverständlich nicht von dieser Edition !!!

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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