Racket / Il grande racket / The Big Racket

Nico Palmieri, Inspektor bei der Polizei in Rom, kämpft aufopferungsvoll unter Einhaltung aller Gesetze gegen die Schutzgelderpresser der Mafia. Da ihm eben diese Gesetze immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen und sich die Delikte mittlerweile auf Mord, Vergewaltigung und Drogenhandel ausgeweitet haben, wirft er das Gesetzbuch in den Müll und regelt die Angelegenheit auf seine ganz eigene Art und Weise. Gemeinsam mit den Mafia-Opfern bildet er eine schlagfertige Truppe, die die Gangster ein für alle Mal eliminieren will… 

Kurzinhalt inkl. Spoiler !!!

Rom. Kommissar Nico Palmieri (Fabio Testi) ist einer Gangsterbande auf der Spur. Seine Ermittlungen werden jedoch durch die Angst der Opfer und die Feindseligkeit seiner Vorgesetzten behindert, die seine Methoden nicht gutheißen. Fest dazu entschlossen, die Verbrecher dennoch zur Strecke zu bringen, heuert Palmieri zwei Kleinkriminelle an, Zio Pepe (Vincent Gardenia) und dessen Neffen Picchio (Ruggero Diella), die ihm im Austausch für etwas Handlungsfreiheit Informationen über die Gangster liefern sollen. Pepe informiert die Polizei über einen bevorstehenden Raubüberfall, weswegen die Banditen während einer erbitterten Schießerei zwar stark dezimiert, jedoch nicht vollkommen erledigt werden können. Zu dieser Gelegenheit wird Palmieri zufällig von einem Olympiasieger im Tontaubenschießen, dem Ingenieur Giovanni Rossetti (Orso Maria Guerrini), unterstützt. Die Kriminellen rächen sich allerdings sowohl an Rossetti, indem sie seine Frau (Anna Zinnemann, als Anna Bellini gelistet) vor seinen Augen mehrfach vergewaltigen und bei lebendigem Leibe verbrennen, als auch an Pepe, indem er dabei zusehen muss, wie sein eigener Neffe nach einem missglückten Banküberfall von einer aufgebrachten Menschenmenge zu Tode getrampelt wird. Palmieri wird daraufhin vom Polizeidienst suspendiert, was ihn in seinem Vorhaben allerdings nicht aufhalten kann. Mit Unterstützung von Rossetti, Pepe, Doringo (Romano Puppo), einem Experten für Maschinenpistolen und anderen Opfern der Verbrecher (Renzo Palmer als Luigi Giulti sowie Glauco Onorato als Mazzarelli) stellt sich Palmieri der Bande in ihrem Versteck und entfesselt eine äußerst ausufernde Schießerei.

Mit Il grande racket ließ Enzo G. Castellari den urbanen Realismus hinter sich, der die weniger überzeugenden Kapitel von Il cittadino si ribella (Ein Bürger setzt sich zur Wehr, 1974) unterstrichen hatte, um eine Kriminalgeschichte zu erzählen, so als würde es sich dabei um ein abstraktes, modernes sowie grausames Märchen handeln. Allerdings wird alles innerhalb des Plots auf eine bloße narrative Funktion reduziert. In einem minimalistischen Ansatz werden die Charaktere ziemlich eindimensional präsentiert und deren Psyche kaum skizziert, während sich alltägliche Verbrechen in Mythen verwandeln. Castellari entwickelte sogar die Figur des Doringo (gespielt von einem seiner Lieblingsdarsteller, Stuntman Romano Puppo), der den Spitznamen „der Maschinenpistolen-Solist“ trägt, in Anlehnung an den echten Kriminellen Luciano Lutring. Wie bereits erwähnt, sind Handlung sowie Charaktere funktional für die atemberaubenden Actionsequenzen angelegt worden, die sich so wild und mitreißend gestalten, sodass sie alles überschatten, was bis dahin in dieser Richtung in Italien auf die Beine gestellt worden war. Schon bereits während der Eröffnungssequenz in Zeitlupe – die veranschaulicht, wie die Gangsterbande Chaos verbreitet, Schaufenster zerstört und Fahrzeuge in Brand setzt – zieht Castellari alle Register. Auch die Szene, in der Fabio Testi in seinem Auto eingeschlossen ist, während das Fahrzeug einen Abhang hinunterstürzt, macht den Regisseur heute noch stolz.

Sollte Il grande racket jedoch eine Parabel darstellen, dann handelt es sich unbestreitbar um eine enorm düstere, trost- sowie hoffnungslose. Der Film wird von armseligen, erbärmlichen Menschen bevölkert, einem stumpfsinnigen Haufen, der sich nach Belieben formen lässt. Wer Mut hat und ein bisschen Zivilcourage an den Tag legt, muss einen schrecklichen Preis dafür zahlen. Der Gastwirt Giulti (Renzo Palmer), zum Beispiel, wagt es die Banditen anzuzeigen, woraufhin seine noch relativ junge Tochter (Stefania Girolami Goodwin, die Tochter des Regisseurs, die in den Filmen ihres Vaters immer wieder präsent sein würde) mehrfach von der Verbrecherbande vergewaltigt wird und anschließend Selbstmord begeht. Ein ähnliches (sogar noch etwas schlimmeres) Schicksal erwartet auch die Frau des Ingenieurs, der dem Kommissar bei einer Schießerei geholfen hat. 

Die Bösewichte hingegen verhalten sich so sadistisch und grausam wie es eben nur geht und zwar auf eine Art und Weise, die sich sogar über Geschlechterunterschiede hinwegsetzt. Das abscheulichste Mitglied der Bande ist nämlich eine Frau (Marcella Michelangeli, die eine Terroristin sowohl in Mark colpisce ancora / The .44 Specialist, als auch in Italia: Ultimo atto? / Terror Streets verkörpert hat), die in einer Szene nichtsdestotrotz einen Tritt in die Leistengegend verpasst bekommt (ein Akt der Vergeltung, den Castellari normalerweise männlichen Schurken vorbehält), so als wolle der Regisseur ihr innere Männlichkeit bescheinigen. Der Streifen endet schließlich damit, dass sein Held in die x-te gewalttätige Auseinandersetzung verwickelt wird und sein Gewehr danach in einem Anfall von hilfloser Wut tobend auf den Boden schmettert, während er von Feuer, Rauch und Leichen umgeben ist. Das finale Massaker – eine Orgie aus Ballerei und Blut, die eindeutig von The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz inspiriert worden ist – hält der Regisseur für das beste Ende, das er je gefilmt hat.

Die Gewalt gestaltet sich brutal, wild sowie exzessiv. Hier gibt es keinen Platz für die elegischen und düsteren Akzente aus Castellaris metaphysischem Western Keoma (1976), dessen Idee schon früher als die für Il grande racket entstanden war aber erst unmittelbar danach verfilmt wurde. Die Vergewaltigungsszenen sind als besonders abscheulich zu bezeichnen und werden beinahe zur Belastungsprobe für das Publikum. Dabei wird alles in Richtung eines Hyperrealismus getrieben, der allmählich sowie unmerklich ins Reich des Fantastischen abgleitet – wie in der Eröffnungsszene, wo das Auftauchen der Gangster von der hämmernden Rockmusik der Gebrüder De Angelis und intermittierendem roten Licht begleitet wird, das ihre Gesichtszüge verzerrt, oder in Stefania Girolami Goodwins Vergewaltigungsszene, die mit einer Aufnahme aus der Perspektive des geschändeten Mädchens endet.

Mehrere Kritiker verglichen Il grande racket mit Sam Peckinpahs Filmen, doch Castellaris Ansatz befindet sich näher an Clint Eastwoods Dekonstruktion der Western-Mythologie, nämlich High Plains Drifter (Ein Fremder ohne Namen, 1973) sowie Pale Rider (Pale Rider – Der namenlose Reiter, 1985) und zwar in der Art und Weise, wie er die Urelemente des Westernfilms – männliche Bindung, Rache, Geist des Rudels – dräniert und purifiziert sowie dem Prozess eine unheimliche Abstraktion injiziert. Dabei macht es keinen Sinn, von einer „zynisch reaktionären Ideologie“ zu sprechen, wie es italienische Kritiker damals getan haben. Il grande racket repräsentiert nicht nur Castellaris besten Film, sondern auch kein Zurück mehr, sowohl für den italienischen Polizei-Film, als auch für den Regisseur selbst. Obwohl er so bemerkenswerte Filme wie La via della droga (Dealer Connection – Die Straße des Heroins, 1977), Quel maledetto treno blindato (Ein Haufen verwegener Hunde, 1978), Il Giorno del Cobra (Der Tag der Cobra, 1980) und die The Riffs „Trilogie“ gedreht hatte, erreichte Castellari nie wieder ein solches Niveau, höchstens sporadisch in vereinzelten Paradestücken innerhalb der einzelnen Werke.

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  • Regisseur(e): Enzo G. Castellari
  • Darsteller: Fabio Testi, David Hemmings, Vincent Gardenia
  • Studio:‎ Arrow Video
  • Region: Alle Regionen
  • FSK: Freigegeben ab 18 Jahren
  • Brand new 2K restoration from the original 35mm camera negative by Arrow Films
  • High Definition Blu-ray™ (1080p) presentation
  • Original Italian and English front and end titles
  • Restored original lossless mono Italian and English soundtracks
  • Newly translated English subtitles for the Italian soundtracks

The Big Racket:

  • The Years of Racketeering, a new video interview with co-writer/director Enzo G. Castellari
  • Violent Times, a new video interview with actor Fabio Testi
  • Angel Face for a Tough Guy, a new video interview with actor Massimo Vanni
  • King of Movieola, a new video interview with editor Gianfranco Amicucci
  • The Great Racket, a new appreciation and career retrospective of composers Guido and Maurizio De Angelis by musician and disc collector Lovely Jon
  • Theatrical trailer
  • Image gallery
  • New audio commentary by critics Adrian J. Smith and David Flint
  • Illustrated collector’s booklet featuring new writing on the film by Roberto Curti and Barry Forshaw
  • Limited edition packaging with reversible sleeves featuring original and newly commissioned artwork by Colin Murdoch
  • Twelve double-sided, postcard-sized lobby card reproduction artcards

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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