Riot – Ausbruch der Verdammten

Im Staatsgefängnis von Arizona kommt es zum Gefangenenaufstand. Die Häftlinge, darunter Cully Briston (Jim Brown), verschanzen sich mit mehreren gefangen genommenen Wärtern in dem Gebäude. Anführer Red Freker (Gene Hackman) stellt mehrere Forderungen, die erfüllt werden müssen, bevor man die Geiseln wieder freilässt. Doch diese Forderungen dienen nur zur Ablenkung. Während die Polizei das Gebäude umstellt, graben die Häftlinge bereits einen Fluchttunnel … (Wicked Vision Distribution GmbH)

William Castle war ein Regisseur bzw. Produzent, der fast ausschließlich mit dem Horror-Genre in Verbindung gebracht wird, wobei es sich bei ihm zumeist um kitschige, mit Gimmicks versehene Filme handelt (Schrei, wenn der Tingler kommt, 1959). John Goodman parodierte ihn liebevoll in Matinee – Die Horrorpremiere (1993), während Castle an und für sich bereits selbst so etwas wie eine lebende Parodie darstellte, einen überlebensgroßen Produzenten, der davon lebte, das Publikum mit allem möglichen, lächerlichen technischen Firlefanz wie Emergo, Percepto oder sogar Illusion-O in die Kinos zu locken. 1968 erlangte er schließlich etwas Prestige im Bereich des Mainstreams, als er Roman Polanskis sensationelle Adaption von Ira Levins Roman Rosemary’s Baby produzierte. Doch gerade als es so aussah, als könnte er endlich in die Reihen der echten A-Listers aufgenommen werden, wurde Castle durch eine Krankheit ins Abseits gedrängt. Nachdem er sich davon erholt hatte, wurden ihm dann wieder weniger große Produktionen wie Riot – Ausbruch der Verdammten (1969) zugewiesen, die Art von düsterem, jedoch glanzlosem Drama, das damals als regelmäßiges Futter für den Fernsehfilm der Woche bezeichnet werden konnte.

Der Regisseur des Films, Buzz Kulik, hatte sich in Hollywood im Bereich der TV-Serien bereits einen großen Namen gemacht und sollte später auch bei einer Reihe von hochgelobten Fernsehfilmen wie A Storm in Summer (1970) sowie Freunde bis in den Tod (1971) Regie führen. Riot – Ausbruch der Verdammten stattete er mit einem ziemlich interessanten Ambiente aus, da der Streifen beinahe vollständig in sowie um Arizonas Staatsgefängnis gedreht wurde und neben vielen echten Gefangenen auch den damals aktuellen Gefängnisdirektor zum Einsatz brachte. Dadurch wird den verzweifelten Machenschaften einer Gruppe von Männern – die die Kontrolle über einen Zellenblock übernehmen und gleichzeitig versuchen unbemerkt aus dem Gefängnis auszubrechen – ein ungewöhnliches Gefühl von Wahrhaftigkeit verliehen.

Riot – Ausbruch der Verdammten ist in gewisser Hinsicht als ein faszinierender Film zu bezeichnen, der eine Zeit widerspiegelt, in der es zu massiven urbanen Unruhen kam (die gegen Ende der sechziger Jahre die amerikanischen Großstädte heimgesucht hatten) und dem, was zu einem der berüchtigtsten Gefängnisaufstände aller Zeiten werden sollte, nämlich dem sogenannten Attica Prison Massacre von 1971. James Poes Drehbuch (das Frank Ellis Roman The Riot adaptiert) fängt auf recht ansprechende Art und Weise eine enorm angespannte, jedoch seltsam träge Ära ein, in der eine Figur wie Cully Briston (Jim Brown) durch seine relativ kurze Inhaftierung driftet, während in ihm leise die Wut über die unfaire Behandlung durch den Gefängniswärter Grossman (Gerald S. O’Loughlin) hochkocht. Tatsächlich ist es Grossmans ungerechten Methoden Cully gegenüber zu verdanken, dass der – scheinbar unfreiwillig – in einen gewaltigen Gefängnisausbruchsplan verwickelt wird, der von Mastermind Red Fraker (Gene Hackman, der hier in den Kredits immer noch nach Jim Brown aufgeführt worden ist, obwohl er für Arthur Penns Bonnie und Clyde gerade eine Oscar-Nominierung erhalten hatte) ausbaldowert wurde.

Der Film spielt insofern mit einigen damals aktuellen liberalen Neigungen, als die Gefangenen beschließen den Gefängnisdirektor (der echte Direktor Frank Eyman) und seine bewaffnete Kohorte abzulenken, indem sie erklären, dass der „Aufstand“ nicht wirklich ein Aufstand, sondern ein friedlicher Protest sei, um die Lebensbedingungen der Inhaftierten zu verbessern. Natürlich ist auch eine ironische Wendung vorhanden, da die Gefangenen „das System“ ausspielen und sich dabei auf die Sympathie der Presse verlassen wollen, um Zeit schinden zu können, während an anderer Stelle bereits ein Tunnel für eine ultimative Flucht in die Freiheit gegraben wird. Riot – Ausbruch der Verdammten hat dabei leider nur wenige Momente zu bieten, die einen echten Gefängnisaufstand widerspiegeln und repräsentiert stattdessen einen Kessel von langsam aufkochender sowie kaum unterdrückter Gewalt, der leider nur zu wenigen Gelegenheiten zum Explodieren gebracht wird. Der Film war zur Zeit seiner Entstehung sehr berüchtigt für ein kurzes Zwischenspiel in einem der Gefängnisblöcke, in dem die „Abweichler“ (gemeint sind Homosexuelle) untergebracht sind. Cully bekommt dort ein anzügliches Angebot von Mary Sheldon (Clifford David), einem Transvestiten, während ein weiterer einen „erotischen“ Bauchtanz vollführt. Castle bringt damit wieder einmal einen seiner „Gimmicks“ zur Anwendung, der hier sehr wahrscheinlich eher schockieren, als Angst und Schrecken generieren soll, doch die Sequenz ist zweifellos als seltsam zu beschreiben, wobei sie von einem konservativen Publikum sogar als leicht anstößig empfunden werden könnte.

Riot – Ausbruch der Verdammten gestaltet sich zuweilen sonderbar zurückhaltend sowie verkrampft und bricht nur gelegentlich in viszeral aufregende Actionsequenzen aus. Sowohl Cully Briston als auch Red Fraker verzetteln sich in einem ausgedehnten Mittelteil in nachdenklichen Mono- bzw. Dialogen und nehmen dem Film somit den Schwung, der zumindest durch die Eröffnungsszenen ausreichend erzeugt wurde. Glücklicherweise können diese inszenatorischen Mängel von den schauspielerischen Leistungen aufgefangen werden. Jim Brown tritt zwar typischerweise kräftig robust und unaufdringlich auf, verleiht seiner Darstellung jedoch eine gewisse Würde und Anmut. In einer grandiosen Traumsequenz (nachdem Cully von seinem selbst gebrannten Rosinenschnaps getrunken hat) verliert Brown kein Wort, doch seine Mimik offenbart der geneigten Zuschauerschafft die gesamte Hoffnung und Sehnsucht eines Mannes, der verzweifelt für Freiheit und Gerechtigkeit betet. Es handelt sich dabei um eine der herausragenden Sequenzen des Films und das nicht nur wegen der spärlich bekleideten Frauen, von denen Cully fantasiert. Gene Hackmans Red ist dagegen abwechselnd hyperbolisch und grüblerisch unterwegs, wobei die Darbietung des Schauspielers zwar als interessant aber dennoch nicht ganz gelungen bezeichnet werden kann, da sie mit der zweigeteilten Sichtweise des Drehbuchs auf den Charakter zu ringen scheint. Soll Red nun einen edlen Freiheitskämpfer oder nur einen intriganten Betrüger repräsentieren? Das wird nie so richtig klar, wobei sich Hackmans Vorstellung manchmal als ähnlich verworren erweist, allerdings trotzdem sehr sehenswert ist.

Riot – Ausbruch der Verdammten hat noch ein weiteres Aufmerksamkeit erregendes Element in petto, das besonders für diejenigen von Interesse sein könnte, die (wie wir) einen Faible für Filmmusik haben. Krzysztof Komeda (als Christopher Komeda aufgeführt) war ein polnischer Komponist und Pianist, der dazu beitrug, die dritte Welle des polnischen Jazz einzuläuten und später für Roman Polanskis frühe Kultfilme wie Cul-De-Sac (Wenn Katelbach kommt…, 1966) und Nóz w wodzie (Das Messer im Wasser, 1962) die Musik schrieb. Komeda schien für eine großartige Zeit in den U.S.A. gerüstet zu sein, als er die Musik für Polanskis Filmversion von Rosemary’s Baby (1968) komponierte und damit eine Partitur erschuf, die etliche Coverversionen des eindringlichen Schlaflied-Hauptthemas hervorbrachte. Unerklärlicherweise wurde er bei den Oscar-Nominierungen diesen Jahres übergangen. Komeda war eine von mehreren Personen, die mit dem sogenannten „Fluch von Rosemary’s Baby“ in Verbindung gebracht wurden und starb kurz nach Erscheinen des Films unter etwas mysteriösen Umständen, wie von verschiedenen Personen auf unterschiedliche Art und Weise berichtet wurde. Allerdings muss er gerade noch genug Zeit gehabt haben, um den Score für Riot – Ausbruch der Verdammten vor seinem vorzeitigen Ableben fertig zu stellen. Seine Musik hier unterscheidet sich stark vom Score für Rosemary’s Baby, einschließlich eines Themas, das wie eine Mischung aus Country- und Soulmusik rüberkommt (wird während des Films immer wieder mal eingespielt) und von Bill Medley der Righteous Brothers gesungen wird.

Riot – Ausbruch der Verdammten möchte ein aufrührerisches Abenteuergarn mit einem Haufen verzweifelter Krimineller repräsentieren, die „das System“ ausspielen wollen, während sie eine gewagte Flucht vorbereiten. Leider entwickelt der Film nie wirklich viel Dampf und zerstreut sich stattdessen in Cullys und Reds mannigfaltigen semi-philosophischen Mono- bzw. Dialogen. Ein paar spannende Sequenzen und ein ziemlich grausames Ende deuten auf einen reißerischen B-Film hin, der direkt unter der Oberfläche dieser politisch ambivalenten Aussage lauert. William Castle und Co. hätten allerdings besser daran getan, hier ganz einfach und entschlossen den „trashigen“ Weg zu gehen, anstatt zu versuchen den Film mit zu viel „Bedeutung“ aufzublasen. Dennoch ist der Streifen sehr angenehm zu konsumieren und durchaus empfehlenswert!

Wicked-Vision veröffentlicht Riot – Ausbruch der Verdammten als Nummer 12 ihrer Black Cinema Collection in einer Scanavo BD-Box (Blu-ray und DVD auf 1.500 Stück limitiert). Bild (1,78:1; 1080p / 1,78:1 anamorph) und Ton (Deutsch + Englisch DTS-HD Master Audio 2.0 / Dolby Digital 2.0) bewegen sich wieder einmal auf recht hohem Niveau, da kann man sich absolut nicht beschweren. Auf Wunsch können deutsche oder englische Untertitel zugeschaltet werden (auch bei den Extras). Erlebt einen frühen Black-Cinema-Klassiker auf wahren Begebenheiten und Frank Ellis Roman The Riot basierend, von William Castle produziert und mit Jim Brown sowie Gene Hackman großartig besetzt. Ein packender Gefängnisthriller unter der Regie von Buzz Kulik mit interessantem Bonusmaterial ausgestattet. Insgesamt handelt es sich bei Riot – Ausbruch der Verdammten wieder einmal um eine äußerst gelungene Edition, die bei Liebhabern und Freunden des Black Cinemas enorm gut ankommen sollte.

Extras:

• 40-seitiges Booklet mit einem Essay von Christoph N. Kellerbach —> hier kann man auf informative sowie unterhaltsame Art und Weise u.a. erfahren, wie es dazu kam, dass Jim Brown und Gene Hackmann gemeinsam in einer Adaption des Erfolgsbuchs von Frank Elli aufgetreten sind, worin die Unterschiede zwischen Roman und Verfilmung bestehen und wie der von Grusel-Regisseur William Castle produzierte Film entstand
• Audiokommentar mit Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese —> wie auch schon bei den vorherigen VÖs der BCC bereitet es wahre Freude den beiden Kommentatoren bei ihren recht informativen sowie unterhaltsamen Ausführungen zu folgen.
• Audiointerview mit Buchautor Frank Elli
• Black Cinema Radio-Spots Vol.1: „Slaughter“ und „Black Gunn“
• Black Cinema Trailershow
• Bildergalerie

Beim Wicked Shop oder Amazon bestellen

Land / Jahr: USA 1969
Regie: Buzz Kulik
Darsteller: Jim Brown, Gene Hackman, Mike Kellin, Gerald S. O‘Loughlin, Ben Carruthers, Clifford David u. a.
Freigabe: ab 16 Jahre
Ländercode: B / 2
Laufzeit: 96 Minuten / 92 Minuten
Bildformat: 1,78:1 (1080p) / 1.78:1 (anamorph)
Sprache: Deutsch, Englisch
Tonformat: DTS-HD Master Audio 2.0 / Dolby Digital 2.0
Untertitel: Deutsch, Englisch
Untertitel Extras: Deutsch, Englisch
Verpackung: Scanavo BD-Box
Discs: 2
Format: Blu-ray & DVD
Studio / Vertrieb: Wicked Vision Distribution GmbH

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.