Sklaven ihrer Triebe / Top Sensation / The Seducers

Der zurückgebliebene Tony hat die Zwanzig bereits überschritten, ist aber immer noch von unbedarfter Jungfräulichkeit ein Zustand, den seine steinreiche Mutter zu ändern gedenkt. Dazu lädt die launische Alte ein wahres Trio infernal auf ihre Luxusyacht: Lebemann Aldo, seine Frau Paula und das leichte Mädchen Ulla beschlafen alles, was zwei oder mehr Beine hat. Als jedoch sämtliche Verführungsversuche nicht fruchten, wirft der Zufall das Schiff auf eine Sandbank und Tony geradewegs in die Arme der unbedarften Bauernmaid Beba. Doch kaum hat man das hübsche Ding an Bord der Jacht gelotst, steht unversehens ihr tölpelhafter Ehemann auf der Matte. Und der ist nicht nur spitz, sondern auch unberechenbar eifersüchtig… (Camera Obscura)

Top Sensation ist mit Sicherheit als einer der besten sogenannten sexy Gialli aller Zeiten zu bezeichnen. Dies ist weniger auf die komplizierte Handlung und Regieführung zurückzuführen, als auf die Anwesenheit der beiden Kaiserinnen der italienischen Sexploitation, Rosalba Neri und Edwige Fenech, die das tun, was sie am besten können. Der Film gestaltet sich positiv faszinierend und strotzt nur so vor roher Sexualität. Die Geschichte mag als völlig lächerlich und geschmacklos zu beschreiben sein, doch auf lange Sicht spielt sie sowieso kaum eine Rolle: Diese Art von Film macht das schäbige Ende der italienischen Filmindustrie zu einem schwindelerregenden Vergnügen für dessen Fans. Ein Großteil der Action scheint schon früh auf ein schaumig erotisches Herumtollen hinzudeuten, der Film wird im Laufe der Zeit jedoch allmählich dunkler und perverser. Die Szene, in der Aldo Ulla davon überzeugt einer Ziege zu erlauben, ihr zwischen den Schenkeln zu lecken – ja, Ihr habt das richtig gelesen! – ist ebenso unverfroren, wie lächerlich aber keine Bange: Die Filmemacher setzten nicht auf Realismus, wobei der Vorgang durch Montage und clevere Kamerapositionierung übermittelt wird. Und doch bedeutet dies nur die Spitze des Eisbergs. Tony interessiert sich für das naive Mädchen von der Insel, vermutlich weil sie vom moralischen Verfall der anderen Charaktere noch „nicht befleckt“ ist, doch die sind zu oberflächlich veranlagt, um dies zu realisieren.

Stattdessen nehmen sie sich das Mädchen, peppen sie auf wie eine Zehn-Euro-Nutte und verführen sie selbst! Es scheint keine Grenzen für ihre schmuddeligen Exzesse zu geben, während sich die Dinge immer angespannter gestalten und als Resultat dessen ein Potenzial für Gewalt entsteht. In einer bemerkenswert ostentativen Szene dreht Tony den Spieß um, indem er sexuelle Avancen gegenüber seiner eigenen Mutter macht – Avancen, für die sie nur zu empfänglich zu sein scheint. Der Film befasst sich nicht mit irgendeiner Art von Whodunnit-Sichtweise, versteht es aber ganz wunderbar die Spannung zu erhöhen, sobald die dunkleren Elemente ins Spiel kommen. Regisseur Ottavio Alessi hatte zuvor an dem Komödien-Giallo Che fine ha fatto Totò baby? (What Ever Happened to Baby Totò?, 1964) gearbeitet und erweist sich in einem ernsteren Umfeld als genauso effizient. Es gelingt ihm den Tonus von unbeschwertem erotischem Treiben zu einem dunklen psychosexuellen Thriller mit geschicktem Touch zu ändern. Auch wenn seine Herangehensweise an die Inszenierung nicht so aggressiv ist wie die von beispielsweise Mario Bava oder Lucio Fulci, versteht er es sehr gut die Action in angenehmen Tempo zu halten.

Die verschiedenen sexuellen Begegnungen sind zu Recht erotisch gestaltet worden, während das Finale sowohl befriedigend als auch subtil abschreckend ausgefallen ist. Der Film wird von der Anwesenheit seiner zwei wunderschönen Hauptdarstellerinnen angetrieben. Rosalba Neri ist perfekt als die weltlichere und eisigere der beiden besetzt. Neri wurde 1939 geboren und trat 1955 in die Welt der Filme ein. Sie spielte in einer Reihe von Filmen eher untergeordnete Parts, bevor sie nach und nach schließlich auch substanziellere Rollenangebote bekam. 1960 wurde sie in einer kleinen, jedoch denkwürdigen Rolle in Das Schwert von Persien, dem biblischen Epos von Raoul Walsh und Mario Bava, besetzt. Ihr farbenfroher Tod in diesem Film weist auf die fetischistischen Todesszenen von Bavas späterem 6 donne per l’assassino (Blutige Seide, 1964) hin. Sie trat in einer Reihe von Pepla La valle dell’eco tonante (Hercules of the Desert, 1964), Italo-Western (Johnny Yuma, 1966) und Spionagethrillern Password: Uccidete agente Gordon (Heißer Tatort Tripolis, 1966) auf und spielte denkwürdige Rollen in Jess Franco – Filmen wie Justine (Marquis de Sade: Justine, 1968) und 99 Women (Der heiße Tod, 1969). In den 70er Jahren trat sie in einer Reihe von sexuell aufgeladenen Gialli– und Horrorfilmen auf, vor allem in den liebenswürdig grellen Gothics La figlia di Frankenstein (Lady Frankenstein, 1971) und Il plenilunio delle vergini (The Devil’s Wedding Night, 1973). Im filone des Giallo spielte sie in La bestia uccide a sangue freddo (Das Schloß der blauen Vögel, 1971), Alla ricerca del piacere (Haus der tödlichen Sünden), Il sorriso della iena (Smile Before Death) und Casa d’appuntamento (Das Auge des Bösen, alle 1972). Neri belebte stets selbst die routinemäßigsten Produktionen und strahlte eine rohe, offene Sexualität aus, die sie zu einer wahren Szenen-Stealerin machte. In den 80er Jahren verließ sie das Filmgeschäft.

Edwige Fenech wird als die vergleichsweise dumm alberne Ulla besetzt, eine Prostituierte, die mit dem Versprechen von ein paar tausend Dollar in die abnormen Sexspiele verwickelt wird. Fenechs Fähigkeit, mit Leichtigkeit geistlose Charaktere darzustellen, ohne jemals selbst als geistlos rüberzukommen, unterscheidet sie von vielen ihrer Zeitgenossen. Ihre atemberaubenden Gesichtszüge und ihr bemerkenswerter Körperbau garantierten ihr eine erfolgreiche Karriere in Sexploitation, doch sie zeigte auch echte schauspielerische Qualitäten, weswegen ihre Karriere schnell aufblühte. Sie wurde 1948 in Frankreich als Tochter eines maltesischen Vaters und einer italienischen Mutter geboren. Sie begann als Model und wechselte 1967 in die Filmwelt. In kürzester Zeit bekam sie große Rollen und wurde zu einem zugkräftigen Namen an der Abendkasse. Sie ging im Giallo auf, wo sie eine beeindruckende Anzahl von Auftritten verzeichnete, darunter 5 bambole per la luna d’agosto (Five Dolls for an August Moon, 1970), Lo strano vizio della signora Wardh (Der Killer von Wien, 1971), Tutti i colori del buio und Perché quelle strane gocce di sangue sul corpo di Jennifer? (Die Farben der Nacht / Das Geheimnis der blutigen Lilie, beide 1972).

Fenechs größte Hits an der italienischen Kinokasse waren jedoch so sexy Komödien wie Nando Ciceros L’insegnante (Die Bumsköpfe, 1975) und Michele Massimo Tarantinis La poliziotta fa carriera (Politess im Sittenstress, 1976), die sich beide als populär genug erwiesen, um mehrere Nachfolger hervorzubringen. In den achtziger Jahren arbeitete sie stetig, doch ihre Produktionen wurden in den folgenden Jahren weniger. Fan-turned-Filmemacher Eli Roth lockte sie zurück zum Genre-Film, um eine kleine Rolle in Hostel 2 (2007) zu übernehmen, wobei es klar war, dass sie in den dazwischen liegenden Jahren nichts von ihrem guten Aussehen verloren hatte. Fenech und Neri sollten in den kommenden Jahren praktisch zum Sinnbild für die sinnliche Anziehungskraft des Giallo werden, doch dies würde ihr einziges gemeinsames Vehicle bleiben. Allein aus diesem Grund ist Top Sensation als ein unverzichtbarer Film zu bezeichnen.

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  • Format: Limitierte Auflage, Ungekürzte Ausgabe
  • Untertitel: Deutsch
  • Region: Region 2
  • Anzahl Disks: 1
  • FSK: Unbekannt

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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