Straight Outta Compton – Director’s Cut

Straight Outta Compton

1987 verarbeiten fünf junge Männer – Ice Cube (O‘ Shea Jackson Jr.), Dr. Dre (Corey Hawkins), Eazy-E (Jason Mitchell), DJ Yella (Neil Brown Jr.) und MC Ren (Aldis Hodge) – ihren Frust und Ärger über das Leben in ihrem Stadtbezirk von Los Angeles mit Hilfe von brutal ehrlichen Texten und hardcore Beats in die mächtigste Waffe, die sie haben: ihre Musik.
In den späten 80ern gelten die Straßen von Compton, Kalifornien, als die gefährlichsten im ganzen Land. Crack, das aus Kokain hergestellt wird, verbreitet sich alarmierend schnell, und auch die Gewalt der Gangs, in deren Hand der Drogenhandel steckt, eskaliert. Das LAPD und dessen Gangeinheit führen den Kampf gegen die Drogen mit einer unkontrollierten Brutalität aus, die die Bewohner des südkalifornischen Ortes nicht nur angespannt hinterlässt, sondern auch verstört, misstrauisch gegenüber Obrigkeiten macht und zutiefst verbittert.
Eazy-E, ein charismatischer Dope-Händler, der clever genug ist, eine Zukunft in L.A.s aufkeimender Rap Szene zu sehen, hat einen Plan. Er beschließt mit dem Dealen auf den Straßen aufzuhören und wendet sich an seinen Freund Dr. Dre, einen lokalen DJ, der regelmäßig mit DJ Yella in den Clubs von Compton auflegt. Auch sie sind ihre ausweglose Situation leid und begierig auf Veränderung, und Eazy-E hatte die Ressourcen und Beziehungen dafür. Zwei junge MCs kommen noch dazu: MC Ren und Ice Cube, ein talentierter 16jähriger, dessen explosive Texte Dr. Dres Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es ist an der Zeit ihren Frust als Brennstoff für ihre Kunst zu nutzen und den Menschen das Eine zu geben, was sie so dringend brauchen: eine Stimme.
Straight Outta Compton erzählt die wahre Geschichte dieser kulturellen Rebellen – nur bewaffnet mit ihren Texten, ihrer Attitüde und dem rohen Talent – die sich gegen die Autoritäten auflehnten, die sie klein halten wollten, und die die gefährlichste Band der Welt gründeten: N.W.A. Und als sie die Wahrheit aussprachen, wie niemand zuvor, und das Leben in ihrem Viertel beschrieben, da entzündete ihre Stimme eine soziale Revolution, die bis heute wiederhallt.

Straight Outta Compton

Straight Outta Compton ist der diesjährige Anti-Action-Blockbuster, den sich zumindestens Rap-Liebhaber nicht entgehen lassen sollten. Die knackige Regie, engagierten Performances und bissigen Musik-Tracks greifen so nahtlos ineinander, sodass das Publikum in den Film hineingezogen wird, egal ob man Fan von N.W.A. oder einfach „nur“ ein zufälliger Betrachter ist. Dieser Film weiß die Aufmerksamkeit des Publikums zu greifen und zu halten, indem er geschickt Humor, Drama, Gewalt und sogar ein paar Emotionen in einem solch angenehmen Tempo integriert, dass es fast unmöglich wird den Film während des Anschauens aus einem kritischen Blickwinkel zu betrachten. Selbst die Eröffnungsszene, die keine andere Funktion hat, als das gewalttätige und gefährliche Leben der Einwohner von Compton zu veranschaulichen, ist wild, intensiv und überraschend nervenaufreibend. Auf den Punkt gebracht, ist es das, was Straight Outta Compton richtig macht: Er ist unerwarteterweise fesselnd und erschafft mit authentischen Dialogen, klasse Soundtrack und ausgezeichneter visueller Inszenierung wirklich solide Unterhaltung.

Straight Outta Compton

Denkt man sich jedoch dieses ganze Drumherum weg, so könnte Straight Outta Compton auch ziemlich kindisch und dekadent wirken und droht dadurch letztendlich seine Fähigkeit zu verlieren N.W.A.’s Drama ohne Rückgriff auf dämliche, angeheizte Gangster-Mentalität und opulente Zurschaustellung von Reichtum darzustellen. Zu Beginn handelt der Film über eine Gruppe junger Männer, die durch ihre Musik kulturellere Unterschiede und Rassenkämpfe überwinden, sich jedoch im Laufe der Geschichte in reiche Leute verwandeln, die mutwillig Dinge zerstören, sich gegenseitig verkloppen, fröhlich der Frauenfeindlichkeit fröhnen und immer reicher werden. Während sich der Plot zunächst sehr vielversprechend als „Tellerwäscher-zum-Millionär“ Geschichte präsentiert, verliert sich der Tellerwäscher-Anteil nach etwa einem Viertel des Streifens, um durch eine unangemessene Vorführung von „Reichtum“ ersetzt zu werden. Leider verliert Straight Outta Compton an diesem Punkt seine Authentizität als Charakterdrama.

Straight Outta Compton

Das Schauspiel ist größtenteils fantastisch. Die drei Hauptmitglieder von N.W.A. haben eine ausgeprägte Persönlichkeit verpasst bekommen. O’Shea Jackson Jr. spielt seinen Vater Ice Cube, wobei es offensichtlich ist, dass er weiß welche Art von Kerl sein Vater war. Nicht nur, dass seine Schauspiel mit all der erwarteten Wut aufgeladen ist, geht seine Darstellung auch ansonsten sehr tief. Dr. Dre wird von Corey Hawkins recht authentisch gespielt, während DJ Yella (Neil Brown Jr.) und MC Ren (Aldis Hodge) schon beinahe zu Nebenfiguren degradiert werden. Der Film dreht sich sowieso zumeist um Eazy-E, der von Jason Mitchell hervorragend verkörpert wird. Mitchell hat somit die emotionalen Höhepunkte des Films zu meistern, was ihm in ein paar „herzzerreißenden“ Szenen auch ganz gut gelingt. Die Schauspieler sind also talentiert aber das Drehbuch setzt die Zeichen der Charaktere und dieses Drehbuch macht aus den Protagonisten eigentlich nur reiche Schläger. Der Slogan des Plakats liest sich: „The World’s Most Dangerous Group“. Sollte dies so sein, müßte man davon ausgehen, dass die Gruppe ursprünglich eine Art von „rücksichtslosem“ politischen Ehrgeiz gehabt hat, doch ist es schwierig das in dem Film zu sehen. Tatsächlich wird die Grundlage ihrer musikalischen Ambitionen mehrdeutig gehalten, geht aber nie über das Verlangen nach Geld, Waffen und Frauen hinaus. Das politische Gift ihrer Lieder spiegelt sich nie in ihrem Verhalten wider. Sie werden ungerecht behandelt, doch so wie sie sich verhalten, scheint es sie nicht sonderlich zu interessieren. Für eine Gruppe mit dem Namen N.W.A. (ich gehe davon aus, dass die Bedeutung der Abkürzung allgemein bekannt ist) zeigt diese im Film erstaunlich wenig Haltung.

Straight Outta Compton

Auch wenn die Kraft des Films durch seine Dekadenz in der späteren Phase abgewürgt wird, hat er seine besten und erinnerungswürdigsten Momente auf den Straßen von Compton. Der Regisseur fühlt sich dem Stadtteil verbunden und stellt ihn nicht nur als einen heruntergekommenen, grausamen Ort dar, sondern gleichzeitig, wenn auch nur zurückhaltend als eine Art Heiligtum. Gray malt ein vulgäres aber schönes Bild dieser gefährlichen Straßen, wo das Leben rau ist, die Spannungen gewaltig und Träume keine Träume mehr sind. Also, wo liegt das Problem? Es liegt wenig im Film selbst. Das Problem ist, dass dieser Film kein Erfolg werden sollte. Das Massenpublikum sollte nicht auf die Geschichte von jungen schwarzen Männern, die sich aus der Unterdrückung befreien und in ihrem Bereich sogar an die Spitze gelangen, aufmerksam gemacht werden. Vor allem das amerikanische Volk sollte nicht die Wahrheit darüber gezeigt bekommen, wie ihre Polizeikräfte Minderheiten misshandelt, was auch heute noch jeden Tag geschieht. Nein, im Gegenteil: Lasst uns schnell die guten Kritiken begraben! Lasst uns schnell Dr. Dre und Ice Cube auf der Grundlage ihrer Taten von vor zwanzig Jahren diskreditieren. Ach ja, und lasst uns alle sentimental mit Eazy E umgehen, da er ja tot ist und junge schwarze Männer gehen ja in Ordnung, wenn sie tot sind. Die Toten wirken ja nicht mehr furchteinflößend und bedrohlich.

Straight Outta Compton

Das Problem dieses Films ist, dass man es wirklich gewagt hat junge, wütende, schwarze Männer nicht als Verbrecher oder gar Mörder, sondern als weitgehend anständige U.S.-Bürger zu porträtieren. Es ist okay, weiße Kriminelle zu verherrlichen, weil Hollywood ja darauf aufgebaut worden ist. Von Public Enemy zu Der Pate hat es das weiße Publikum schon immer geliebt, ihre eigenen Gangster zu sentimentalisieren. Doch mit sogenannten afro-amerikanischen Männern, die über Kriminalität rappen, ohne selbst richtig kriminell zu sein, geht das nun wirklich nicht. Wenn sich James Cagney in irgendwelchen alten Gangster-Streifen gebärdet wie ein Schläger, dann ist das cool aber wenn schwarze Männer dies heute tun, dann ist das gefährlich und unverantwortlich! Es gibt sehr mächtige Elemente in diesem Land, die durch diesen Film furchtbar erschreckt werden. Sie haben Angst, weil dieser Film dem weißen Publikum zeigt, dass junge schwarze Männer durchaus etwas anderes als gefährliche Kriminelle sein können. Die Szenen aus SOC, die von untragbarer, da vollkommen willkürlicher Polizeigewalt handeln, sind für die Mächtigen der U.S.A. eine schreckliche Bedrohung, denn u.a. können diese an der Macht bleiben, indem sie die weiße Bevölkerung in Angst vor der schwarzen Bevölkerung halten. Sie können nicht dulden, dass auch mal Schwarze als Opfer gezeigt werden und sehen sich deswegen gezwungen die Dinge in Kritiken sofort so zu verdrehen, so dass diese Opfer gleich doch wieder als Verbrecher gesehen werden müssen. Es ist ein guter Film, ein mächtiger, spannender Film, der eine Seite des amerikanischen Lebens zeigt, die so gut wie nie auf dem Bildschirm zu sehen ist. Es gibt mit Boyz in the Hood, Menace II Society, Dead Presidents oder Juice zwar einige Exemplare in dieser Richtung, doch auch diese Filme wurden von der (weißen) Kritik mißgedeutet und verrissen.

Straight Outta Compton

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Straight Outta Compton director's cut

  • Darsteller: Paul Giamatti, Jason Mitchell, Aldis Hodge, O’Shea Jackson Jr., Corey Hawkins
  • Regisseur(e): F. Gary Gray
  • Format: Director’s Cut
  • FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
  • Studio: Universal Pictures Germany GmbH
  • Produktionsjahr: 2015
  • Spieldauer: 167 Minuten

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Das Bildmaterial wurde uns freundlicherweise von Universal Pictures zur Verfügung gestellt. Die Wasserzeichen bitten wir zu entschuldigen.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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