Sylvia / A Saint… A Woman… A Devil…

Der Fall der Shirley Ardell Mason (*1923, †1998), die unter einer dissoziativen Identitätsstörung, oder auch multiplen Persönlichkeitsstörung, litt, sorgte in den 70er Jahren für großes Aufsehen. 1973 widmete ihr die Autorin Flora Rheta Schreiber ein Buch mit dem Titel Sybil. 1976 folgte dann eine TV Adaption des Buches mit Sally Field (Smokey and the Bandit / Ein ausgekochtes Schlitzohr, 1977) in der Hauptrolle. Anscheinend fand auch die Adult Film Industrie gefallen an dem Stoff und so entstand 1977 die X-Rated Adaption Sylvia, auch bekannt unter dem Titel A Saint… A Woman… A Devil…

Sylvia (Joanna Bell) lebt ein bescheidenes und frommes Leben, fernab aller Laster. Sie trägt ein konservatives, bis obenhin zugeknöpft Kleid, einen strengen Dutt sowie eine etwas zu groß geratene Lesebrille. Ihr Heim ist eher altmodisch und schlicht ausgestattet, das Highlight der Innenausstattung ist sicherlich der Gebetsschrein in der Ecke des Wohnzimmers. Eines Tages klingelt ein Staubsaugervertreter (Marc Stevens) an ihrer Pforte und Sylvia gewährt ihm, mehr unfreiwillig, Einlass. Als der Klinkenputzer Sylvia von der enormen Saugkraft seines neusten „Nass-Trocken-Modells“ überzeugen will, verändern sich plötzlich ihre Gesichtszüge und es wirkt als hätte sie einen leichten epileptischen Anfall. Plötzlich sind der Dutt und die Altbacken-Lesebrille verschwunden und Anstelle Sylvias steht plötzlich die lasziv geschminkte, immer geile Mona vor dem leicht verwirrten Vertreter. Und nun ist es „Mona“, die den Verkäufer von ihrer „enormen Saugkraft“ überzeugen will.

Als Toby (Pamela Serpe) seltsame Briefe von ihrer Cousine Sylvia bekommt, entschließt sie sich dieser, zusammen mit ihrer Freundin Sheila (Helen Madigan), einen Besuch abzustatten, da sie glaubt das Sylvia psychische Probleme hat. Da Tobys und Sheilas klingeln nicht gehört wird entschließen sich die beiden durch die nicht abgesperrte Haustür rein zu gehen, um Sylvia zu überraschen. Überrascht ist aber eigentlich nur Toby, da sie ihre sonst so konservative Cousine in flagranti beim Sex mit dem Staubsaugervertreter erblickt. Da Sylvia nichts gemerkt hat machen sich die beiden Freundinnen aus dem Staub und warten im Auto bis sich der Vertreter verabschiedet hat. Als sie nun wieder in das Haus gehen finden sie Sylvia, wieder mit Dutt, Brille und ungeschminkt, beim Beten an ihrem Schrein vor. Sylvia freut sich über den Besuch ihrer Cousine, welche allerdings sehr perplex ist, da sich Sylvia an nichts erinnern kann was sie noch 5 Minuten zuvor getan hat.

Im Laufe der Handlung lernen wir dann noch die restlichen Persönlichkeiten, die in Sylvias Kopf innewohnen, kennen. Da wären neben Mona noch „Tony“ die Lesbe, welche Tobys Freundin Sheila bei deren erster Übernachtung verführt und „Mary“ die eher schüchtern und traditionell erscheint und Sex vor der Ehe ablehnt. Da sich Toby große Sorgen um ihre Cousine macht sucht sie zuerst Rat bei der Kirche. Doch als sich während einer Sitzung mit einem Pfarranwärter plötzlich wieder Mona zu Wort meldet und diesen als Reinkarnation des Teufels mit einem Kruzifix bewaffnet zur Sünde verführt, wendet sich Toby an Dr. Balaban (Peter Savage), einen Psychiater, der Sylvias multiple Persönlichkeiten durch Hypnose vereinen will.

Wenn man A Saint… A Woman… A Devil… jetzt einem Genre zuordnen müsste, wäre man mit seinem Latein wahrscheinlich schnell am Ende. Der Film beginnt wie eine Komödie, schlägt dann aber im Laufe der Handlung auch ernstere Töne an, beispielsweise wenn wir Sylvias Flashbacks an ihre Kindheit sehen, in der sie von ihrer Mutter, die ebenfalls an der selben Krankheit litt, immer wieder missbraucht wurde. Im letzten drittel des Films hat man dann das Gefühl einen Roughie zu schauen, als Toby während einer Orgie von einem Mann (halb)vergewaltigt wird, der sie „so lange schlagen will, bis sie überall genau so schwarz ist wie er selbst.“ Dann gibt es noch zwei Junkies, die von Mona mit Stoff versorgt werden, um ihr als Gegenleistung dabei zu helfen Dr. Balaban zu beseitigen, den sie als Bedrohung ansieht. Gegen Schluss wird es dann wieder komödiantischer und das Ende kommt einer Sitcom gleich.

Regie geführt hat hier Peter Savage, der ein Jahr zuvor schon als Schauspieler in Martin Scorseses Taxi Driver und 1980 auch in dessen Wie ein wilder Stier zu sehen war. Bei letzterem hat er auch am Drehbuch mitgewirkt, da er ein alter Schulfreund von Jake LaMotta war. Die Sexszenen sind wenig abwechslungsreich, nicht gut in Szene gesetzt und anscheinend hat der Regisseur einen Anilingus Fetisch, denn davon bekommt man hier reichlich zu sehen, ob man möchte oder nicht. Allerdings macht die Performance von Joanna Bell, vor allem in ihrer Rolle als Mona, dann einiges wieder gut. Durch ihr schelmisches, laszives Lächeln und die Art wie sie die Transformationen zwischen ihren vielen Persönlichkeiten darstellt wird sie zu einem echten Hingucker. Auch Pamela Serpe überzeugt in ihrer Rolle als Cousine Toby in jeder Hinsicht, obwohl, oder gerade weil sie ihren Charakter so über dramatisiert spielt, dass man meinen könnte, sie erhoffte sich eine Oscarnominierung durch die Rolle.

Den Kontrast dazu setzt hier sicherlich Marc Stevens als tollpatschiger, verwirrter Staubsaugervertreter. Diese Rolle ist ihm sicherlich auf den Leib geschneidert und mit seinem Mitwirken in mehr als hundert Adult Produktionen kann man Marc Stevens sicherlich als Urgestein des Golden XXX Age bezeichnen. In einer Nebenrolle, als einer der zwei Junkies haben wir dann noch Sonny Landham, der vor seiner Karriere in Hollywood (The Warriors, Nur 48 Stunden, Predator) schon in anderen Pornofilmen mitgewirkt hat, unter anderem in Radley Metzgers Klassiker The Private Afternoons of Pamela Mann. Und wer in den Kredits genau hinschaut, wird bei „Co-Director / Production Manager“ den Namen William B. Lustig entdecken, der dann in den 80er Jahren den ikonischen Slasherfilm Maniac gedreht hat. Naja, sie haben eben alle mit Porno angefangen.

Auch erwähnenswert ist der Soundtrack, vor allem das Stück Your Bed befördert einen direkt in das Epizentrum der 70s und erweckt den Wunsch dieses wunderbare Lied auf 7“ zu besitzen. Dann wird die Musik immer wieder von psychedelischen Klängen untermalt, die dem Score einen wunderbaren Acid Vibe verleihen. Trotz seinem halbgaren Charakter sticht Sylvia dennoch aus der Masse der, wie am Fließband produzierten, meist billigen Produktionen der Porn Chic Ära heraus. Für eine psychologische Charakterstudie fehlt es hier an Substanz, für eine Komödie ist der Film zu ernst, für ein Drama zu lustig. Aber eines ist A Saint… A Woman… A Devil… auf jeden Fall – unterhaltsam.

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