The Day Before / Massive Retaliation

Amerikanische und russische Flugzeugträger stehen sich im Indischen Ozean gegenüber. Die Apokalypse bahnt sich an. Und als die Schreckensnachricht von der Evakuierung Moskaus bekannt wird, ist auch die Stunde „0“ zum Greifen nahe. Panik bricht aus. Die Menschen in den Städten versuchen dem Holocaust zu entkommen und flüchten aufs Land. Drei amerikanische Familien beschließen ihr gemeinsames Sommerhaus als Überlebens-Camp zu nutzen. Aber es gibt viele, die nicht wissen wohin und die werden zur tödlichen Bedrohung. Es kommt zu Gewalt und Geiselnahme … Menschen sterben. Das Motto lautet „Zahn um Zahn“ und dabei ist jedes Mittel recht. (Lightning Video)

Während der Eröffnungsszenen von The Day Before wird etabliert, dass eine Gruppe von durchschnittlichen weißen Ehepaaren, auf die sich der Film konzentriert, ein Grundstück mitten im Nirgendwo gekauft und es im Falle eines bevorstehenden Atomangriffs zu einem sogenannten Compound ausgebaut hat. Sollte es zum Ernstfall kommen, könnten sie im Handumdrehen alles aufgeben und zur besagten Festung fahren, denn auch ihre Koffer sind bereits gepackt. So muss das Leben in den 80ern gewesen sein, zumindest in den USA, denn jeder hält das für völlig normal. Besagter Compound wird zwischenzeitlich auch als Urlaubsziel genutzt. Der Film beginnt mit einer Nachrichtensprecherin, die verkündet die Lage in Russland würde sich irgendwo in einem Ozean erhitzen. Sie informiert umgehend die anderen Paare in ihrem sozialen Umfeld und sofort packen alle zusammen und machen sich auf den Weg in die Berge. Oh, und um das Drama noch zu verstärken, sind die Kinder der genannten Paare bereits am Tag zuvor zu dieser Reise aufgebrochen, die jetzt plötzlich zu einem Notfall geworden ist.

Man schaue sich also zuerst einmal die Paare an, mit denen man es hier zu tun hat: Da gibt es die Nachrichtensprecherin mit ihren Ehemann, der als Comedic Relief fungiert (ein Typ, der eine extrem schlechte Paul Rodriguez / Jim Belushi Impression abliefert), einen professionellen Doktor und seine sexuell attraktive Trophäen Ehefrau sowie einen durchschnittlichen Typen mit seiner durchschnittlichen Frau. Es ist nicht klar zu ersehen, zu welchen Ehepaaren welche Kinder gehören, aber es werden immer wieder Szenen mit den reisenden und streitenden Kindern eingestreut, die zwei Teenager und vier rotzige Gören umfassen. Während sich die schlechte Synth-Musik zunehmend intensiviert und die Paare auf dem Land ankommen, halten Average Guy und seine Average Wife an, um zu tanken, wo sie informiert werden, dass die Kosten auf $20 pro Gallone gestiegen sind. In einem Diner informiert eine Kellnerin unseren professionellen Doktor darüber, dass die Kinder früher am Tag vorbeigekommen sind. Dann bemühen sich einige lokale Bauerntölpel recht halbherzig die sexuell attraktive Trophäe zu vergewaltigen.

Es folgt eine Szene, in der alle aus dem Diner fliehen und das geheime Gelände betreten, das mit einem Tor und einer asphaltierten Straße ausgestattet ist. Der professionelle Arzt beginnt sofort damit Anweisungen zur Sicherung der Räumlichkeiten zu erteilen und bittet noch nachträglich, ob jemand mal nach den Kindern sehen kann. An anderer Stelle nimmt sich der verantwortungsbewusste Teenager (Jason Gedrick aus Der stählerne Adler, 1986) mitten in der Nacht ein Fahrrad, um Benzin oder etwas anderes zu organisieren. Zurück im Lager fechten die Frauen „Katzenkämpfe“ aus, während die Männer Machtkämpfe austragen, die ungefähr 10 Minuten der Laufzeit verschlingen. Auf diese Art und Weise kann man eben auch zu unnötigem zusätzlichem Material kommen. Am Morgen frühstücken die in Panik geratenen Überlebenskünstler dann alle gemeinsam, sind frohen Mutes und warten darauf, von den Kindern zu hören. Die vermissten Kinder und der bevorstehende Atomkrieg zwischen „den Amerikanern und den Russen“ scheint sie wirklich zu stressen. Der verantwortungsbewusste Teenager ruft schließlich bei ihnen an, informiert sie über den kaputten Lastwagen und behauptet, er könne ihn reparieren lassen.

Die Erwachsenen sind nun wieder beruhigt und bemühen sich nicht einmal, den Kindern zu helfen. Also besucht unser verantwortungsbewusste Teenager ein Ersatzteillager, um eine neue Wasserpumpe zu kaufen, doch der alte Mann hinter der Theke akzeptiert keine Kreditkarten mehr. Und zum wiederholten Male versucht der Drehbuchautor den alten Mann dazu zu bringen, etwas Produktives zu sagen: „Es gibt immer irgendeinen Krieg.“ Dann versucht der Junge die Pumpe zu stehlen und wird mit einer Waffe bedroht. Es wird ein nationaler Notfall ausgerufen, der die Evakuierung von Menschen aus großen städtischen Gebieten umfassen soll. Die Erwachsenen führen daraufhin wieder ein paar interne Machtkämpfe aus und die durchschnittliche Ehefrau macht sich auf den Weg, um die Kinder zu finden. Das hätten eigentlich alle gemeinsam bereits am Morgen tun sollen, aber sie waren wohl zu beschäftigt mit dem Frühstück. Alle anderen beobachten nun, wie Average Wife durch das Minenfeld fährt, um das Gelände zu verlassen. Ja, richtig gelesen, Minenfeld! Sie crasht ihren Truck, woraufhin Comedic Relief Ehemann, beim Versuch sie zu retten, auf eine Mine tritt. Allerdings handelt es sich lediglich um eine „Blindgänger-Mine“, die „nur“ seinen Fuß zerschmettert.

Was für eine Erleichterung! Es wäre echt trostlos gewesen den Rest des Films ohne das komödiantische Styling eines Jim Belushi / Paul Rodriguez Hybriden verfolgen zu müssen. Zurück in der Stadt wird der Junge aus dem Gefängnis entlassen. Der Sheriff hält einen weiteren urkomischen, stümperhaften Monolog über Amerika und dessen Konsumismus. Als der Junge nun endlich das Gefängnis verlässt, fällt ihm zufällig der Truck des Sheriffs auf, der genau die Wasserpumpe hat, die er braucht. Beim Verlassen der Stadt überprüfen Polizisten alle „Host Destination I.D. Cards“ und da unser verantwortungsbewusste Teenager keine hat, muss er vor den „Bullen“ davonlaufen und dabei enorm viele Wheelies auf seinem Fahrrad vollführen. Wow, es spielt doch tatsächlich auch Bob Goldthwait (u.a. bekannt aus den Police Academy Streifen) in seiner allerersten Kinofilmrolle mit. Goldthwait übernimmt die Rolle eines besoffenen Freundes eines Deputies, der weiß, dass die Überlebenskünstler eine Menge Benzin auf ihrem Grundstück gebunkert haben. Nachdem sie das Benzin ergaunern konnten, gehen sie. Danach gibt es wieder interne Machtkämpfe unter den Erwachsenen zu ertragen.

Man fragt sich wirklich so langsam, wie sie sich überhaupt auf die Gestaltung und die Innenausstattung des Compounds einigen konnten, wenn noch nicht einmal Einigkeit herrscht, wenn die Kacke am Dampfen ist. Dann erklärt der durchschnittliche Ehemann: „Die Minenfeld-Service-Festplatte ist zerstört.“ So muss Computersprache im Jahr 1984 geklungen haben. Man konnte ganz einfach technisch klingende Wörter aneinanderreihen und niemand würde den Unsinn in Frage stellen. Es folgen weitere 10 Minuten, in denen die Frauen darüber streiten, was eine gute Mutter ausmacht. Ach ja, es wurde noch vergessen zu erwähnen, dass sich unser professioneller Arzt auf einem größenwahnsinnigen Power Trip befindet und weiterhin alle herumkommandiert. Dann kommen die Kinder auf dem Gelände an und der größenwahnsinnige Doktor schlägt seinem Sohn vor allen ins Gesicht, weil er geweint hat und generell eine Muschi darstellt. Oh, und die Bauerntölpel tauchen mit Waffen auf und versuchen die Paare von ihrem Gelände zu vertreiben. Sie halten die Kinder als Geiseln und drohen sie zu töten.

Während dieser Showdown zwischen den beiden Lagern seinen Höhepunkt findet, hört Comedic Relief Ehemann im Radio, dass es einen Waffenstillstand gibt und der Krieg vorbei ist. Als er humpelnder Weise die freudige Nachricht „Der Krieg ist vorbei“ überbringen möchte, wird er vom stellvertretenden Sheriff erschossen. Unser professioneller Arzt ist jetzt jedoch davon überzeugt, dass der Waffenstillstand nur russische Propaganda sein kann, während der durchschnittliche Ehemann seine Waffe sehr emotional wegwirft und verkündet: „Krieg macht keinen Sinn.“ Ah-ha-ha – daraufhin flippt der professionelle Arzt vollkommen aus und erschießt ihn, weil er ein Weichei ist! Dann bilden die dämlichen Kinder einen Kreis um den durchschnittlichen Ehemann. Standbild! Massive Retaliation präsentiert sich fehlgeleitet, irreführend (basierend auf den Covern der DVD- und VHS-Auswertungen) und ist im Allgemeinen als hundsmiserabel zu bezeichnen. Zusätzlich verpasst der Streifen jeden effektiven Kommentar zum Thema, den man zugunsten von völlig unnötiger Charakterentwicklung, fehl am Platz befindlichen politischen Schmähreden und Bobcat Goldthwait hätte einfließen lassen können. Der Film macht ganz einfach alles falsch, was Das letzte Testament (1983) richtig gemacht hat. Während die Drehbuchautoren dieses Films das Thema mit Respekt und im Kontext des wirklichen Lebens behandelt haben, taten dies die Drehbuchautoren von The Day Before nicht.

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  • Darsteller: Tom Bower, Karlene Crockett, Peter Donat, Marilyn Hassat
  • Regisseur(e): Thomas A Cohen
  • Format: PAL, Import
  • Sprache: Englisch
  • Bildseitenformat: 4:3 – 1.33:1
  • Anzahl Disks: 1
  • FSK: Nicht geprüft
  • Studio: Cornerstone Media
  • Spieldauer: 91 Minuten

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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