Wenn es Nacht wird in Manhattan / Cotton Comes to Harlem

Die Polizisten „Gravedigger“ Jones (Godfrey Cambridge) und „Coffin Ed“ Johnson (Raymond St. Jacques) ermitteln gegen einen korrupten Reverend (Calvin Lockhart) – einen Bruder, dessen „Zurück nach Afrika“-Kampagne nichts anderes als ein großer Betrug ist. Doch als 87.000 Dollar des Reverends in einem Baumwollbündel versteckt werden, stellen Gravedigger und Coffin Ed fest, dass sie nicht die Einzigen sind, die sich plötzlich für die steigenden Baumwollpreise interessieren: Sie bekommen es mit der Mafia, der Polizei, schwarzen Aktivisten und Straßengangstern zu tun … (Wicked Vision Distribution GmbH)

Ossie Davis‘ Cotton Comes to Harlem führte die Blaxploitation-Revolution in den frühen 1970er Jahren an. Dabei handelt es sich um Mainstream-Studiofilme, von denen einige von schwarzen Filmemachern gedreht wurden und hauptsächlich für ein urbanes schwarzes Publikum bestimmt waren. Davis, ein Schauspieler, der für seine Rollen in so unterschiedlichen Filmen wie Mit eisernen Fäusten (1968), Do the Right Thing (1989) Malcolm X (1992) und Bubba Ho-Tep (2002) bekannt ist, führte Regie und war Co-Autor des Drehbuchs dieser Slam and Bang – Actionkomödie, für die er ein erstklassiges Stück von sogenannter Pulp-Fiction des Schriftstellers Chester Himes adaptierte. Die tolle sowie äußerst gelungene Besetzung besteht größtenteils aus „schwarzen“ Schauspielern, während der Streifen eine Handvoll von aufstrebenden Gesichtern ins Rampenlicht rückt, am auffälligsten sind dabei Cleavon Little (Der wilde wilde Westen, 1974) als Lo-Boy und Redd Foxx als Uncle Bud, kurz bevor ihn die Fernsehserie Sanford and Son (1972 – 1977) zu einem bekannten Schauspieler machte. Darüber hinaus betont Cotton Comes to Harlem – sogar noch ausdrücklicher als die übliche Blaxploitation-Kost – den Tumult der Rassenbeziehungen in der Ära der Bürgerrechtsbewegung und geht auch offen auf die destruktiven Spannungen innerhalb der schwarzen Gesellschaft Harlems ein. Wie der Back-to-Africa-Evangelist Reverend Deke O’Malley (Calvin Lockhart) fragen könnte: „Ist das schwarz genug für Euch?“

Cotton Comes to Harlem lässt die Vorgänge – mit einem seiner stärksten set-pieces – von Anfang an auf Hochtouren laufen: als eine Bande von Verbrechern mit Maschinengewehren (die wie die Wissenschaftler aus George A. Romeros The Crazies mit Schutzanzügen bekleidet sind) Reverend Deke O’Malley und dessen Handlanger während einer Spendenaktion für seine Back-to-Africa-Bewegung überfällt, sind die beiden „schwarzen“ Harlem-Detectives Gravedigger Jones (Godfrey Cambridge) und Coffin Ed Johnson (Raymond St. Jacques) zufällig zur Stelle, um sich der Sache an- sowie die Verfolgung der Kriminellen aufzunehmen. Dabei erfüllt diese Sequenz gleich drei Aufgaben gleichzeitig: sie präsentiert die verschiedenen Drehorte in Harlem, bietet dem Publikum den nötigen Nervenkitzel und lässt währenddessen (auf recht ausgebuffte Art und Weise) Ausschnitte von einigen ausgewählten komödiantischen Vignetten zu. Unter anderem werden dabei die Bemühungen eines Straßenkünstlers und seines diebischen Kollegen in den Fokus gestellt, die eine alte Dame beklauen wollen.

Himes‘ Roman beschäftigt sich mit Aspekten des Film Noir in Bezug auf die Femme Fatale und konfiguriert sie neu, indem er seiner Leserschaft gleich deren zwei anbietet. Eine von beiden erweist sich jedoch als Ablenkungsmanöver, da sie von der anderen – Iris (Judy Pace), der Freundin des Reverend – zu Tode geprügelt wird. Ironischerweise zieht Iris dabei Mabel (Emily Yancy) ein maßstabsgetreues Modell der „Black Beauty“ über den Kopf. Dem Schiff, mit dem die Reise zurück zu Mutter Afrika, die von Reverend O’Malley während der Eröffnungsrallye des Films angepriesen wird, durchgeführt werden soll. Man betrachte dies als eine Art Meta-Kommentar der Drehbuchautoren Arnold Perl und Ossie Davis, zumal Mabel in Himes‘ Buch von Iris einfach „nur“ über den Haufen geschossen wird. Dann gibt‘s noch die umwerfende Szene, in der Iris den teutonisch anmutenden Streifenpolizisten im Leibwächterdienst Jarema (Dick Sabol) verführen möchte, indem sie ihn einlädt, von ihren verbotenen Früchten zu kosten. Allerdings nur, wenn er zustimmt sich eine Papiertüte über den Kopf zu ziehen. Natürlich trickst sie Jarema letztendlich aus, um ihm entfliehen zu können. Die Szene kommt dabei gefährlich nah an eine Art rassistisch aufgeladenen Voyeurismus heran und stellt quasi einen umgekehrten Mandingo-Moment dar, nur um die Fantasie des Publikums anzukurbeln.

Diese satirische Saat lässt sich sicherlich auch in Himes‘ Quellenmaterial wiederfinden, das Drehbuch umrandet sie jedoch ganz einfach auf karikaturistische Art und Weise. Was nicht heißen soll, dass der Film nicht auch ernsthafte Punkte über die wirtschaftlichen Bedingungen in Harlem zu machen hat. Anstelle der komplementär „weiß“ geführten Back-South-Bewegung des Romans bekommt das Publikum italienische Gangster vorgesetzt, denen der erfahrene Charakterdarsteller Leonardo Cimino voransteht. Die Koda des Films verlagert die Betonung auf die „schwarze“ Autonomie – auch wenn es sich dabei um die kriminelle Variante handelt. Der „schwarze“ Gangster Caspar (Maxwell Glanville) schließt einen Deal mit Ciminos Don ab, um eine größere Gewinnbeteiligung aus Nummerngeschäften und anderen illegalen Aktivitäten zu erhalten, damit er in Harlem „schwarze Unternehmen in schwarzem Besitz“ finanzieren kann. Bezeichnenderweise wird dieser Deal von Coffin Ed und Gravedigger vermittelt, den eigentlichen Vertretern von Recht und Ordnung. Unter dem Einfluss eines grundlegend ungerechten und korrupten Systems scheint Cotton Comes to Harlem zu suggerieren, dass das Beste – worauf die Verarmten und Entrechteten hoffen können – darin besteht sich auf jede erdenkliche Art und Weise abzustrampeln sowie zu kämpfen, um ein größeres Stück vom Kuchen abbekommen zu können.

Wicked-Vision veröffentlicht Cotton Comes to Harlem als Nummer 11 ihrer Black Cinema Collection in einer Scanavo BD-Box (Blu-ray und DVD auf 1.500 Stück limitiert) und startet damit die BCC Nummer zwei. Ja, richtig gelesen, so wie vom Label bereits angekündigt folgt nun auf die erste BCC auch noch eine zweite, worüber wir uns sehr freuen! Bild (1,85:1; 1080p / 1,85:1 anamorph) und Ton (Deutsch + Englisch DTS-HD Master Audio 2.0 / Dolby Digital 2.0) bewegen sich wieder einmal auf recht hohem Niveau, da kann man sich absolut nicht beschweren. Auf Wunsch können deutsche oder englische Untertitel zugeschaltet werden (auch bei den Extras). Erlebt die Verfilmung von Chester Himes‘ Romanklassiker als europäische HD-Premiere mit interessantem Bonusmaterial. Insgesamt handelt es sich bei Cotton Comes to Harlem wieder einmal um eine äußerst gelungene Edition, die bei Liebhabern und Freunden des Blaxploitation-Kinos oder Black Cinemas enorm gut ankommen sollte.

Extras und Besonderheiten:

  • inkl. hochwertiger Sammelschuber mit Spotlack-Veredlung
  • 32-seitiges Booklet mit einem Essay von Christoph N. Kellerbach —> hier kann man eine Menge an interessanten Informationen über Chester Himes, seinen Roman Cotton Comes To Harlem sowie die Verfilmung des Romans nachlesen
  • Audiokommentar mit Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese —> wie auch schon bei den vorherigen VÖs der BCC bereitet es wahre Freude den beiden Kommentatoren bei ihren recht informativen sowie unterhaltsamen Ausführungen zu folgen. Interessanterweise bezeichnet Herr Naumann den Film als „im Wesentlichen kein[en] Actionfilm, nicht mal richtigen Spannungsfilm, sondern einen […] Kriminalfilm im Gewand einer Milieustudie.“
  • Dokumentation: „There Is a Riot Going On … Vol. 1“ mit PD Dr. Andreas Rauscher und Prof. Dr. Marcus Stiglegger —> das Gespräch zwischen den beiden Kollegen ist wieder einmal äußerst interessant sowie informativ ausgefallen. Wir freuen uns jetzt schon auf Vol. 2!
  • Deutscher Kinotrailer
  • Easteregg in Form des kompletten Soundtracks, das man unter den Extras finden kann
  • Originaltrailer
  • TV-Spot
  • Radio-Spot
  • äußerst umfangreiche Bildergalerie

Beim Wicked Shop bestellen

Freigabe: ab 16 Jahre
Ländercode: B / 2
Laufzeit: 97 Minuten / 93 Minuten
Bildformat: 1,85:1 (1080p) / 1.85:1 (anamorph)
Sprache: Deutsch, Englisch
Tonformat: DTS-HD Master Audio 2.0 / Dolby Digital 2.0
Untertitel: Deutsch, Engisch
Untertitel Extras: Deutsch, Englisch
Verpackung: Scanavo BD-Box inkl. hochwertiger Sammel-Schuber mit Spotlack
Discs: 2
Format: Blu-ray & DVD
Disc-Typ: BD-50 / DVD-9
Studio / Vertrieb: Wicked Vision Distribution GmbH

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Die Screenshots stammen nicht von dieser Edition !!!

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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