Willkommen in der Hölle / ¡Mátalo! / Matalo! (Kill Him)

Burt, der wegen kaltblütigen Mordes zum Tod durch den Strang verurteilt wurde, wird von seinen Freunden – einer Gruppe skrupelloser Banditen – davor bewahrt, mit denen er sich gleich eines Goldtransportes bemächtigen will. Mit Phillip, Ted und Mary überfällt er die Transportkutsche. Während des Überfalls wird Burt angeschossen und zurückgelassen, während sich die anderen drei in den aufgegebenen Ort Benson City mit der Beute flüchten. Dort wollen sie sich für ein paar Tage verstecken. Einige Zeit nach ihnen tauchen eine Witwe und der junge Australier Ray, der einige Bumerangs als Waffen einsetzt, in Benson City auf. Die Banditen nehmen die beiden aus Misstrauen gefangen und versuchen, das nicht-existierende Geheimnis ihrer Ankunft durch Folter zu erfahren. (Schröder Media / Wild Coyote)

Alternativ als „Leone auf Meskalin“ und „John Ford auf LSD“ beschrieben, nimmt ¡Mátalo! einen Ehrenplatz in der Kuriositäten-Sammlung des Spaghetti-Western ein. Während eine eher traditionelle Italo-Western Geschichte über Schurken, die sich nach einem erfolgreichen Überfall in einer Geisterstadt verstecken, erzählt wird, versucht der Film das Publikum mit seinem psychedelischen Rock-Score, anachronistischen Kostüm-Design, schwindelerregenden Kamerabewegungen, out-of-focus Aufnahmen und unberechenbaren politischen und sexuellen Metaphern von diesem klassischen Stil zu entfremden. Obwohl Willkommen in der Hölle ein Remake des früher entstandenen Dio non paga il sabato (Die sich in Fetzen schießen, 1967) repräsentiert, stellt er durchaus einen einzigartigen Western dar.

Es gibt vage Ähnlichkeiten zu den Monte Hellman-Western aber der Film fühlt sich im Geiste Filmen wie The Wild Angels (Die wilden Engel, 1966) oder Easy Rider (1969) näher, wobei sich die Bandenmitglieder wie Hells Angels des 19. Jahrhunderts benehmen und Mary, die jedes Gangsters Freundin sein könnte, gibt sich Corrado Pani (dem Anführer des Rudels) hin. Die meisten Story-Elemente aus dem ursprünglichen Skript wurden beibehalten aber eine kleine Änderung scheint ganz wesentlich zu sein: Im Originalfilm war es nicht der Burt-Charakter, sondern einer seiner Leutnants (Braxter in Dio non paga il sabato von Luis Davila gespielt), der in der Eröffnungsszene aufgehängt werden soll. Was als eine deutliche Verbesserung bezeichnet werden kann, da Pani nun zur wirklichen Hauptfigur der Erzählung wird, auch wenn er während des Großteils des Films gar nicht anwesend ist.

Nach den bizarren und faszinierenden ersten zehn Minuten mit Burts beinahe Hinrichtung und dem Massaker an den Mexikanern, tritt die Geschichte in den Hintergrund und macht Platz für Mario Migliardis lauten, besonders aufdringlichen Soundtrack und eine Reihe von erotischen und gewalttätigen Szenen mit starken sado-masochistischen Obertönen. Hier fällt vor allen Dingen Marys verführerisches und provokatives Verhalten den Männern in ihrer Gesellschaft gegenüber auf. Das Komische ist, dass dem Zuschauer in eindrucksvoller Art und Weise deutlich gemacht wird, dass der abwesende Burt überhaupt nicht abwesend ist: Von Zeit zu Zeit durchdringt der Lauf seiner Pistole den Bildschirm in glorreicher Erektion. Manchmal ist eine Waffe nur eine Waffe aber hier ist es sehr schwierig die Freudsche-Symbolik nicht zu erkennen.

Als Burt schließlich sein Gesicht wieder zeigt, beginnt Mary sofort ihn zu küssen; ein Echo der Szene mit der trauernden Frau aus den ersten Minuten. Der psychedelische, „hippe“ Look des Films – einschließlich Schlaghosen, Hotpants und Flower-Power-Insignien – fühlt sich heutzutage natürlich datiert an und die rockige Musik – eine Verschmelzung einer jammernden Jimmy Hendrix Gitarre, pulsierenden Iron Butterfly Rhythmen und frühen, experimentellen Pink Floyd Sound-Effekten – wird eventuell einige Leute in den Wahnsinn treiben. Die politischen Metaphern fühlen sich furchtbar bemüht an aber man muss auch beachten, dass einiges der Symbolik ziemlich off-beat (gelinde gesagt) rüberkommt, mit degenerierten, gefräßigen Hippies, die eine wild gewordene Welt repräsentieren und Pani als Inkarnation des Bösen, ein selbst besessener Erotomane, dessen Küsse giftig zu sein scheinen: Frauen, die ihn küssen, müssen kurz danach sterben.

Willkommen in der Hölle ist gelegentlich schon etwas zu verrückt und fühlt sich mehr wie ein Drogen-Trip, als ein echter Film an. Außerdem ist das Finale mit den Bumerangs seltsam inadäquat, vielleicht sogar ein bisschen lächerlich geraten. Trotzdem scheint dieser halluzinatorische Wahnsinn zu funktionieren. Sucht man einen ungewöhnlichen aber immer noch recht einfach gehaltenen Italo-Western, sollte man sich an Die sich in Fetzen schießen halten. Sucht man allerdings nach etwas komplett anderem, könnte dies der Film dafür sein.

Das Bild wird uns im Format 2,35:1; 16:9 anamorph präsentiert und sieht wirklich gut aus. Es ist beinahe vollkommen frei von Schäden und Verschmutzungen, die Farben sind auch ziemlich ok und kontrastreich. Der Ton bietet eine deutsche sowie eine italienische Spur (beide in DD 2.09), die sich beide angenehm hören lassen. Bild und Ton befinden sich also auf gutem Niveau. Leider sind keine Untertitel anwählbar. Als Extras sind der Original Kinotrailer zum Film, ein Trailer zu Vier Halleluja für Dynamit Joe und ein Wendecover enthalten. Eine Bildergalerie, wie auf dem Backcover angegeben, ist nicht vorhanden.

Schröder Media / Wild Coyote (Explosive Media) gelingt mit ¡Mátalo! eine ordentliche Veröffentlichung eines wohl einzigartigen Italo-Western auf Peyote. Die technische Qualität der DVD ist als gut zu bezeichnen, während sich beim Film die Geister mit Sicherheit scheiden werden, da muss sich jeder sein eigenes Urteil bilden. Wir mögen den Film, trotz weniger Schwächen, jedenfalls sehr. Italo-Western Liebhaber sollten hier auf jeden Fall zuschlagen, denn der Streifen dürfte in keiner besseren Qualität erhältlich sein.

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  • Seitenverhältnis: 16:9 – 1.85:1
  • Alterseinstufung: ‎Freigegeben ab 16 Jahren
  • Regisseur: ‎Cesare Canevari
  • Medienformat: ‎Dolby, PAL, Breitbild
  • Laufzeit: ‎1 Stunde und 33 Minuten
  • Darsteller: ‎Lou Castel, Corrado Pani, Luis Davila, Claudia Gravy, Annamaria Mendoza
  • Sprache: ‎Italienisch (Dolby Digital 2.0 Mono), Deutsch (Dolby Digital 2.0 Mono)
  • Studio: ‎Wild Coyote

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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