Zeugin der Anklage

Witness for the Prosecution

Witness for the Prosecution (Zeugin der Anklage) ist ein Gerichtsdrama von Billy Wilder aus dem Jahr 1957 basierend auf der Kurzgeschichte „Traitor’s Hand“ von Agatha Christie.

Leonard Vole (Tyrone Power) wird beschuldigt, die wohlhabende Witwe Emily French ermordet zu haben. Er sucht den Anwalt Sir Wilfried (Charles Laughton) auf, er soll ihn vor Gericht verteidigen um unschuldig gesprochen zu werden. Wilfried, eigentlich aus gesundheitlichen Gründen von seiner Pflegerin (Elsa Lanchester) zu weniger aufregenden Tätigkeiten genötigt als emotionale Mordprozesse vor Gericht, nimmt sich dem Fall an und versucht, die Unschuld von Vole darzulegen. Er habe zur Tatzeit ein Alibi, er hätte kein Motiv gehabt, die Haushälterin der Witwe aber, und letztlich könne auch Voles Frau Christine (Marlene Dietrich), für sein Alibi und seinen Charakter bürgen. Doch als diese in den Zeugenstand gerufen wird, gibt es eine jähe Überraschung und der Fall kommt ins Wanken….

Witness for the Prosecution

Billy Wilder (The Fortune Cookie, Extrablatt) hätte diesen Film wohl ohne Marlene Dietrich (Touch of Evil, Das Urteil von Nürnberg) nicht gedreht, und dennoch finde ich nicht dass der Film jetzt sonderlich von ihrer Präsenz profitiert. Sie gibt eine beeindruckende Performance ab, allerdings keine einmalige oder so zentrale wie Laughton sie ist für diesen Film. Davon abgesehen bin ich ohnehin nicht der größte Dietrich-Fan, aber das ist nun eine andere Frage. Wilder macht aus dem Ausgangsmaterial einen etwas pfiffigeren Whodunit, der Zuschauende lange im Dunkeln lässt, bis zu einem Punkt an dem man sogar glaubt, Sir Wilfried einen Schritt voraus zu sein oder die Sache durchschaut zu haben, denkste. Witness for the Prosecution ist ein spannender, unterhaltsamer und originell inszenierter Gerichtsfilm, der durch seine Rückblenden auch die Mauern des Gerichtssaals sprengt und ein wenig detektivisch wird.

Witness for the Prosecution

Was der Film nicht ist, ist eine Komödie (ebenso wenig wie Wilders Umsetzung von Double Indemnity übrigens, den ich auch wirklich sehr mag). Das heißt aber durchaus nicht, dass der Film ohne Humor auskommt, im Gegenteil. Dafür trug Wilder Sorge. Es ist somit vor allem aber Laughtons großartige Performance und die Drolligkeit seines Charakters, unter anderem im Austausch mit dem Richter und seiner Pflegekraft (Laughtons damalige Gemahlin auf dem Papier), die aus diesem Gerichtsdrama ein unterhaltsames solches machen. Überhaupt lebt der Film hier vom Kontrast seiner Charaktere, ob die kalkulierte tituläre Zeugin, der etwas zwielichtige Angeklagte oder der eben genannte Anwalt, es sind alles höchst unterschiedliche, sehr plastische und eben auch menschliche Figuren.

Witness for the Prosecution

Laughton, der dem jüngeren Publikum (mich eingeschlossen) heute kaum ein Begriff ist, aber ein großartiger Schauspieler war, ist die zentrale Figur dieses Films. Dabei auch ein wenig tragisch. Auf dem Höhepunkt seiner späten Karriere genießt dieser sichtlich, diese Figur zu spielen, nach dem er selbst als Filmemacher mit Night of the Hunter Erfahrung sammelte – ein gefeierter Film, der leider keinen Erfolg hatte. Hier kann er ganz und gar einen schrulligen Typen mimen, der diverse Ticks, gesundheitliche Schwächen und charakterliche Eigenheiten nicht verbirgt, aber ganz und gar dem juristischen Prozess sich verschrieben hat und in diesem aufgeht – aber auch am Ende eine bittere Lektion lernen muss.

Witness for the Prosecution

Unterm Strich ist Zeugin der Anklage auch heute noch ein unglaublich mitreißender Film, der von vorne bis hinten clever gestrickt und großartig gespielt ist. Ob Tyrone Power (Im Zeichen des Zorro) und Frau Dietrich die beste Besetzung waren ist eine andere Frage und eine des Geschmacks, letztlich aber ist es ein prima harmonierendes Ensemble das mit einem großartigen Drehbuch großartiges leisten konnte. Billy Wilder lieferte einen doch nicht unbeachtlichen Geniestreich ab, der sich sehr gut in seine Filmografie einfügt.

Witness for the Prosecution

Capelight bringt den Klassiker als 2-Disc Edition (BluRay und DVD) im schmucken Mediabook. Letzteres übrigens, so informiert das Label auf seiner Website, ist nicht vor Abrieb gefeit. Grund dafür ist as verwendete Sondermaterial. Das ist einfach ein Kompromiss. Es fühlt sich sehr edel und besonders an, sieht prima aus, muss man dafür aber halt behutsam behandeln. Hübsch auch weil vorne das deutsche Postermotiv und hinten das originale Postermotiv prangt, finde ich. Innen ist ein 24-seitiges Booklet (mit vielen Fotos auch) mit einem Text von Ines Walk.

Witness for the Prosecution

Das Bild des doch etwas in die Tage gekommenen Films sieht hier weitgehend sehr gut aus. Satte Kontraste, recht gut aufgeräumtes Bild und einigermaßen scharf. Leider ist die Qualität nicht komplett konstant, das heißt das schwankt auch schon mal leicht bis mittelmäßig von Aufnahme bzw. Szene zu Szene, ist aber nicht störend. Man sollte sich jetzt hier nicht zu viel erwarten, aber so gut hat der Film sicher schon sehr sehr lange nicht mehr ausgesehen.

Der Ton klingt völlig zufriedenstellend. Der dialoglastige Film braucht nicht besonders viel mehr als gute Verständlichkeit und ein klein wenig Tiefen für Musik und brummige Stimmen, das passt alles wunderbar. Die deutsche Synchronfassung habe ich nicht getestet. Beide Spuren liegen als 2.0 mono bei. Es gibt löblicherweise Untertitel sowohl auf Englisch als auch Deutsch.

Witness for the Prosecution

Die Extras auf der Scheibe könnten sich sehen lassen. Da wäre einmal Teil 3 der Doku „Billy Wilder im Gespräch mit Volker Schlöndorff“ (13 Minuten), andere Teile waren schon auf anderen Veröffentlichungen enthalten (beispielsweise auf der BluRay von Eins, Zwei, Drei). Sehr informativ und unterhaltsam. Dann ist dabei „Monokel und Zigarren: Simon Callow über Charles Laughton (16 Minuten)“ worin Schauspieler Callow der viel Hintergrundwissen einbringt und eine etwas aktuellere Rückschau auf den Film anbietet. Dann ist mit dabei „Billy Wilder – Ein Leben“ (71 Minuten), ein deutsches Hörbuch in ganzer Länge. Ich bin kein Hörbuch Fan, aber wer das mag, vielleicht neben dem Wäsche zusammenlegen oder im Zug, dem wird das sehr entgegenkommen als quasi-Ersatz dafür, vielleicht mal eine Biografie des Regisseurs wirklich zu lesen (zum Beispiel diese hier). Schön dass das hier inkludiert wurde. Das Hörbuch gibt es hier auch bei Amazon als CD. Abgerundet wird das mit dem Originaltrailer.

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Die BluRay wurde uns zur Verfügung gestellt.

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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