China Blue bei Tag und Nacht / Crimes of Passion

Die attraktive Joanna Crane führt ein bizarres Doppelleben. Tagsüber arbeitet sie als erfolgreiche Modedesignerin, aber nachts ist sie China Blue: Eine Hure, die ihre Kunden die exotischsten Sexwünsche erfüllt. Als ihr Arbeitgeber Joanna verdächtigt, wertvolle Muster an die Konkurrenz zu verkaufen, engagiert er den Detektiv Bobby Grady zu ihrer Beschattung. Doch Grady ist nicht der einzige, der sie beobachtet. Auch der psychopathische, selbsternannte Reverend Shayne verfolgt China Blue und will ihre Seele retten. Für China Blue beginnt ein Martyrium, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. (U1 Films Berlin)

Regisseur Ken Russell war schon immer dafür bekannt mit seinen Filmen bestimmte Grenzen zu überschreiten. Deshalb wurde sein Werk The Devils (Die Teufel, 1971) für so viele Jahre von Warner Bros. zurückgehalten. Trotz dieser Eigenschaft kennen wir uns hier bei Nischenkino nicht annähernd so gut mit seinen Filmen aus, wie es sein könnte und haben uns deshalb gefreut, nach langer Zeit mal wieder China Blue bei Tag und Nacht anzusehen. Der Film selbst stellt so etwas wie einen Erotik-Thriller dar, ähnlich den künstlerisch veranlagten wie Dressed to Kill, wobei man nicht erwarten darf, dass er sich zu künstlerisch oder zu ausbeuterisch gestaltet. Man erwarte ganz einfach beides. Es ist die Mischung aus kraftvollen schauspielerischen Leistungen und einer nervösen Herangehensweise an das Thema, die den Streifen von vielen seiner Kollegen abhebt. Die starke Ausführung, sowohl auf dem Bildschirm, als auch außerhalb des Bildschirms, lässt Crimes of Passion zu einem so robusten Stück Film werden. Gelegentlich rutscht der Flick in den Bereich der Exploitation ab, doch es handelt sich um einen so gut gemachten Film, sodass es schwer zu leugnen ist, dass er sich nicht auf eine Art und Weise ausdrückt, die eine Verbindung herstellt.

Bobby (John Laughlin) möchte wirklich, dass seine Ehe funktioniert. Geldprobleme helfen dabei selbstverständlich nicht weiter, weswegen er beschließt noch zusätzliche Arbeit anzunehmen, indem er eine Frau für einen Freund beschattet. Diese ehrgeizige junge Frau (Kathleen Turner) arbeitet tagsüber hart, nachts jedoch … verwandelt sie sich in eine Prostituierte mit Chamäleon-artigen Tendenzen namens China Blue. Bobby entdeckt auch, dass sie von einem mysteriösen Priester (Anthony Perkins) verfolgt wird, der eine ungesunde Faszination für China Blue zu haben scheint. Wenn es um Erotik-Thriller geht, gibt es eine dünne Linie, die die Filme beschreiten müssen. Orientiert man sich dabei zu weit auf eine Seite, verliert man eventuell einen Teil seines Publikums, weil sich die ganze Sache zu ausbeuterisch gestaltet. Orientiert man sich jedoch zu weit auf die andere Seite, könnte der Film zu künstlerisch geraten und seine Ecken sowie Kanten verlieren. Einige Filme verstehen es sogar die Angelegenheit perfekt auszugleichen. Crimes of Passion hingegen, gelingt es auf seltsame Art und Weise, das Ganze perfekt aus dem Gleichgewicht zu bringen. Hin und wieder begibt sich dieser kantige Thriller auf ein traditionelleres Drama-Territorium, parallel zu den Themen Liebe, Sex und Masken, die Menschen tragen, um eine Verbindung herstellen zu können, während er seinen ausbeuterischeren Elementen mit beinahe energischer Absicht huldigt. Der Streifen springt über dieser Linie hin und her und macht sich nichts daraus. Ein Manöver, das einem in Bezug auf seinen Stil vollkommen frisch erscheint und China Blue bei Tag und Nacht sofort unvergesslich macht.

Es hilft, dass die Kombination aus Regisseur Ken Russell, Drehbuchautor Barry Sandler und einer Besetzung, die zu Allem bereit ist, eine fesselnde und oft rätselhafte Mischung aus Chemie und Stil auf den Bildschirm zaubert. Die hellen, üppigen Bilder, die Bobbies banalen Alltag mit der neonbeleuchteten Dunkelheit aus China Blues fremden Welt in Kontrast stellen, bilden eine Umgebung, die es wert ist, erkundet zu werden. Die Themen werden mit grellen Farben gemalt, die einige der subtileren menschlichen Details von Charakteren verbergen, die auch zwischen zu real und/oder zu empörend hin und her schwanken. Man nehme sich Priester Shaynes Charakter als Paradebeispiel dafür vor. Eine gequälte Seele eines „heiligen“ Mannes, der China Blue unbedingt „retten“ will, indem er sie mit einem (mit einer Klinge ausgestatteten) Sexspielzeug hinrichtet? Perkins verleiht dem Charakter mit seinem enormen Leistungsspektrum die Fähigkeit absolut zu begeistern und trägt wirklich zu den Parallelen zwischen den beiden anderen Hauptcharakteren bei. Zugegeben, der Film hätte die Verbindung zwischen dem Priester und Bobby ein wenig mehr festigen können, um das Dreieck zu erschaffen, das letztendlich alles in trockene Tücher bringt, doch er zeigt trotzdem, was er mit seinen Talenten anstellen kann. Er ermöglicht Turner auch der Kern dessen zu bleiben, was dieser Film in Bezug auf Bedeutung und Fokus zu bieten hat, was wiederum den Schlüssel zu seinem Erfolg darstellt.

Alles in allem (obwohl man seine eigenen kleineren Probleme mit dem Film als Ganzes haben kann), repräsentiert Crimes of Passion die Art von intensivem und ehrgeizigem Filmemachen, das ein hohes Maß an Respekt verdient. Es handelt sich um einen vielschichtigen und robusten Film mit interessanten Themen, wirklich umwerfenden schauspielerischen Leistungen und einem besonderen Stil, der von denjenigen erkundet werden kann, die bereit sind, sich über die ausbeuterischeren Elemente hinaus mit dem Film zu beschäftigen. Hat man dann auch noch eine Veröffentlichung zur Verfügung, die die deutsche Kinofassung (107 Minuten) und den 112-minütigen Director‘s Cut beinhaltet, könnte man zufriedener nicht sein.

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  • Seitenverhältnis : 16:9 – 1.85:1, 16:9 – 1.77:1
  • Alterseinstufung : Freigegeben ab 18 Jahren
  • Regisseur : Russell, Ken
  • Laufzeit : 1 Stunde und 47 Minuten
  • Darsteller : Perkins, Anthony, Laughlin, John, Turner, Kathleen, Potts, Annie, Davison, Bruce
  • Sprache, : Deutsch (Dolby Digital 2.0 Mono), Englisch (Dolby Digital 2.0 Mono)
  • Studio : U1 Films Berlin

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.