Ich polier‘ dir deine Glatze / Asphalt Katze / Colpo in canna / Loaded Guns

Kurzinhalt inkl. Spoiler !!!

Neapel. Die Flugbegleiterin Nora Green (Ursula Andress) stattet dem Mafiaboss Silvera (Woody Strode) einen Besuch ab und übergibt ihm einen Brief von einer geheimnisvollen Person, die von der Polizei gesucht wird und in der Unterwelt als „Der Amerikaner“ bekannt ist. Das Schreiben bedeutet Silveras Todesurteil, der die Überbringerin verprügeln lässt, weil er sie einer Komplizenschaft verdächtigt. Nora wird nun sowohl von Silveras Widersacher Calò (Aldo Giuffrè), als auch von Kommissar Calogero (Lino Banfi) gesucht sowie verfolgt. Schließlich lernt sie einen jungen Zirkusakrobaten namens Manuel (Marc Porel) kennen, der ihr Unterschlupf und Schutz gewährt. Was jedoch niemand weiß, ist, dass Nora selbst die Anführerin einer reinen Frauenbande ist: Sie hat den flüchtigen Amerikaner erfunden und mit Hilfe ihrer Mädchen einen tödlichen Kampf zwischen Calòs und Silveras Gangs entfacht. Am Ende erweist sich Nora als Gewinnerin auf ganzer Linie. Sie erhält eine große Menge an Drogen sowie die dafür vorgesehene hohe Kaufsumme an Geld, vernichtet die rivalisierenden Banden und demütigt zudem noch die Polizei.

Nach seinem bisher düstersten Film, Il poliziotto è marcio (Shoot First, Die Later, 1974), wandte sich Fernando Di Leo einem ganz anderen Gebiet zu. Ich polier‘ dir deine Glatze war ein Versuch das Eurocrime-Genre mit der Komödie zu vermischen (der Film kann nicht gerade zu den poliziotteschi gezählt werden, da kaum entsprechende Merkmale vorhanden sind und hier eher eine Abenteuergeschichte präsentiert wird, die in der Unterwelt spielt). Die Idee zu dem Streifen entsprang vermutlich der Überzeugung, dass die Farce den Trichter darstellt, in dem früher oder später alle Genres zusammenlaufen, was vor allem beim Niedergang des Italo-Westerns nach dem kommerziellen Höhepunkt der Trinità-Filme gut zu beobachten war. Ich polier‘ dir deine Glatze – ein Amüsement in zwei Teilen, wie die Eröffnungssequenz offenbart – hat eine drastisch andere Atmosphäre zu bieten als die früheren Filme des Regisseurs, angefangen beim Schauplatz: die sonnige, heiße und bevölkerte Stadt Neapel ist voller Leben, Musik und Farben, wohingegen Mailand (und sogar Palermo in Il Boss, 1973) ein nächtliches, kaltes und distanziertes Erscheinungsbild verpasst bekommen hatten.

Der Regisseur macht sich hier sogar ein wenig über seine eigenen Filme lustig: eine Figur hat den Spitznamen „Der Amerikaner“ inne, so wie Lionel Stander in Milano calibro 9 (Milano Kaliber 9, 1972), Woody Strode taucht als brutaler Gangster auf, während sich der Plot selbst (in der die Hauptfigur einen Krieg zwischen zwei Fraktionen auslöst) als eine x-te Variation des rostresistenten Handlungsmechanismus von Per un pugno di dollari (Für eine Handvoll Dollar, 1964) erweist. Anstatt jedoch auf Parodie zu setzen, seziert Di Leo eine ernsthafte Handlung über eine Stewardess, die in einen Bandenkrieg verwickelt wird und verbindet diese mit unzusammenhängenden, widersprüchlichen Elementen. So wird zum Beispiel der Charakter des knallharten Kommissars durch eine Karikatur ersetzt, die vom Komiker Lino Banfi gespielt wird, während die epischen Konfrontationen zwischen den Gangs zu grotesken Faustkämpfen im Stil der Trinità-Filme verkommen. Di Leo besetzte mit Jimmy il Fenomeno sogar ein sehr bekanntes Gesicht aus komödiantisch angelegten Filmen. Der leicht zurückgebliebene „Nicht-Schauspieler“, dessen schielender Blick und wahnsinniges Lachen die Quelle für viele Gags in unprätentiösen Sex-Comedys waren, hieß mit richtigem Namen Luigi Origene Soffrano.

Die eigentliche Innovation von Ich polier‘ dir deine Glatze ist jedoch die Hauptfigur, eine Heldin, die sich in jeder Hinsicht wie ein Mann verhält. Di Leos Film ist als ein gynozentrischer Streifen zu bezeichnen, der von Ursula Andress‘ attraktiver Erscheinung dominiert wird. Sie schlägt und wird geschlagen, tritt und rennt, betrügt und hintergeht. Und nicht zuletzt geht sie ins Bett, mit wem auch immer sie möchte. Ursprünglich hatte Di Leo die Figur wohl als bisexuelle Frau angelegt. Die Idee – die einmal mehr die Aufmerksamkeit des Regisseurs für unkonventionelle Frauenfiguren aufzeigt – wurde später allerdings fallen gelassen, da Di Leo sie für zu riskant für das Publikum gehalten haben soll. Dora Green – die ihren Körper als Waffe einsetzt und die sexzentrierte männliche Mentalität zu ihrem Vorteil ausnutzt – ist also als eine Vorläuferin der beiden feministischen Studentinnen aus Di Leos umstrittenen Film Avere vent’anni (Oben ohne, unten Jeans, 1978) anzusehen. Außerdem nimmt der Regisseur den Machismo des Film Noir auf den Arm, denn alle männlichen Charaktere erweisen sich hier entweder als Hengste mit viel Muskeln und wenig Hirn (was zählt, wie Dora und ihre Freundinnen oft wiederholen, ist, dass sie gut im Bett sind) oder als halb zurückgebliebene Clowns. Und sie alle verlieren den Verstand, wenn sie ein paar schöne Beine zu sehen bekommen.

Außerdem ist Ich polier‘ dir deine Glatze als ein Schaufenster für die 39-jährige Ursula Andress zu beschreiben, die in Italien landete, um das Beste aus ihrer schwindenden Popularität zu machen und schließlich – dank Filmen wie L’infermiera (Operation misslungen – Patient lebt, 1975) – zur Sexfilm-Ikone wurde. Di Leo behandelt seine Hauptdarstellerin wie einen Vamp und stattet Andress mit einer ganzen Parade von auffälligen Kostümen aus, komplett mit Pailletten und Schlitzen, die ihre schönen Beine betonen. Dank Roberto Gerardis Ausleuchtung sieht sie zudem gleich zehn Jahre jünger aus. Die Schweizer Schauspielerin gibt sich der Kamera großzügig hin, indem sie ihren statuenhaften, reifen Körper in mehreren Nacktszenen zur Schau stellt.

Aufgrund nur weniger Qualitäten erweist sich Ich polier‘ dir deine Glatze insgesamt als ein misslungenes Experiment. Das Hauptproblem des Films besteht darin, dass das im Vorspann angepriesene „Amüsement“ nur das des Regisseurs zu sein scheint, denn die meisten Gags zünden einfach nicht, während die Handlung eher verworren und chaotisch anstatt prickelnd (wie uns Luis Bacalovs lebhafte Filmmusik glauben machen will) rüberkommt. Das „Glanzstück“ des Films – eine überlange Kampfsequenz in einem Vergnügungspark, die in einem Duell zwischen Woody Strode und Aldo Giuffrè gipfelt, das wahrscheinlich eine Hommage an Sergio Leones Filme sein soll (oder doch eher eine Verhöhnung deren?) – kann es nicht im Geringsten mit den für Bud Spencer und Terence Hill choreografierten Faustkämpfen aufnehmen. Die interessantesten Aspekte des Films stellen sowieso die plötzlichen, unerwartet ausbrechenden Brutalitäten dar. Die Kombination aus schwarzem Humor und extremer Gewalt sollte zu einem der Hauptvorzüge von Di Leos Drehbuch zu Ruggero Deodatos Uomini si nasce poliziotti si muore (Eiskalte Typen auf heißen Öfen, 1976) werden.

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Seitenverhältnis: ‎16:9 – 1.85:1
Altersfreigabe: ‎NR (Not Rated)
Regisseur: ‎Fernando Di Leo
Medienformat: ‎Blu-ray
Laufzeit: ‎1 Stunde und 36 Minuten
Darsteller: ‎Ursula Andress, Woody Strode, Marc Porel, Isabella Biagini
Sprachen: Italienisch, Englisch
Untertitel: ‎Englisch
Studio: Raro Video

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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