Cobra Verde

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Werner Herzog, eine Persönlichkeit die charakterlich sicher genau so schwierig und oft für den Außenstehenden völlig unzugänglich war und ist, wie sein von ihm hassgeliebter, aber gleichsam vergötterter Wahl Schauspieler Klaus Kinski mit welchem er seine wohl bedeutendsten Werke schuf. Auf der einen Seite sind Kollaborationen des Duos Kinski-Herzog einzigartig und besitzen eine inhärente suggestive Anziehungskraft, der man sich als Zuschauer der Werke schwer entziehen kann, andererseits besitzen Herzogs Filme einen lähmenden fragmentarischen Aufbau, angereichert durch extravagante Bildkompositionen und exotische Schauplätze.

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Auch die letzte Zusammenarbeit von Herzog und Kinski besitzt alle diese typischen Versatzstücke. Die Geschichte von „Cobra Verde“ der ein Einzelkämpfer ist der abwesend und weltfremd wirkt und doch voller Gewalt und Angriffslust ist. Diese „Naturgewalt“, die von Kinski ausgeht wird von Anfang an dem Zuschauer präsentiert, ein Einsamer der durch sein erscheinen seinem Umfeld die Luft zum Atmen nimmt und dem alle entfliehen wollen, da er ja kein Mensch ist sondern vor allem später in Afrika zum „weißen Teufel“ avanciert. Sein Aufstieg, der zum Gang nach Kanossa wird und alles erst den Anschein hat, sein Leben würde in normalen Bahnen verlaufen als Aufseher einer Zuckerrohrplantage. Bis er dann schließlich die Tochter des Besitzers schwängert und als Strafe in Afrika Sklaven rekrutieren soll. Dieser Anfang ist der Epilog für eine surreale Farce, denn sobald „Cobra Verde“ Afrika betritt gleicht alles einem Traum.

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Die langen Momente in Einsamkeit unter den vielen Einheimischen versucht die „Cobra“ sich an der Aufgabe der Lage Herr zu werden. Ein Fort direkt am Meer, dient ihm als Zuhause, wie ein Parasit nistet er sich dort ein, lebt in übergroßen Räumen umgeben von Leere. Die seelische Einsamkeit sorgt für eine Stärke die sich immer wieder in kleinen expressiven Gewaltmomenten äußert. Herzog ist immer wieder nah am Geschehen, trotz dessen erwirkt diese Nähe oft eine Distanziertheit. Lange lähmende Einstellungen fangen, man kann sie monumentale Aufnahmen ein, die aber keine epischen Ausmaße erreichen, denn der Film hat in dem Sinne kaum Spannungen die sich ergeben. Natürlich sind dort die Einheimischen und die Stammesführer die gegen „Cobra Verde“ stehen, doch ist es kein klassischer Antagonismus der dabei entsteht, denn Verde ist wirklich allein. Ihm stehen keine Soldaten und auch nur begrenzte materielle Mittel zur Verfügung. Im Grunde genommen ist es ein Paradoxon, ein Mann der nur sein Selbst einsetzten kann um zu Wirken und zu manipulieren, denn Prestige und Macht kann er nur als Einzelner ausstrahlen.

Dieses Thema, welches sich im Film anbahnt, ist äußerst interessant ist es doch auch der Diktatoren Mythos der hier umschrieben wird, der gezwungenermaßen die Frage aufwirft: Wie kann ein Mann die Massen bewegen? Der Film zeigt dies auf eine unbeschreibliche Weise, denn im Grunde genommen beobachtet man Kinski, der wirklich Cobra Verde ist und dort verschwimmen die Grenzen zwischen Film und Realität, also Fiktion und Realismus, denn alles wirkt Echt! Doch wie beschreibt man Echt? Vielleicht besser mit dem Wort Authentizität, doch auch dieses Wort trifft den Kern der Sache nicht ganz, denn auf der einen Seite ist das was man in dem Film sieht in vielerlei Hinsicht Ästhetisiert und gemacht um vom Zuschauer betrachtet zu werden. Da wären die ausufernden „Kriegs Trainings“ Szenen oder das Überbringen von Nachrichten mit weißen Flaggen, die sich in einer schier endlosen Menschenschlange durch die Landschaft ziehen. Auch sind es diese Szenen die partiell für „Aufregung“ sorgen und andererseits in die Handlung eingebaut wirken.

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Das große Ganze ist ein Schwebezustand, der auf einer Metaebene zusammengefasst werden kann, aber nicht zwingend muss. Genauso ist es bei Herzog im Allgemeinen, denn seine Filme bieten viel Interpretationsspielraum, mit welchem man inhaltliche Leere und bedeutungsschwangere Bilder füllen kann, andererseits könne sich auch Sphären eröffnen die nur mit dem richtigen intellektuellen Zugang greifbar werden.
Cobra Verde lässt sich für ein Minimum an Geschichte, denn mehr ist es nüchtern betrachtet nicht, viel Zeit, kleidet diese inhaltliche Nacktheit aber in Farbenfrohe inszenatorische Gewänder und durch die Exotik in den Bildern und nicht zuletzt Kinski relativieren sich viele kleinere Schwächen. Es ist die Atmosphäre, dieses Herzogeske was den Film auszeichnet. Denn das Gefühl von zeitloser Zeit die man beim Sehen verspürt ist faszinierend. Das treiben lassen, zeichnete schon „Fitzcarraldo“ und „Aguirre – Der Zorn Gottes“ aus. Die Reise in das Ungewisse, die Fremde beginnt immer in der fortgeschrittenen Biografie eines Hauptprotagonisten, in diesem Fall Kinski. Seine Charakter die er darstellt, oder vielmehr lebt ähneln sich in den zuvor genannten Filmen, jedoch hat jeder Charakter seine ganz eigenen Facetten mit vielen Ecken und Kanten, da diese Menschen die Kinski so grandios verkörpert schon das Leben „durchlebt“ haben, aber nicht in dem Sinne das es verbraucht oder verwirkt ist, sondern aus dem Leben geht ein schöpferisches, oft destruktives Sein hervor. Auch das psychosexuelle Verhalten spielt dabei eine Rolle, ist die Sexualität doch in Kinskis Leben etwas wichtiges gewesen, dies ist auch aus den Filmausschnitten der Dokumentation ersichtlich, die die Entstehung von „Cobra Verde“ begleitete.

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„Cobra Verde“ ist in dieser Hinsicht sehr interessant und hinsichtlich einer analytischen Betrachtung des Menschen und Schauspielers Kinski, mag sich dem ein oder anderen eine in dem Werk immanent vorhandene weit größere Komplexität eröffnen. Denn auch am Ende dieses Filmes bleibt wie bei den anderen Herzog Filmen auch die Frage im Raum stehen: Was ist eigentlich passiert? Denn der Weg des Hauptprotagonisten „Verde“ kulminiert nicht etwa in dessen Tod, sondern vielmehr in den Reaktionen die er durch seinen Willen bei der afrikanischen Bevölkerung auslöst. Ein Mann wie eine Armee ? Oder ist es nur sein Wille der unmenschlich ist? Ein Kampf um Anerkennung? All diese Fragen eröffnen sich und der Betrachter, wird mit Kinski in der Brandung am Strand zurückgelassen – Vielleicht war es auch nur die Geschichte von Sisyphos – oder der Kampf David gegen Goliath; nur ohne Goliath? Was bleibt zu sagen? (Schon wieder eine Frage-) Im Grunde genommen, muss eine Wertung entfallen, da dieser filmische „Stoff“ einfach schwer zu bewerten ist, denn es ist kein Film an sich sondern vielmehr ein Gesamtkunstwerk mit vielen Ebenen zu denen man sich hier und da einen intellektuellen Zugang schaufeln muss, oder man lässt den Film auf sich wirken und drängt ihn in die berwertungsneutrale Zone. Es sei jedem selbst überlassen. Mir hat dieser letzte Kinski/Herzog Ausflug gefallen, auch wenn ich Kritik an der schwachen Dramaturgie äußern muss und an der zu einfach gestrickten Handlung, welche dafür noch zu fragmentarisch ist – auf atmosphärischer, handwerklicher, sowie schauspielerisches Ebene gibt es aber keine Kritik.
„Eine Herzog/Kinski Kollaboration mit dramaturgischen Schwächen, aber mit einer immanent wirkenden drogenähnlichen suggestiven Anziehungskraft“.

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