Der Einsame aus dem Westen / Sledge / A Man Called Sledge

Luther Sledge hat schon einiges auf dem Kerbholz und wird steckbrieflich gesucht, als er mit seiner Banditenhorde den Plan fasst, eine Goldladung zu erbeuten, die sich auf dem Weg zu einem Fort befindet. Nach einigen Versuchen verwirft er aufgrund der außerordentlich guten Bewachung den Plan, dies während des Transports selbst zu tun. Er lässt sich stattdessen von einem seiner Männer, der sich als Gesetzeshüter ausgibt, als Gefangener in das Lager bringen, in dem die wertvolle Fracht über Nacht gelagert wird. Aus der Zelle heraus kann er die Kontrolle über das Fort erlangen und so das Gold in den Besitz der Bande bringen. (Explosive Media)

Fast alle von Dino De Laurentiis produzierten Italo-Western zeichnen sich durch eine ungewöhnliche Besetzung aus, doch Der Einsame aus dem Westen übertrifft sie alle. Hier spielen sowohl Maverick als auch McCloud mit der italienischen Antwort auf Klaus Kinski und einer der berüchtigtsten Sexbomben des Landes zusammen, um einen Heist-Western zu drehen, an dem sogar ein Mitglied des Peckinpah-Clans mitgeschrieben hat. In der englischsprachigen Fassung wird lediglich Vic Morrow als Regisseur aufgeführt, während die italienische Version auch Giorgio Gentili als Co-Regisseur listet, möglicherweise aus rein finanziellen Gründen. Und dann existiert noch das Gerücht John Sturges (der in keiner Fassung Erwähnung findet) wäre für einige Schlüsselszenen verantwortlich gewesen. Alles in Allem soll es sich um eine recht problematische Produktion gehandelt haben, mit vielen Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Schnitts, weswegen Morrow seinen Namen aus den Kredits streichen lassen wollte und Garner sehr unzufrieden mit der mangelnden Professionalität in Europa gewesen sein soll.

In einer wunderschön gestalteten Eröffnungssequenz, die in einer schneebedeckten Landschaft spielt, kann das Publikum beobachten, wie Luther Sledge (James Garner) mit seinem Komplizen Mallory (Tony Young) eine Postkutsche ausraubt. Die beiden Männer fliehen daraufhin und machen im nächsten Saloon Rast, wo Mallory nach einer Partie Poker in den Rücken geschossen wird. Sledge erledigt die Mörder seines Kumpans und macht sich am nächsten Tag in Richtung wärmere Gefilde auf, wobei er von einem alten Mann (John Marley) aus dem Saloon verfolgt wird. Sledge vermutet in dem Alten einen Kopfgeldjäger, doch der beteuert er sei nur einem Transport gefolgt, der Gold im Wert von über 300.000 Dollar an Board hat, das vorübergehend in einem Tresorraum im Herzen einer Gefängnisfestung aufbewahrt werden soll. Der alte Mann war einst in einer Zelle neben dem Tresor eingesperrt und träumt seitdem davon, dessen Inhalt zu rauben. Gold, so meint er, verströme einen Duft, der einem durch zentimeterdicken Stahl zuflüstert. Wie der alte Mann, so ist auch Sledge sehr bald davon besessen das Gold unbedingt stehlen zu müssen, obwohl ihm seine Freundin Ria (Laura Antonelli) versichert, sie bräuchten keine Reichtümer, um glücklich zu sein und ihn bittet die Sache zu vergessen. Doch Sledge lässt sich nicht davon abbringen und da es nur Geisteskranke wagen würden die Eskorte von vierzig schwer bewaffneten Soldaten anzugreifen, die die goldene Ladung zur Gefängnisfestung geleiten, fasst er einen anderen Plan. Er will sich als Gefangener im Hochsicherheitstrakt der Festung einsperren lassen, um einen Aufstand anzuzetteln und die dadurch entstehende Unruhe dazu nutzen den Tresorraum zu plündern. Allen Widrigkeiten zum Trotz gelingt der sehr gewagte Plan, doch für Luther Sledge und seine Bande gehen die Probleme jetzt erst so richtig los.

Garners Besetzung gegen seinen Typ – kurz nach dem liebenswürdigen sowie witzigen Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe (1969) – erweist sich als sehr effektiv. Bereits in Duell in Diablo (1966) hatte er mal seine dunklere Seite zeigen dürfen und bekommt hier endlich die Chance noch einen draufzusetzen. Der Schauspielveteran John Marley bietet ebenfalls eine überzeugende Vorstellung als der alte Mann, indem er ihn niederträchtig, gierig aber auch unterwürfig darstellt. Den übrigen Schauspielern wird allerdings nicht genügend Bildschirmzeit eingeräumt, um ihre Charaktere richtig funktionieren lassen zu können. Dennis Weaver (als Erwin Ward) und Claude Akins (als Hooker) scheinen zuweilen ein wenig verwirrt zu sein, während Laura Antonelli nur vereinzelte Momente als Sledges Freundin Ria spendiert bekommen hat. Der einzige Nebendarsteller, dem es gelingt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, ist Bruno Corazzari (der sadistische Killer Scaife aus Quanto costa morire) als verabscheuenswertes Bandenmitglied Bice, der nur seinen schäbigen Regenschirm aufspannen muss, um einem einen Schauer über den Rücken zu jagen.

Die Action wurde sehr gut in Szene gesetzt, wobei einige der aufwändigeren Sequenzen – wie die Öffnung des Tresors während des Gefängnisaufstands – als herausragend zu bezeichnen sind. Andererseits kommen einige sogenannte Montagen – wie das Kartenspiel, das den Gefängnisaufstand mit der finalen Schießerei verbindet – eher gehetzt rüber. Eine typische Italo-Western Atmosphäre kommt auch nicht immer auf, doch das große Finale mit einer Schießerei während eines religiösen Festes und James Garner, der seinen Arm mit einem Kruzifix „schient“, wurde unverkennbar mit italienischen Gewürzen verfeinert. Eine Actionsequenz, in der Garner und Akins in einer Westernstadt von den Dächern der Häuser aus beschossen werden, erinnert stark an die Eröffnungsszene aus The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz (1969), wobei einzelne Aufnahmen beinahe eins-zu-eins kopiert worden sind.

Es ist stark anzunehmen, dass sich Frank Kowalski – der gemeinsam mit Morrow das Drehbuch geschrieben hat – dafür verantwortlich zeichnet. Kowalski war Stammgast bei Sam Peckinpah, meist als Drehbuch-Supervisor oder Dialogregisseur, gelegentlich aber auch als Second-Unit-Regisseur. Außerdem verfasste er später das Skript zu Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia (1974). Der Einsame aus dem Westen hat schon so seine Schwächen, doch Garners Sledge – der jede Schlacht gewinnt, den Krieg aber letztendlich verliert – verleiht dem Film ein Element existenzieller Fatalität. Eine (angeblich sehr widerliche) Szene mit Laura Antonelli wurde in den meisten Fassungen herausgeschnitten. Vermutlich handelt es sich dabei um eine Sequenz, in der Ria von Bice auf bestialischste Art und Weise vergewaltigt wird.

Bei Amazon bestellen

Seitenverhältnis: ‎16:9 – 2.35:1
Alterseinstufung:‎ Freigegeben ab 16 Jahren
Regisseur: Morrow, Vic
Medienformat:‎ Breitbild
Laufzeit:‎ 1 Stunde und 32 Minuten
Darsteller: ‎Garner, James, Weaver, Dennis, Akins, Claude, Marley, John, Antonelli, Laura
Untertitel: ‎Deutsch, Englisch
Sprache: ‎Deutsch (PCM2 .0), Englisch (PCM2 .0)
Studio: ‎Explosive Media

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert