Summer of ’84

Sommer 1984: Vier Freunde schlagen die Zeit zwischen Baumhaus, Bowlingbahn und BMX-Fahrten tot – bis ein Serienkiller seinen dunklen Schatten auf die sonst so perfekte Vorstadtidylle wirft. Hobby-Verschwörungstheoretiker Davey (Graham Verchere) verdächtigt schon bald seinen Nachbarn, den alleinstehenden Polizisten Wayne Mackey (Rich Sommer). Um dem Schlächter von Cape May auf die Schliche zu kommen, verwandeln die Jungen ihr Geheimversteck in eine Einsatzzentrale. Und was zunächst als harmloses Detektivabenteuer beginnt, wird nach und nach zu einem gefährlichen Spiel auf Leben und Tod… (Pandastorm Pictures)

Das Turbo Kid-Team hat sich schon einmal als geschickt erwiesen, das VHS-Zeitalter wieder salonfähig zu machen. Nur im Gegensatz zu seinem seltsamen Vorgänger, der mehr Road Warrior als The Road Warrior war, ist Summer of ’84 in unserer Welt verwurzelt – wo sich eine Gruppe von Teenagern im Alleingang gegen einen potentiellen Mörder stellt. Der Streifen präsentiert also weniger die post-apokalyptische Ultra-Gewalt mancher 80er Flics, sondern erinnert eher an die Filme oder Bücher von David Lynch, Stephen King und Steven Spielberg aus dem gleichen Jahrzehnt. Hey, die 80er Jahre, wo die meisten Kids BMX-Räder fuhren, mit Dinosaurier- und Star Wars Figuren spielten und sich hinter den Vorhängen eines jeden Vororthauses unvorstellbare Geheimnisse verbergen konnten. So weit, so Stranger Things. Aber im Gegensatz zu den gutmütigen, unverdorbenen Kindern aus Hawkins Indiana, erschließt sich dem Zuschauer die Welt von Summer of ’84 über den zynischen, weltmüden Davey, der davon überzeugt ist, dass der Nachbar von der anderen Straßenseite, der Cape May Slayer ist: ein Serienmörder, der bereits mehrere Teenager verschwinden ließ. Mit wenigen sowie schwachen Beweisen stellt Davey nun seinem Langzeitnachbarn nach, selbstverständlich mit Hilfe der üblichen Verdächtigen, nämlich dem sogenannten Verliererclub, bestehend aus einem molligen Kerl, einem Nerd und dem lustigen, coolen Typen, der immer einen Spruch auf Lager hat.

Tatsächlich wird eine recht überraschend hohe Anzahl von diesen Sprüchen losgelassen, denn Summer of ’84 versteht sich die meiste Zeit über als Komödie, mit „Deine Mutter“ Sprüchen sowie groben Scherzen und comichaften Beleidigungen Mädchen gegenüber, von denen nur einige wenige richtig landen können. Wahrscheinlich war diese leichtherzige Herangehensweise an das Material unvermeidlich gewesen, da ein Skript, das sich um eine einzelne Frage strukturiert (ist Mackey wirklich ein Serienkiller?), sich nicht in unzählige Richtungen entwickeln kann. Letztendlich präsentiert uns der Film „nur“ ein Mysterium um „nur“ einen Verdächtigen. Das geht allerdings in Ordnung und ich halte es nicht für einen Spoiler, zu verraten, dass der Schwerpunkt auf die unterhaltsame und vergnügliche Reise gelegt wird und nicht auf das Ziel selbst. So funktionieren die meist passenden Schablonen der Charaktere in dem Maße, dass sie an den richtigen Stellen Spannung aufbauen können und ein Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos repräsentieren, das den Zuschauer mit einem Lächeln auf dem Gesicht zur Auflösung führt. Eine große und ständige Bedrohung ist jedoch nicht vorhanden, da Mackey die meiste Zeit über gar nicht weiss, dass die Jungs ihm auf der Spur sind. Trotzdem gibt es etliche gefährliche und spannende Situationen zu überstehen, in denen die Kids immer wieder gegen die Uhr anrennen müssen. Die Ästhetik ist zutiefst atmosphärisch, inklusive Vorstadt-Idylle und Paranoia, die wunderschön eingefangen und durch einen Synth-Soundtrack verstärkt werden.

Wie bei anderen coming of age Abenteuern (zum Beispiel Es und Stand By Me) kommen die Kinder aus schwierigen Verhältnissen, wobei der Bedarf an Abenteuer möglicherweise in ihrem Bedürfnis nach der Flucht aus dem Alltag begründet liegt. Nur hier fühlt sich dieser Aspekt nachträglich eingefügt an, mit Nebenhandlungssträngen über die Eltern oder die erste Liebe, die einfach da aber irgendwie nicht Teil des Gesamtbildes sind. Im besten Fall ist dieser Film immer noch viel eher als liebevolle Hommage zu bezeichnen, denn als albern lächerliche Pastiche. Doch wenn man die dramatischen Elemente herunterspielt, um des Stils willen, deutet das auf ein blutendes Herz hin, das nicht mehr stark schlägt. Vielleicht handelt es sich um eine ironische Form, in der der Film die Ablenkung des Achtziger-Abenteuers von der grausamen Natur des Alltags dieser Kinder abgrenzt. Wer weiß das schon genau? Dennoch erfährt das Publikum während der ersten beiden Akte den gleichen Spaß wie die Kids. Doch erst, wenn sich der Film in seiner erschütternden Schlusssektion (die sich auch anfühlt, als wäre sie nachträglich hinzugefügt worden!?) direkt mit dunkleren Themen beschäftigt, fügt sich alles zusammen: schwierig durchschaubare Fassaden, die verborgenen Geheimnisse der Vorstadt sowie das Ende der Kindheit. Dieser Unschuldsverlust ist meisterhaft inszeniert und entwertet die konsequenzenlose Natur der Kinderspiele gekonnt. Die Kindheit der Protagonisten ist vorbei, verdorben von den schwer verdaulichen Ereignissen, die sie er- bzw. überlebt (?) haben, und ihre plötzliche Abwesenheit wird sowohl von ihnen als auch vom Betrachter empfunden. Mit anderen Worten, es ist das Beste, wenn es beginnt sich wahr an zu fühlen.

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Darsteller: Graham Verchere, Judah Lewis, Caleb Emery, Cory Grüter-Andrew, Tiera Skovbye
Regisseur(e): François Simard, Anouk Whissell, Yoann-Karl Whissell
Produzenten: Shawn Williamson, Jameson Parker, Matt Leslie, Van Toffler, Cody Zwieg
Sprache: Deutsch (DTS-HD Master Audio 5.1), Englisch (DTS-HD Master Audio 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Region: Region B/2
Bildseitenformat: 2.39:1
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Studio: Pandastorm Pictures (Edel)
Erscheinungstermin: 26. Oktober 2018
Produktionsjahr: 2018
Spieldauer: 105 Minuten

 


Diese BluRay sowie das Bildmaterial wurde uns freundlicherweise von Pandastorm Pictures zur Verfügung gestellt.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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