Das Schloss der blauen Vögel / La Bestia Uccide A Sangue Freddo

Schloss Hohenschwand fungiert als Nervenheilanstalt. Die meisten Frauen, die dort behandelt werden, haben psychische Probleme durch Inzucht, gescheiterte Ehen oder Nymphomanie. Seit kurzem geht des Nachts ein Triebtäter im Schloss um, der sich nicht nur an den nackten und vor Lust zuckenden Frauenkörpern ergötzt, sondern ihnen auch ein blutiges Ende bereitet… (X-Rated)

Beginnt man seine Reise durch die Filme von Fernando Di Leo mit diesem lächerlich überreifen Stück Exploitation, besteht eine gute Chance, dass man ihn als drittklassigen Regisseur abschreibt. Mit seinen Gonzo-Plot-Entwicklungen, ausgedehnten Sex-Szenen und schlaffem Tempo kommt der Streifen wie eine von Jess Francos weniger inspirierten Bemühungen daher. Blut und Nacktheit werden in Hülle und Fülle präsentiert, doch das Endergebnis wirkt merkwürdig unzusammenhängend und uninspiriert. In einem Interview verriet Di Leo einst, er wäre zufällig zu dem Projekt gekommen und hätte die Idee eines Sanatoriums in einer stattlichen Burg mit leicht zugänglichen Folterinstrumenten für so lächerlich befunden, dass er beschloss, diese Absurdität auszuspielen und es dabei so weit wie möglich zu übertreiben. Auf gewisse Art und Weise kann es ihm kaum verübelt werden. Die Geschichte ist einfach nur irrsinnig und die Tatsache, dass Waffen in einer solchen Umgebung frei ausliegen, ist einfach viel zu unglaublich. Das Skript belastet allerdings auch noch in anderer Hinsicht die Glaubwürdigkeit des Films, denn den zufällig zusammengewürfelten Charakteren sind irgendwelche ethische Grenzen kaum bekannt, so dass die Ärzte, genauso wie andere Angestellte des Sanatoriums, mit den Patienten Alkohol trinken und/oder ins Bett springen. Realismus ist hier so gut wie gar nicht zu finden, also ist der Zuschauer gut damit beraten, den Film für das zu akzeptieren, was er ist: fröhlich schmutzige Exploitation. Der Film ist Mist und Di Leo ist dies bewusst; aber innerhalb seiner eigenen unkonventionellen Grenzen kann er auf dieser Ebene jedoch auch Spaß machen. Di Leos Regie lässt alle Attribute vermissen, die für seine besten Filme typisch sind. Er erwies sich als Meister des Poliziottesco mit Genre-Perlen wie Milano Kaliber 9, Der Mafia Boß – Sie töten wie Schakale (beide 1972), Der Teufel führt Regie (1973) und Il poliziotto è marcio aka Shoot First, Die Later (1974). Während diese Filme in ihrem Fokus intelligent, fies und intensiv sind, stellt Slaughter Hotel ein lahmendes, verwirrendes Chaos dar.

Der Plot besitzt keinen Sinn für geordnete Entwicklung. Tatsächlich tapst er einfach von einer Sequenz zur nächsten. Di Leo arbeitet eine plumpe Nacktszene nach der anderen ab, auch wenn diese gerade wirklich deplatziert wirkt, während es den verschiedenen Mord-Einstellungen an überzeugenden Gore-Effekten mangelt. Das Finale ist enorm überzogen, weswegen es sicherlich in Erinnerung bleibt, wobei die Identität des Mörders allerdings viel zu einfach zu erraten ist und die Charaktere so unglaublich skizziert sind, so dass es dem Publikum vollkommen egal ist, was mit ihnen geschieht. Die Ausleuchtung von Franco Villa ist flach und funktional. Szenen, die von ein wenig Schatten profitieren würden, entfalten sich in hartem Licht, weswegen der Film im Allgemeinen ziemlich billig und schäbig aussieht. Die Villa, die das Sanatorium repräsentiert, war zuvor bereits in Riccardo Fredas The Terror of Dr. Hichcock (1962) zu sehen, wo mit ein bisschen Flair und Kunsthandwerk eine ganze Menge mehr aus der Örtlichkeit gemacht wurde. Die Spezialeffekte, wie weiter oben erwähnt, sind bestenfalls als grob zu bezeichnen, mit roter Farbe, die als Blut nicht überzeugend rüberkommt. Der Schnitt ist ungeschliffen und die Musik generisch. Alles in allem handelt es sich also um eine recht wenig bemerkenswerte Angelegenheit in Bezug auf Handwerk. Die Aura der Lustlosigkeit erstreckt sich ebenfalls auf die Leistung von Klaus Kinski, der in Das Gesicht im Dunkeln (1969) noch eine wirklich engagierte Vorstellung gegeben hatte, in diesem Film aber nur für einen schnellen Gehaltsscheck unterwegs zu sein schien. Seine Schauspielerei ist gemäßigt sowie unbeteiligt, so dass es so wirkt, als würde er den Verlauf des Abends nach den Dreharbeiten planen, obwohl er sich mehr auf die Rolle seines Charakters konzentrieren sollte. Kinski spielte viele seiner Rollen äußerst überzeugend, doch er war aus Geldgründen auch nicht abgeneigt Arbeit anzunehmen, die ihn eigentlich nicht bewegte bzw. überzeugte. In Wahrheit wäre es wohl jedem schwergefallen diesem Charakter etwas Leben einzuhauchen, aber vielleicht hätte Kinski dies schaffen können, hätte er doch nur ein bisschen mehr Feuer und Energie aufgebracht.

Auf der positiven Seite sind Monika Strebel, Margaret Lee und vor allem Rosalba Neri unterwegs und haben reichlich an Nacktszenen. Neri ist als gepeinigte Nymphomanin perfekt besetzt und eine der wenigen am Film beteiligten Personen, die wirklich Spaß bei der Arbeit gehabt zu haben schienen. Als der Film später mit einigen Hardcore-Einlagen „bereichert“ wurde, fand sich Neri in einer weitaus expliziteren Version ihrer Selbstbefriedigungs-Sequenz wieder. Erstaunlicherweise war die ursprüngliche Version viel erotischer, da Rosalba Neri selbst genügend Erotik erzeugen konnte, ohne auf grafische Klitoris-Nahaufnahmen zurückgreifen zu müssen. Außerdem kann man Frau Neri aufgrund einer Blinddarmnarbe sehr einfach von ihrem Double unterscheiden. Überraschenderweise generiert der Film trotz aller Defizite eine merkwürdige Faszination. Es handelt sich zwar um kein gutes Genrebeispiel, dafür ist der Film viel zu lustlos und lahm gestaltet aber im Vergleich zu einigen der wirklich elendigen Filme im Genre, besitzt Das Schloss der blauen Vögel (zu welchem Zeitpunkt kommen hier eigentlich blaue Vögel vor?) beinahe schon surrealen Charme, der schwer in Worte zu fassen ist. Sicherlich kann keiner der Beteiligten auf diesen Streifen Stolz sein, unvergleichlich und einzigartig bleibt Der Triebmörder trotzdem … und das ist doch wenigstens etwas, oder?

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  • Darsteller: Klaus Kinski, Margaret Lee, Monika Strebel, Rosalba Neri
  • Regisseur: Fernando di Leo
  • Format: Limited Edition, Widescreen
  • Sprache: Italienisch (DD), Deutsch (DD)
  • Untertitel: Deutsch
  • Region: Region B/2
  • Bildseitenformat: 16:9 – 2.35:1
  • FSK: Nicht geprüft
  • Studio: X-Rated Kult DVD
  • Produktionsjahr: 1971
  • Spieldauer: 95 Minuten

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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