Das verfluchte Haus / Un tranquillo posto di campagna / A quiet place in the country

Der exzentrische Maler Leonardo Ferri kauft sich ein altes, seit Jahren verlassenes Haus auf dem Lande, in dem vor dem 2. Weltkrieg ungeklärte Morde geschahen. Im Laufe der Zeit bekommt Leonardo Schwierigkeiten, zwischen Wahn und Wirklichkeit zu unterscheiden. Es scheint in dem Haus zu spuken und Leonardo beginnt zu recherchieren. Währenddessen organisiert seine Freundin in dem Haus eine Art spiritistische Sitzung. Die Lage spitzt sich in ungeahnter und gefährlicher Art und Weise zu! (X-Rated)

Die kreativen Batterien des modernen Künstlers Leonardo Ferri (Franco Nero) sind leer, weswegen er die Stadt verlassen möchte. Obwohl seine Kunsthändlerin / Liebhaberin Flavia (Vanessa Redgrave) ihm eine geräumige Villa mit allen Vorzügen auf dem Land vorschlägt, zieht es Leonardo in eine ältere, zerfallende Villa. Trotz ihrer Warnungen, die Villa sei keine gute Investition, veranlasst Flavia den Kauf und besucht Leonardo hin und wieder, um sicherzustellen, dass er arbeitet. Leonardo wiederum entdeckt bald, dass er in der heruntergekommenen Villa nicht allein ist. Die Türen schlagen von selbst zu und jemand oder etwas lässt sein Arbeitszimmer vollkommen verwüstet zurück. Leonardo erfährt von einigen Dorfbewohnern, dass eine promiskuitive Gräfin namens Wanda Valier (Gabriella Grimaldi, Quella sporca storia nel West / Django – Die Totengräber warten schon) 20 Jahre zuvor in der Villa getötet wurde, nachdem ein englisches Kampfflugzeug die Villa unter Beschuss genommen hatte. Als Flavia mal wieder vorbeikommt, um die Nacht mit Leonardo zu verbringen, scheint das Haus auf ihre Anwesenheit heftig zu reagieren. Sie kracht beinahe durch den Boden, ein Teil des Daches stürzt über ihr ein und dann wird sie fast von einem umstürzenden Regal zerquetscht.

Flavia scherzt, das Haus würde sie nicht mögen und geht, Leonardo hingegen möchte mehr über Wanda erfahren. Er besucht ihre kranke Mutter (Madeleine Damien, Tagebuch einer Kammerzofe) und bezahlt sie für einige Fotos von Wanda, die seine neue Inspiration wird (allerdings nicht für die Malerei, da er den Wunsch etwas zu kreieren verloren hat). Leonardo befragt auch Wandas ehemalige „Freier“ bzw. Verehrer, einschließlich des Hausmeisters der Villa, Attilio (Georges Geret, Brennt Paris?). Flavia befürchtet unterdessen, eine andere Frau könnte ihn ihr weggenommen haben. Leonardo versammelt mehrere von Wandas Verehrern – zusammen mit Flavia – für eine Séance in der Villa. Danach scheint es, als würde Leonardo selbst die größte Gefahr für Flavia darstellen (obwohl Ungewissheit darüber besteht, ob er nun besessen ist oder ob er „nur“ versucht Wandas Geist zu gefallen). Das verfluchte Haus ist ein weiterer von Elio Petris (Das zehnte Opfer, Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger) künstlerischen, sexy Exploitation-Filmen, doch gleichzeitig handelt es sich auch um eine effektiv abschreckende bukolische Geistergeschichte.

Die übernatürlichen Angriffe auf Flavia treffen sie genauso unerwartet, wie das Publikum, während sich die Séance-Szene wirklich gruselig gestaltet. Basierend auf der Oliver Onions-Novelle The Beckoning Fair One (Die lockende Schöne) verwandelt sich die viktorianische Kulisse, die sich für eine Geistergeschichte geradezu anbietet, in ein Pop-Art-Italien der sechziger Jahre. Die gotische Villa wird von Leonardos modernen Gemälden, pornografischen Magazinen und diversen Annehmlichkeiten angereichert, die von Flavia bereitgestellt werden, damit Leonardo keine Zeit damit verschwendet, etwas anderes zu tun, als zu malen – wie eine Spülmaschine (mit der Leonardo seine Pinsel auswäscht). Nero und Redgrave hatten sich im Jahr zuvor am Set von Camelot – Am Hofe König Arthurs kennengelernt und sie ließ sich 1968 von Tony Richardson scheiden (Richardson ging zu diesem Zeitpunkt bereits mit Jeanne Moreau aus). Obwohl sich ihre Beziehung später ziemlich stürmisch gestalten würde (Redgrave hatte von 1971 bis 1986 eine fünfzehnjährige Beziehung zu Timothy Dalton, heiratete Nero aber 2006), ist es hier schwierig nichts in ihre Bildschirm-Beziehung rein zu lesen, wobei Leonardo auf Flavias wohlhabenden Ehemann Bezug nimmt und Flavia sich verzweifelt an Leonardo klammert und verkündet, sie wolle nur sein Glück.

Auf der anderen Seite haben Redgrave und Nero die sadomasochistische Beziehung der Charaktere möglicherweise einfach als schauspielerische Herausforderung mit ein wenig Exhibitionismus verstanden. Als scheinbar besessener Leonardo nimmt Nero einen äußerst verstörenden Blick an, der sowohl Jack Nicholson in The Shining als auch James Brolin in The Amityville Horror vorwegnimmt. Da es sich um einen Elio Petri Film handelt, kann man auf keinen Fall eine einfache Geistergeschichte erwarten. Leonardos kreativer Geist ist von Anfang an Halluzinationen ausgesetzt, die allerdings nicht nur filmisches Spiel von Seiten Petris bedeuten. Leonardos Versagensängste stellen sich durch Träume und Halluzinationen von Flavias materialistischem Exzess, Flavia als sein Kindermädchen und Flavia als seine Mörderin dar. Er beschuldigt sie, sich nur wegen seiner Rentabilität als Künstler für ihn zu interessieren, doch eigentlich scheint es so, als würde sie ihn aushalten (oder sie verwaltet zumindest sein Geld, da sie ihn bitten muss, ihm etwas Geld zu hinterlassen, bevor sie zur Arbeit geht).

Mehrmals halluziniert Leonardo das gewaltsame Töten von Flavia und ersetzt auch die verschiedenen Männer in den Rückblenden von Wandas Eroberungen. In seiner Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart – manchmal in derselben Einstellung – wäre der Film ein guter Begleiter zu Stephen Weeks‘ Ghost Story (1974). Der Film repräsentiert einen der wenigen psychologischen Horrorfilme, dem es gelingt das Publikum zu fragen, wie sehr der Spuk eine Projektion des instabilen Helden ist, oder auch nicht. Wenn Redgrave am Ende sagt „Ich beneide ihn fast“, fragt man sich, ob nicht die Villa, sondern viel eher Leonardos letztendlicher Aufenthaltsort dem Titel Ein ruhiger Ort auf dem Land entspricht. Die Musik von Ennio Morricone präsentiert sich diesmal in Zusammenarbeit mit der Improvisationsgruppe Nuova Consonanza genauso ungewöhnlich und seltsam wie der Film. Leonardos Gemälde sind das Werk des Neo-Dada-Künstlers Jim Dine.

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Darsteller: Franco Nero, Vanessa Redgrave
Regisseur(e): Elio Petri
Format: Dolby, HiFi-Sound, PAL, Breitbild
Sprache: Italienisch (Dolby Digital 2.0), Deutsch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: Deutsch
Region: Region B/2
Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
Anzahl Disks: 1
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Studio: X-Rated
Produktionsjahr: 1969
Spieldauer: 106 Minuten

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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